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Wie der Großbrand ein Auto-Netzwerk zerstörte

Für Oldtimer-Liebhaber waren die Werkstätten im Autohaus Roscher in Görlitz genauso wichtig wie für alle, die Autoglas benötigten. Sie hoffen nun alle, dass ihre Dienstleister den Neuanfang schaffen.

Von Ingo Kramer & Gabriela Lachnit
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Auch diese Fahrzeuge konnten aus einer der Werkstätten bei Roscher nicht mehr gerettet werden.
Auch diese Fahrzeuge konnten aus einer der Werkstätten bei Roscher nicht mehr gerettet werden. © Nikolai Schmidt

Der Bagger muss noch warten. „Die Frontscheibe können wir im Moment nicht austauschen“, erklärt Uwe Lachnit. Er ist beim Görlitzer Gleis- und Tiefbau auf der Rothenburger Straße der Werkstattleiter. Für das Baufahrzeug hatte er bei Autoglas auf der Reichenbacher Straße eine neue Scheibe bestellt. Am Montag, kurz vor dem Mittag, kam der Anruf, dass sie fertig ist und abgeholt werden kann. Dazu kam es jedoch nicht mehr. Die Scheibe ist wie alles andere am Montagnachmittag bei dem Großfeuer im ehemaligen Autohaus Roscher im Gewerbepark an der Reichenbacher Straße verbrannt.

Seit vielen Jahren arbeitet die Gleisbau-Werkstatt mit der Firma Autoglas zusammen, bestellt bei Bedarf Scheiben für Transport- und Baufahrzeuge, manchmal auch für Pkw. Den Einbau übernehmen der Werkstattleiter und sein Kollege selbst. „Die Zusammenarbeit lief immer sehr ordentlich und völlig unkompliziert“, sagt der Werkstattmeister. Deshalb wird er der Firma auch die Treue halten und bei Bedarf die Autoglas-Filiale in Löbau nutzen. 

Der Werkstattchef hofft natürlich darauf, dass es für Autoglas so bald wie möglich einen Neustart in Görlitz geben wird. Auf die Filiale in der Görlitzer Straße in Löbau und auf die Filiale in der Zittauer Oststraße verweist jetzt die Homepage von Autoglas. In Görlitz hat das Unternehmen alles durch den Brand verloren. Seit 2009 war Autoglas dort ansässig. Ob und wann das Unternehmen wieder in Görlitz tätig werden kann, ist derzeit völlig offen.

An Unterstützung und Zuspruch mangelt es der Firma aber nicht. Frank Liske vom gleichnamigen Autohaus in Görlitz beispielsweise hatte am Mittwoch früh bei einem ihm gut bekannten Mitarbeiter von Autoglas angerufen und Unterstützung angeboten, „wie immer die auch aussehen kann“, so Frank Liske. Er drückt die Daumen, dass es für die Firma künftig auch in Görlitz weitergehen wird. Autoglas verweist die Kunden nicht nur an die Filialen in Löbau und Zittau, sondern bedankt sich auf der Homepage bei allen, die wie Frank Liske Hilfe angeboten haben, und erklärt, dass keiner der Autoglas-Mitarbeiter bei dem Feuer verletzt worden ist.

Auch bei der Görlitzer Parkeisenbahn ist man sehr betroffen von der Katastrophe, die so viele Firmen an der Reichenbacher Straße getroffen hat. „Wenn Not am Mann war, haben uns auch Betriebe von dort geholfen“, berichtet Daniel Schölzel, der Vorsitzende des Parkeisenbahn-Vereins. Kugellager vom Robak Wälzlagervertrieb beispielsweise haben dafür gesorgt, dass ein Getriebe in einer Lok repariert werden konnte. Weitere Firmen von diesem Gewerbestandort hätten die Parkeisenbahn mit Sponsoring unterstützt, berichtet der Vereinsvorsitzende.

Die Oldtimer Rallye des MC Görlitz wollte Anfang Mai bei ihrer Ausfahrt Station im Autohaus Roscher machen. Die Pläne sind nun Makulatur. 
Die Oldtimer Rallye des MC Görlitz wollte Anfang Mai bei ihrer Ausfahrt Station im Autohaus Roscher machen. Die Pläne sind nun Makulatur.  © SZ-Archiv / Pawel Sosnowski

Der MC Görlitz muss nun auch neu planen. Ursprünglich sollte seine traditionelle Oldtimer-Rallye am 4. Mai auf dem Gelände des Autohauses Roscher eine Kaffeepause einlegen. Dort hätten dann Mitarbeiter der ansässigen Firmen und natürlich viele Gäste aus der Stadt die Möglichkeit gehabt, sich die Oldtimer anzuschauen und mit den Fahrern ins Gespräch zu kommen. Damit wollte der Motorsportclub sich bei der Firma Autoglas und anderen für die Unterstützung des Vereins bedanken. Den Dank muss der Verein jetzt anders ausdrücken, „unser Plan mit der Kaffeepause hat sich durch den Brand zerschlagen“, sagt Wilfried Demuth, der Vorsitzende vom MC Görlitz.

Glück im Unglück hatte Hans-Ulrich Koinzer, der Stadtrundfahrten anbietet, unter anderem mit einem Oldtimer-Bus der Marke Garant. Für diesen Bus war ein ganz kleiner Umbau geplant, der in der Werkstatt von Rinaldo Kindler erfolgen sollte. Er hatte seine Werkstatt im ehemaligen Autohaus Roscher. Es fehlte jedoch noch ein kleines Ersatzteil, und so mussten die Arbeiten warten. Rinaldo Kindler kann sie nun nicht mehr ausführen. Durch den Großbrand hat der Mann seine gesamte berufliche Existenz verloren. Er hatte sich als Ein-Mann-Betrieb auf die Restaurierung von Oldtimern spezialisiert. Seit sechs Jahren war er in dem Gewerbepark an der Reichenbacher Straße tätig. 

Mehrere Oldtimer sind verbrannt, dazu fünf Motorräder. Seine gesamte Technik, darunter Prüf- und Schweißgeräte, wurde ein Opfer der Flammen. Sämtliche Spezialwerkzeuge sind hin, auch die alten, die es nicht mehr zu kaufen gibt, die aber für die Oldtimerreparatur unverzichtbar waren. Der Mann weiß nicht, wie es für ihn weitergehen soll. Hans-Ulrich Koinzer findet kaum Worte für das Unglück, das Rinaldo Kindler getroffen hat. „Es ist eine Katastrophe“, sagt Koinzer und weiß, dass ein Neuanfang für den Oldtimer-Spezialisten sehr schwer wird. „Es ist ja alles weg“, bedauert Koinzer. Die Fahrten mit dem Oldtimer-Bus sind aber nicht in Gefahr. Koinzer hat noch eine andere Werkstatt, in der die größeren Arbeiten an dem Fahrzeug ausgeführt werden. Dort muss der alte Bus ohnehin jedes Vierteljahr hin, „zur vorgeschriebenen Überprüfung“, wie Hans-Ulrich Koinzer erläutert.

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