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Görlitzer Hoffnungen erfüllen sich

Der Europamarathon lockt viele Starter. Das Wetter stimmt. Und die Lokalmatadoren Franziska Kranich und Patrick König feiern Siege.

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© H.-E. Friedrich

Von Frank Thümmler

Görlitz. Ohrenbetäubend war der Beifall der mehreren Hundert Zuschauer auf den letzten Metern des Görlitzer Europamarathons – zumindest zeitweise, und vor allem, wenn viele Läufer ins Ziel kamen. Erleben konnte man unter anderem, wie der hinterherlaufende Papa seine noch kleine Tochter anfeuerte, es bis ins Zehn-Kilometer-Ziel zu schaffen, wie die „Birkenstock“-Teilnehmer jeden Träger ihres Trikots bis ins Ziel anfeuerten, wie der polnische der drei Sprecher beim Fünffachsieg seiner Landsleute über zehn Kilometer verbal ausflippte, wie sich so mancher am Ende seiner Kräfte unter dem Jubel der Zuschauer ins Ziel schleppte, andere mit dem extra Adrenalinschub einen unglaublichen Schlussspurt hinlegten. Es war tolle Stimmung beim Europamarathon.

Emotionaler Höhepunkt aus Görlitzer Sicht war aber der Zieleinlauf im Halbmarathon. Nachdem von den Sprechern ein Zweikampf angekündigt war, bog der Görlitzer Lokalmatador allein auf die Zielgerade ein und sprintete unter dem Jubel seiner Fans unangefochten als Sieger ins Ziel. Er hatte sogar die Luft, seine Freude über den Erfolg auf den letzten Metern unüberhörbar hinauszuschreien. „Das war alles pures Adrenalin. Endlich habe ich es geschafft, diesen Lauf zu gewinnen.“ Der 31-Jährige hat bislang bei allen 15 Europamarathon-Veranstaltungen seit 2004 am Halbmarathon teilgenommen. Zweimal (2012 und 2017) war er als Zweiter schon ganz nah dran, diesmal klappte es endlich.

Entscheidung erst im Finale

Wobei es alles andere als leicht war zu gewinnen. Ein Grund stand am Start: Der Bautzener Marco Friedrich wollte seinen dritten Görlitzer Sieg. „Und ich kannte seine Zeiten, wusste, dass er deutlich unter 1:20 Stunden laufen kann“, sagt König nach dem Rennen. Es wurde dann der erwartete Zweikampf, bis zum Kilometer 19 führten beide Läufer uneinholbar das Feld an. Die entscheidende Phase begann am Weinberg. „Da habe ich versucht, mich noch etwas zu schonen. Erst auf der Goethestraße habe ich das Tempo verschärft, dann auf der Kahlbaumallee habe ich gemerkt, dass ich einen Vorsprung herauslaufen konnte. Als ich mich umgedreht habe, waren es vielleicht 30, 40 Meter. Da habe ich gewusst, dass ich das Ding nach Hause laufe“, sagte Patrick König nach dem Lauf. Am Ende stellte er in 1:15:53 Stunden einen neuen persönlichen Rekord auf, was angesichts des schweren Görlitzer Streckenprofils und der Wärme erstaunlich ist. Im Ziel hatte er 18 Sekunden Vorsprung, sein größter persönlicher Karriereerfolg neben dem Sieg beim Zittauer Gebirgslauf. Seine Leistungssteigerung führt Patrick König auf sein kontinuierliches Training über den Winter (mit Trainingslager in Fuerteventura), auf die vielen Trainingshöhenmeter und schnellen Unterdistanzläufe (10 km) zurück. Und es ist noch Luft nach oben, macht der Görlitzer auch Hoffnung für die nächsten Jahre.

Vierter Sieg für Franziska Kranich

Den zweiten Görlitzer Sieg in einem der Hauptläufe feierte Franziska Kranich über 42,195 Kilometer – ihr vierter Marathonerfolg nach 2013, 2014 und 2016. Diesmal war es ein Start-Ziel-Sieg, der der 32-jährigen Görlitzerin diesmal trotz ihres großen Vorsprungs schwer fiel. „Gezweifelt habe ich schon nach zehn Kilometern. Meine Beine wollten einfach nicht richtig“, sagte sie nach dem Lauf. Eigentlich kein Wunder. Erstens hat die Görlitzerin wegen ihrer vielen Wettkämpfe schon viel zu viele Kilometer in den Beinen („Da bin ich aber beratungsresistent. Das ist nun mal mein Leben.“) und zweitens war auch die unmittelbare Vorbereitung auf den Marathon nicht optimal. „Sonst mach ich am Tag vor dem Marathon gar nichts. Aber diesmal habe ich den ganzen Tag Kisten geschleppt und ausgepackt. Wir sind in unser Haus eingezogen“, erklärt sie freudestrahlend. Angesichts dessen ist ihre Leistung umso erstaunlicher. Nach der Hälfte der Strecke hatte sie schon rund einen Kilometer Vorsprung. Diesmal ging es auch den Weinberg hoch ziemlich gut. Nur die letzten anderthalb Kilometer seien eine echte Qual gewesen. Im Ziel war die Görlitzerin hinter 13 Männern nach 3:25:07 Stunden, rund sieben Minuten schneller als vor einem Jahr und über acht Minuten vor der Zweitplatzierten, Izabela Wolak aus Polen. Die Dritte, Lneka Wagnerova aus Ostrava (Tschechien) hatte schon über eine halbe Stunde Rückstand.

Spannender war das Marathonrennen der Männer. Der Tscheche Jakub Schor (aus der Nähe von Kladno) bezwang in für Görlitzer Verhältnisse starken 2:42:48 Stunden den Vorjahressieger Micha Bähr vom SV Blau-Weiß Bürgel (Thüringen), der vier Minuten nach dem Sieger deutlich gezeichnet ins Ziel kam. Schor hatte den führenden Bähr wenige Kilometer vor dem Ziel überholt und konnte sein Glück nicht fassen. Auf der Zielgeraden griff er sich mehrfach an den Kopf, stürmte jubelnd ins Ziel. Der Dritte, Jerzy Jagielski aus Polen, verfehlte die Drei-Stunden -Marke um sieben Sekunden. Bester Läufer aus der Region war der Löbauer Johannes Weckwerth als Sechster (3:13.44 h).

Claudia Pechstein gewinnt knapp

Viele Augen waren natürlich auch auf die fünffache Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein gerichtet, die auch mit 46 Jahren noch nicht an ein Ende ihrer leistungssportlichen Karriere denkt. Im Sommer ist Grundlagentraining, viel auf Inline-Skatern. In Görlitz war sie beim Halbmarathon am Start, kam hinter zehn Männern ins Ziel und siegte in der Frauenwertung in 42:04 Minuten mit neun Sekunden Vorsprung vor der Dresdnerin Christiane Kloß. Entscheidend waren am Sonntag für viele aber nicht die absoluten Zahlen, sondern einfach: Debeigewesen zu sein und sich ins Ziel gekämpft zu haben.