Gottleuba zwischen verpassten und neuen Chancen

So unterschiedlich ist die Wahrnehmung: Der scheidende CDU-Fraktionschef Jens Klotzsche sieht Vorschläge und Anregungen seiner Fraktion in den vergangenen fünf Jahren als oftmals zerredet, verschoben, ignoriert, ausgesessen. Sein Linken-Amtskollege Lothar Seifert sieht zu viele und zu lange Diskussionen über Nebensächlichkeiten, die sachbezogene Ratsarbeit sei in den Hintergrund gerückt. Egal, ob man es so oder so sieht: In den vergangenen fünf Jahren hat sich der Stadtrat von Bad Gottleuba-Berggießhübel viel mit sich selbst beschäftigt und viel gestritten. In diesem Prozess wurde einiges bewegt – und es blieb einiges auf der Strecke.
Beispiel Geld: Bad Gottleuba-Berggießhübel hat sich aus einem tiefen finanziellen Loch herausgekämpft. Das waren Lasten zum Teil aus den 1990er-Jahren. Dafür haben alle Opfer bringen müssen. Es wurden Abgaben erhöht und Investitionen verschoben, um die Kommunalfinanzen wieder auf eine sichere Grundlage zu stellen. Das hat der Stadtrat geschafft. Ihm ist es jedoch nicht gelungen, diese Leistung entsprechend zu kommunizieren und für einen neuen Aufschwung zu nutzen. Stattdessen wurde oft gescholten, dass man Fördermittel liegen lasse. Aber: Zu jedem geförderten Projekt hätte die Stadt eigenes Geld geben müssen, das kaum vorhanden war. Und auch wenn sich der Doppelkurort finanziell erholt hat: Aus dem Vollen kann er noch immer nicht schöpfen.
Beispiel Mafago: Der Abriss des Fabrikgebäudes war beschlossen, als die CDU mit einer Idee kam, die durchaus Charme hat: eine Kulturfabrik. Sie sollte Mittel zum Zweck sein, das Gebäude zu erhalten. Nach mehreren Jahren Debatten ist nun offenbar klar, dass die Idee kaum zu finanzieren ist. Wie sich der künftige Stadtrat positionieren wird, darauf wird auch der von den Linken initiierte Bürgerentscheid am 1. September Einfluss haben. Sie wollen erreichen, dass alle Bemühjungen in Richtung Kulturfabrik eingestellt werden. Offen bleibt, was dann aus dem Gebäude wird.
Beispiel Rathaus: Hier sah es aus, als ob es ständig einen Schritt vorwärts und zwei rückwärts ging. Als die Entscheidung für das Haus des Gastes in Berggießhübel als künftigen Standort klar schien, ruderte die CDU zurück, wollte Stellenpläne und weitere Kostenanalysen. Inzwischen ist die Entscheidung für das Objekt – auch mit Stimmen der CDU – gefallen.
Beispiel Konzepte: Ein Stadtentwicklungs- und ein Sportstättenkonzept erarbeiten zu lassen, ist zwar nach langer Debatte nun beschlossen, aber noch immer Theorie. Nun ist mit einer Umfrage ein erster Schritt in Richtung Praxis gegangen. „Endlich“, sagt CDU-Spitzenkandidatin Madlen Rätze. Die Freie Liste will in Sachen Stadtentwicklung eigene Wege gehen und kündigt ein Forum an. Die CDU will zudem einen Vereinskoordinator einsetzen.
„Endlich vom Reden zum Handeln“
Der erste Schritt für einen Neubeginn im Kurort wurde mit der Bürgermeisterwahl zu Jahresbeginn gemacht. Zwar steht noch ein Wahl-Einspruch zur Klärung an, der jedoch die Verwaltungsarbeit von Christian Walters Vorgänger Thomas Mutze betrifft. Deshalb ist der parteilose Walter inzwischen auch qua Ratsbeschluss im Amt. Mutze war es zunehmend schwergefallen, die beiden Fraktionen im Interesse der Stadt zu verbinden. Immer wieder nahmen parteipolitische und zum Teil sogar persönliche Angriffe überhand, eskalierten Auseinandersetzungen zwischen Verwaltung und Rat. Alle Bewerber für den neuen Stadtrat schreiben sich nun auf die Fahne, zur Sacharbeit zurückzukehren.
CDU-Fraktionschef Jens Klotzsche wird im neuen Stadtrat nicht mehr dabei sein. Er tritt nicht mehr an. Er hofft, dass der gemeinsame Nenner künftig im Stadtrat größer ist als in den letzten Jahren. „Wenn es gelingt, aus der Phase des Redens zum Handeln zu kommen, sieht es gut aus.“ Den neuen Stadträten gibt er einen Tipp mit auf den Weg: Chancen sind wie Sonnenaufgänge. Wer zu spät kommt, verpasst sie. Seine potenzielle Nachfolgerin Madlen Rätze hat auch einen Spruch: „Wer etwas will, sucht Wege, wer etwas nicht will, sucht Gründe.“
Wofür erfolgreich gekämpft wurde und wofür noch weiter gekämpft werden muss

Oberschule Gottleuba: Der Erhalt und die Sanierung der Oberschule Bad Gottleuba ist wohl der größte Erfolg der vergangenen fünf Jahre. Der Kampf um die Schule hatte schon vorher begonnen. Der Abschluss der wesentlichsten Arbeiten lässt der Stadt nun finanziellen Spielraum für anderes, zum Beispiel eine Turnhalle.

Feuerwehr Gottleuba: Der Standort auf der Pirnaer Straße wurde mit dem Ausbau des Gerätehauses und der Einrichtung der Rettungswache gesichert. Das ist ein Plus für die gesamte Region. Dazu kamen neue Fahrzeuge nicht nur für die Gottleubaer Feuerwehr. Bei diesen Investitionen war sich der Stadtrat einig.

Billy-Bad Berggießhübel: 1995 war es neu und schön und modern. Jetzt ist es in die Jahre gekommen und es muss dringend etwas gemacht werden. Bisher war kein Geld dafür da, waren Schulen und Kitas wichtiger. Doch damit wird der Betrieb des weit über den Doppelkurort hinaus beliebten Bades aufs Spiel gesetzt.

Kulturhalle Oelsen: Die Oelsener warten seit Jahren auf ihre Halle, in der Platz für die Feuerwehr, das Ortsarchiv und einen öffentlichen Gemeinschaftsraum sein soll. Gespräche hat es schon viele gegeben, aber bisher kein Geld. Der neue Bürgermeister hat die Kulturhalle Oelsen als einen seiner Schwerpunkte genannt.