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Große Klappe, Mut dahinter

Ein Puppenspieler muss kein Bauchredner sein, aber mit dem Herzen dabei. Ein Besuch in der Volkshochschule. 

Von Henry Berndt
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Die Welt durch die Augen der Puppe sehen: Petra Stelzer (M.) gibt ihr Können an den Puppenspielnachwuchs weiter.
Die Welt durch die Augen der Puppe sehen: Petra Stelzer (M.) gibt ihr Können an den Puppenspielnachwuchs weiter. © Sven Ellger

In der Teilnehmerliste unterschreibt Josephine. Josephine, die Puppe. Noch bevor sich ihre Spieler kennengelernt haben, quasseln die putzigen Großmäuler, die im Stuhlkreis auf den Knien sitzen, schon munter drauf los. Beim Sprechen reißen sie ihre Köpfe auf, stieren abwechselnd auf den Fußboden und an die Decke. Es gibt viel zu tun für Petra Stelzer.

Ein halbes Dutzend Interessenten hat sich für ihren „Einführungskurs für große Handpuppen“ an der Volkshochschule angemeldet. Sie wollen lernen, wie man Klappmaulpuppen, die mit den klappbaren Mäulern, möglichst lebendig werden lassen kann. Angelika arbeitet in der Altenpflege, Katrin ist Erzieherin, Marko coacht Langzeitarbeitslose und ist Mitglied in einer Theatergruppe. Als einziger hat er eine selbst gebastelte Puppe mitgebracht. Ein Monster mit grauem Fell, das unweigerlich an die Sesamstraße erinnert.

Die Kursleiterin Petra Stelzer entdeckte das Puppenspiel vor zehn Jahren für sich. Für einen Geburtstag brauchte sie eine nette Idee und ließ Puppen tanzen. „Mich hat auf Anhieb fasziniert, wie schnell man durch die Puppen eine Beziehung aufbauen kann“, sagt die 56-Jährige. „Am Anfang braucht es allerdings Überwindung ohne Ende.“ Bei einigen der besten Puppenspieler in Deutschland erlernte sie danach die Techniken, und sie lernte vor allem: Auch die beste Technik nützt nichts, solange man nicht bereit ist, die Welt durch die Augen der Puppe zu sehen.

Ihr Geld verdient Petra Stelzer in einem Ingenieurbüro, doch die Puppen haben sie nie mehr losgelassen. Mit ihrem Florian ist sie regelmäßig in Schulen und Pflegeheimen zu Gast. Gerade für Therapiezwecke könnten Puppen unheimlich hilfreich sein. „Selbst bei Demenzpatienten, die man sonst gar nicht mehr erreicht, kann man mit einer Puppe oft noch wenigstens ein Lächeln gewinnen.“

Bis dahin ist der Weg aber weit. Die Teilnehmer des Einführungskurses sollen zunächst einige Grundregeln verinnerlichen: Der Spieler muss kein Bauchredner sein, aber er muss es schaffen, die Aufmerksamkeit der Menschen auf die Puppe zu lenken. Die sollte zunächst einmal am Arm hängen und nicht zusammengefaltet auf dem Schoß knietschen. Dunkle Klamotten für den Spieler sind von Vorteil. Entscheidend sind aber die Augen. Während der Mensch den Blickkontakt mit den Zuschauern möglichst vermeiden sollte, muss die Puppe die Leute immer im Auge behalten. Sonst laufen ihre Späße im wahrsten Sinne ins Leere.

„Der Zuschauer will sich von der Puppe angesprochen fühlen“, sagt Petra Stelzer. „Deswegen sollte man auch mit der Puppe üben, mit der man später auftreten will.“ Die anatomischen Unterschiede seien da gewaltig. Auf schielende Puppen sollte man lieber ganz verzichten. Zeit für die erste Übung: In Zweiergruppen versuchen die Kursteilnehmer, die Köpfe ihrer Puppen so zu drehen, dass deren Augen dem Gegenüber folgen. Meist gucken sie viel zu hoch, rechts oder links vorbei. Das Justieren ist anstrengend, vor allem fürs Handgelenk. „Ihr werdet danach alle Muskelkater haben“, verspricht Petra Stelzer. „Bevor ihr einen Krampf bekommt, macht lieber eine Pause.“ Puppenspiel ist kein Kinderspiel. Hausaufgabe: vor dem Spiegel fleißig den Blickkontakt trainieren. Damit steht und fällt die Illusion.

Nächste Aufgabe: Reden. Statt bei jeder Silbe den halben Kopf nach oben wegzuklappen, reichen minimale Bewegungen mit dem Daumen nach unten. Auch hier hilft nur Üben. Der Anfängerkurs umfasst zwei Sitzungen à drei Stunden. Beim Fortgeschrittenenkurs kann dann schon die Puppe in der Gästestätte die Bestellung aufgeben. Das kostet nur etwas Mut.

Puppenspiel – Einführungskurs für große Handpuppen & Therapiepuppen, Mittwoch 27. März und 3. April, 18.45 bis 21 Uhr, Kursgebühr: 38,80 Euro.