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Strecke frei für die Windbergbahn

Ein weiterer Abschnitt von Deutschlands ältester Gebirgsbahn ist repariert. Am Wochenende geht es auf große Fahrt. Und es gibt schon neue Baupläne.

Von Annett Heyse
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Strecke frei: Tilo Dinter, Ausbilder bei Strabag und Maik Schulze vom Windbergbahn-Verein entfernen das Sperrschild.
Strecke frei: Tilo Dinter, Ausbilder bei Strabag und Maik Schulze vom Windbergbahn-Verein entfernen das Sperrschild. © Karl-Ludwig Oberthür

Der Schotter knirscht unter den Arbeitsschuhen von Maik Schulze und Tilo Dinter. Die zwei Männer steigen über die Schiene, dann stehen sie vor einem Eisengestell, an dessen oberen Ende ein viereckiges Schild befestigt ist. Jedem Eisenbahner ist bei dem Anblick der weißumrandeten, roten Tafel sofort klar: Ab hier geht es nicht weiter. Maik Schulze packt beherzt zu und löst das Schild aus der Arretierung: "Jetzt kann es weitergehen", sagt er. Kurz darauf ertönt ein Hupsignal und die Windbergbahn setzt sich in Bewegung.

Mit gut zehn Stundenkilometer passiert sie in Freital ein paar Häuschen und Gärten sowie die Brücke, die sich über die Straße "Zur Schicht" spannt. Dann ruckelt die Bahn weiter bis zur Bannewitzer Straße. Hier wird das Schild wieder auf die Gleise gesetzt. "Unser neuer Endpunkt", sagt Maik Schulze. 

Hinter den Eisenbahnern liegen anstrengende Monate. Überwiegend in Handarbeit haben sie weitere 700 Meter saniert. "Das heißt, alte Schwelle raus, Schotter weg, Untergrund stabilisieren, Schotter reinigen und wieder einbauen, neue Schwelle legen und einschottern", zählt Vereinsvorstand Tobias Brunsch auf. Da der Verein kaum über schwere Gleisbautechnik verfügt, kamen Schaufeln und Vorschlaghämmer zum Einsatz. Dort, wo es gar nicht ging, bekamen sie Unterstützung von Strabag Rail. Das Unternehmen schickte Ausbilder Tilo Dinter und seine Gleisbaulehrlinge zur Windbergbahn. So konnten die jungen Männer ein Stück historische Strecke mitbauen, die fast 170 Jahre alt ist.  

Alter Waggon blieb erhalten

Die Bahntrasse wurde 1856 als Hänichener Kohlezweigbahn angelegt. Sie wurde gebraucht, um die Steinkohle aus den Schächten rund um den Windberg in den Plauenschen Grund und weiter nach Dresden zu transportieren. Es war eine ingenieurtechnische Meisterleistung, die sich Planer Guido Brescuis erdachte. Auf 5,1 Kilometer Streckenlänge mussten zwischen Birkigt und Gittersee 120 Höhenmeter überwunden werden. Brescuis bettete den Gleisverlauf in die Landschaft ein und ließ große Bögen bauen. Als die Bahn 1857 in Betrieb ging, schlängelten sich die Züge regelrecht nach oben. 

Um 1900 herum war die Bahn nicht mehr wirtschaftlich, hatte aber Bedeutung für den Ausflugsverkehr gewonnen. Um den Tourismus anzukurbeln, ließen die Eigentümer 1911 vier Personenwaggons anfertigen - mit großen Fenstern, damit die Fahrgäste die Aussicht genießen konnten. Einer dieser Waggons blieb erhalten: Er wurde von einem aufmerksamen Eisenbahner in Freital-Potschappel vom Schrottzug abgekoppelt und auf ein Abstellgleis verfrachtet. Dort stand er viele Jahre, bis der Verein den Waggon übernahm und restaurierte.

In diesem sitzen nun die Vereinsmitglieder und die Strabag-Lehrlinge. Sie unternehmen gemeinsam die erste offizielle Fahrt seit 1998 auf der Strecke von Gittersee bis zur Bannewitzer Straße in Freital. 

Die Windbergbahn eröffnet einen weiteren Streckenabschnitt Jetzt geht es bis zur Bannewitzer Straße.
Die Windbergbahn eröffnet einen weiteren Streckenabschnitt Jetzt geht es bis zur Bannewitzer Straße. © Karl-Ludwig Oberthür
Zwischen Dresden-Gittersee und Freital sind nun 2,2 Kilometer Gleis instand gesetzt. 
Zwischen Dresden-Gittersee und Freital sind nun 2,2 Kilometer Gleis instand gesetzt.  © Karl-Ludwig Oberthür
Die alten Schwellen waren marode und mussten getauscht werden - größtenteils mit einfachen Mitteln.
Die alten Schwellen waren marode und mussten getauscht werden - größtenteils mit einfachen Mitteln. © Karl-Ludwig Oberthür
Im Dieselbetrieb geht es die Strecke entlang. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 15 km/h.
Im Dieselbetrieb geht es die Strecke entlang. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 15 km/h. © Karl-Ludwig Oberthür
Die Fahrten starten am Sonnabend und Sonntag am Bahnhof in Dresden-Gittersee.
Die Fahrten starten am Sonnabend und Sonntag am Bahnhof in Dresden-Gittersee. © Karl-Ludwig Oberthür

286 Schwellen gewechselt

Um bis hierher zu kommen, war es ein weiter Weg. Der Verein, der dieses Jahr 40 Jahre alt geworden ist, hat zwar etliche Mitglieder in seiner Kartei stehen. Letztendlich aber sind es ein gutes Dutzend, die wirklich mit anpacken können. Dazu kommt, das eine Bahnstrecke ohne Material und Technik kaum zu unterhalten ist. Als sie vor zwei Jahren mit der Sanierung begannen, mussten die Windbergbahner die Strecke erst einmal von Büschen und Bäumen befreien.

Dann begannen sie, Stück für Stück die Schwellen zu wechseln. Im Frühjahr 2020 waren sie bereits bis zum Kesselgrund auf Freitaler Gebiet vorgedrungen. Nun haben sie die Bannewitzer Straße erreicht. Maik Schulze hat sich mal ein paar Fakten notiert. "Wir haben in den vergangenen Wochen 300 Tonnen Material bewegt, 286 Schwellen getauscht und 3.000 Arbeitsstunden geleistet." Das gelang nur mithilfe zahlreicher Helfer und Firmen, die Dienstleistungen, Baumaterial, Maschinen zur Verfügung stellten. 

Einmal in Schwung, soll das Projekt bald fortgesetzt werden. Schon ab Oktober möchte der Verein den nächsten Abschnitt in Angriff nehmen und sich bis auf Höhe des Eichberges vorarbeiten. Einfacher wird es nicht, im Gegenteil. "Hinter der Bannewitzer Straße sieht es schlecht aus", sagt Vorstand Brunsch. Nicht nur die Schwellen seien allesamt verwittert, sondern bei Regen stehe auch Wasser im Gleisbett. Das klingt nach viel Arbeit.

Zunächst aber wird ein bisschen gefeiert und Eisenbahn gefahren. Zwar gibt es corona-bedingt am Wochenende kein Bahnhofsfest, wie sonst Anfang September. Aber der Verein lädt zum Mitfahren auf jetzt 2,2 Kilometer Streckenlänge ein, für einen Imbiss ist gesorgt. 

Fahrtage am 5. und 6. September ab 10 Uhr, Abfahrten jeweils stündlich außer 13 Uhr (Mittagspause), letzte Fahrt 17 Uhr. Erwachsene zahlen sechs Euro, Kinder drei Euro. 

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