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Warum ein geplantes Wohngebiet für Frust sorgt

In Wilthen will ein Investor bis zu 18 Bauplätze erschließen. Bei Nachbarn stößt das auf Widerstand; vor allem aus einem Grund.

Von Katja Schäfer
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Am Wiesenweg in Wilthen sollen bis zu 18 Bauplätze entstehen. Steffen Seifert wohnt neben der dafür vorgesehenen Fläche. Er will nicht akzeptieren, dass für das Wohngebiet die Streuobstwiese weichen soll, neben der er hier steht.
Am Wiesenweg in Wilthen sollen bis zu 18 Bauplätze entstehen. Steffen Seifert wohnt neben der dafür vorgesehenen Fläche. Er will nicht akzeptieren, dass für das Wohngebiet die Streuobstwiese weichen soll, neben der er hier steht. © SZ/Uwe Soeder

Steffen Seifert ist empört: „Ich weiß, dass in Wilthen Bauplätze gebraucht werden. Aber dass dafür ein wertvolles Stück Natur geopfert wird, ist nicht einzusehen.“ Seine Frau nickt bekräftigend. Worum geht’s? In der Stadt soll ein neues Wohngebiet entstehen. Das Gelände liegt oberhalb vom Haus Bergland am Wiesenweg. Es erstreckt sich zwischen dem Plattenbaugebiet und der vorhandenen Bebauung an der Baugenossenschaftsstraße. Auf der Fläche stehen lediglich ein paar Gartenlauben. Im April beschloss der Stadtrat mit 13 Ja-Stimmen und drei Enthaltungen die Aufstellung eines Bebauungsplanes für das 15 000 Quadratmeter große Areal. Ziel ist, dort einen Wohnbaustandort ausweisen zu können. Denn laut Bürgermeister Michael Herfort (CDU) sind Bauplätze in der Stadt sehr gefragt. Ein Grund dafür ist die gute Infrastruktur. Es gibt Grund- und Mittelschule sowie Gymnasium, eine Kita, Ärzte, Einkaufsmöglichkeiten und vieles mehr.

Streuobstwiese soll weichen

Mangel herrscht hingegen an Baugrundstücken. Deshalb bemüht sich die Stadt darum, neue Standorte auszuweisen. An vielen Stellen scheitert das vor allem an einem Fakt: Das Landschaftsschutzgebiet reicht an allen Seiten Wilthens bis an die Bebauung heran. Bereiche auszugliedern, ist schwierig und langwierig. Umso mehr freut sich Michael Herfort, dass sich eine neue Möglichkeit aufgetan hat. Der Besitzer eines großen Grundstückes am Wiesenweg wollte verkaufen. Auch ein Investor wurde gefunden. Mathias Hille, der in Bautzen ein Planungsbüro betreibt, will das Gelände entwickeln, erschließen und die Parzellen veräußern. „Das große Grundstück und ein kleineres habe ich schon gekauft. Mit weiteren Eigentümern bin ich in Verhandlung“, sagt er. Laut eines Vorentwurfes könnten 16 bis 18 Baugrundstücke mit 400 und 700 Quadratmetern entstehen.

Bei Ilona und Steffen Seifert sorgen die Pläne für großen Ärger. Das Ehepaar wohnt direkt oberhalb des Gebietes. „Wir sind nicht generell dagegen, dass hier neue Häuser entstehen. Die stören uns nicht“, beteuert Steffen Seifert und zeigt auf die dichte Bepflanzung am Rand seines Grundstücks, die wie eine grüne Mauer wirkt. Ihn und seine Frau regt aber auf, dass eine Streuobstwiese beseitigt werden soll. „Die Fläche ist ein herrliches Biotop. Dort stehen alte Bäume, leben Fledermäuse, Eidechsen und andere Tiere“, behauptet Ilona Seifert.

Die schätzungsweises 4 000 Quadratmeter umfassende Wiese gehört zu dem großen Grundstück, das Mathias Hille gekauft hat. „Sie müsste vom Bebauungsplan ausgeklammert werden“, fordert Steffen Seifert. Um das zu erreichen, hatte er dem bisherigen Besitzer selbst ein Kaufangebot unterbreitet. „Diese zusätzliche Fläche wäre für uns eine Belastung. Aber wir wollen nichts unversucht lassen, um das Biotop zu retten“, sagt der Wilthener, der unter der Überschrift „Initiative zum Erhalt der Streuobstwiese“ in der Nachbarschaft 17 Unterschriften gesammelt hat. Seine Frau fügt an: „Wir würden auf dem Grundstück gern Insektenhotels aufstellen“. Umso entsetzter waren Seiferts, als im Februar Totholz beräumt und Bäume gefällt wurden. Als sie das bemerkten, riefen sie beim Umweltamt an. Ihren Aussagen nach wurden die Arbeiten daraufhin unterbrochen.

„Drei Bäume habe ich mit Genehmigung der Stadt fällen, einige umgestürzte beseitigen lassen, damit man das Gelände wieder bewirtschaften kann“, bestätigt Mathias Hille. Eine Fachfirma erledigte den Auftrag. Kürzlich sei das abgeblühte Gras auf dem Grundstück gemäht worden, berichtet der Investor und betont: „Ich arbeite eng mit dem Umweltamt zusammen.“

Alle Tiere werden erfasst

Nach Aussagen des Landratsamtes handelt es sich bei der Streuobstwiese um ein geschütztes Biotop. Mathias Hille ist das bewusst: „Wenn wir sie beseitigen, müssen wir sie ersetzen“. Laut Landratsamt ist „in naher Umgebung eine Streuobstwiese auf etwa einer doppelt so großen Fläche“ anzulegen. „Dies ergibt sich unter anderem daraus, dass junge Bäume nicht in der Lage sind, die Funktionen der bisherigen Altgehölze zeitnah zu übernehmen“, sagt Sprecherin Frances Lein. Da es Hinweise und teilweise auch Nachweise gibt, dass auf der Wiese Arten vorkommen, die besonders oder streng geschützt sind, hat die Naturschutzbehörde die Erstellung eines Artenschutzfachbeitrages gefordert. Das bedeutet: Über eine komplette Vegetationszeit wird beobachtet, welche Tiere dort leben. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf Reptilien, Vögeln, Säugetieren und Insekten. „Dieses Gutachten wird im Planverfahren berücksichtigt“, betont der Bürgermeister.

Mit der Erarbeitung des Bebauungsplanes hat Mathias Hille das Bautzener Landschaftarchitekturbüro Panse beauftragt. Der Entwurf wird voraussichtlich noch dieses Jahr öffentlich ausgelegt. Dann kann jeder Einsicht nehmen und Einwände vorbringen. Seiferts wollen das tun. Denn sie sind der Meinung: „Es gibt in Wilthen andere Flächen, wo Bauplätze entstehen können, ohne dass ein Biotop zerstört wird.“