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Radeburg will altes Gaswerk abreißen 

Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Die schlechte Bausubstanz ist daher nicht der Hauptgrund für die Entscheidung der Stadt.

Von Sven Görner
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in trauriger Anblick: das einstige Gaswerk in der Radeburger Bahnhofstraße.
in trauriger Anblick: das einstige Gaswerk in der Radeburger Bahnhofstraße. © Norbert Millauer

Radeburg. Es soll das älteste und kleinste noch erhaltene Gaswerk Sachsens sein. Und es steht auf der Denkmalliste. Dennoch sind die Tage des Klinkerbaus an der Bahnhofstraße in Radeburg wohl gezählt. In seiner letzten Sitzung im zu Ende gegangenen Jahr hat der Stadtrat jedenfalls dafür gestimmt, dass die Verwaltung einen Antrag auf Abriss stellt.

Für gewöhnlich haben solche Ansinnen bei unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden eher wenig Aussicht auf Erfolg. Andreas Hübler (ULR) wollte daher auch wissen, „ob die Denkmalbehörde das jetzt schluckt“. Bürgermeisterin Michaela Ritter (parteilos) antwortete daraufhin, dass bei den vorangegangenen Gesprächen auch das Abfallamt des Kreises dabei gewesen sei und man dieses jetzt mit im Boot habe.

Im Fall des alten Gaswerks ist das von großer Bedeutung. Denn auch wenn man vermuten könnte, dass der Grund für den geplanten Abriss des 1906 eingeweihten Gebäudes dessen desolater Bauzustand ist, ist das Hauptproblem ein anderes.

Die historische Ansicht aus dem Jahr 1913 stammt aus der Sammlung von Jens Böhme.
Die historische Ansicht aus dem Jahr 1913 stammt aus der Sammlung von Jens Böhme. © Archiv

Stichprobenartige Untersuchungen des städtischen Teils des Objektes durch ein Umweltbüro – Radeburg gehören etwa zwei Drittel, der Rest der Enso – haben nach Auskunft der Stadtverwaltung ergeben, dass sowohl im Boden als auch in der Bausubstanz Belastungen unter anderem mit Cyaniden, Kupfer- und Nickelverbindungen, Phenolen, Sulfaten, Ammoniak und Mineralölkohlenwasserstoffen festgestellt wurden. Nicht umsonst war das bis 1964 betriebene Gaswerk nach der Wende im Altlastenkataster des Freistaats gelandet.

Das Altlastenrisiko war auch der Grund gewesen, dass in der Vergangenheit alle Verkaufsabsichten der Stadt gescheitert waren. Mehrere Interessenten gab es, wie der damalige Bürgermeister Dieter Jesse (parteilos) 2006 im Stadtrat gesagt hatte, als dort schon einmal über einen Abrissantrag debattiert worden war.

Ab dem Jahr 2014 bemühte sich die Stadt Radeburg dann zusammen mit der Enso um eine gemeinsame Vermarktung des gesamten Standorts des früheren Gaswerks. Drei Jahre später erfolgte auf dem Gelände der Enso dann die Sanierung der dortigen Teergruben. Der Teer war seinerzeit neben Koks bei der Gasherstellung aus Steinkohle angefallen. Bei den Arbeiten 2017 wurden auch auf dem städtischen Teil des Gaswerksgeländes Teerkontaminationen und Teile von Teergruben festgestellt, die schließlich der Grund für die weitergehenden Untersuchungen waren.

In den sich anschließenden Beratungen mit Vertretern der Stadt Radeburg, dem von der Stadt beauftragten Planungsbüro sowie dem Umweltbüro und den zuständigen Behörden des Landkreises kam man schließlich zu dem Schluss, dass ein Erhalt und eine Nutzung des Gebäudes aufgrund der bekannten und zu erwartenden Kontaminationen sowohl im Boden als auch in der Bausubstanz weitestgehend ausgeschlossen sind. Weitere umfangreiche Bodenuntersuchungen sowie ein möglicherweise erforderlicher Bodenaustausch seien bei einem Erhalt des Gebäudes nahezu unmöglich.

Trotz des baufälligen Zustands, der mittlerweile eine Gefahr für Leib und Leben darstelle, werde das Gebäude immer wieder unbefugt betreten. Wie die Bürgermeisterin sagte, sei erst kürzlich wieder ein Graffito angebracht worden. Daher seien permanent Kontrollen und Reparaturen an den Absperrungen erforderlich.

Aufgrund all der genannten Probleme und in Anbetracht der bisher aufgewandten finanziellen Mittel sowie der noch zu erwartenden Kosten ist nun entscheiden worden, den Abriss zu beantragen.

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Gaswerk Radeburg

Gebaut wurde das Gebäude mit dem Behälter und einem Rohrnetz mit 16 Anschlüssen im Jahr 1906 innerhalb von fünf Monaten. Der Stadtrat hatte den Bau einstimmig beschlossen.

Nach der Fertigstellung erhellten 100 Gaslaternen die Stadt. Im Jahr 1931 wurden bereits 700 Abnehmer in der Zille-Stadt beliefert.

Stillgelegt wurde das Werk 1964. Das Gas kam nun aus der Verbundnetzleitung Lauchhammer-Dresden.

Quelle: Schriftenreihe des Kultur- und Heimatvereins Radeburg e.V. „Entlang der Promnitz“ aus dem Jahr 2008