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Ideen für gerechtere Energiewende gesucht

Ohne die Menschen vor Ort funktioniert Strukturwandel nicht. Das ist in Südafrika nicht anders als in Weißwasser.

Von Constanze Knappe
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Enertrag-Vorstandsmitglied Dr. Gunar Hering, Mike Levington und Sipho Nkosi aus Südafrika (v.li.) am Schweren Berg in Weißwasser.
Enertrag-Vorstandsmitglied Dr. Gunar Hering, Mike Levington und Sipho Nkosi aus Südafrika (v.li.) am Schweren Berg in Weißwasser. © Foto: Joachim Rehle

Weißwasser. Der Kohleausstieg bewegt die Menschen. Nicht nur in Weißwasser und der Lausitz, wie sich gestern zeigte. Mike Levington, Geschäftsführer der Navitas Holdings, und Sipho Nkosi, beide Anteilseigener des Unternehmens, waren bei Oberbürgermeister Torsten Pötzsch (Klartext) zu Gast. Die Südafrikaner, ursprünglich mit dem Kohlebergbau befasst, engagieren sich stark in erneuerbaren Energien, allen voran die Solartechnik.

 In Südafrika befinden sie sich inmitten eines Strukturwandels, der in der Lausitz gerade begonnen hat. Wie eine gerechtere Energiewende gelingt, ist nach Ansicht von Mike Levington eine der Kernfragen. In Südafrika wie hier in Deutschland sei man auf der Suche nach einer Lösung. Und so ganz nebenbei interessierten die Gäste aus Südafrika noch die kommunalen Strukturen in Weißwasser.

Zustandegekommen war der Besuch auf Initiative der Enertrag AG. Einst in der Uckermark gegründet, gehört das Unternehmen mit 540 Mitarbeitern nach eigener Aussage „zu den Pionieren der Energiewende in Deutschland“. An die 700 Windkraftanlagen habe man schon gebaut. „Sonne, Wind und Wasserkraft sehen wir als Standbeine für den Erhalt der Industriestruktur in der Lausitz“, erklärte Dr.-Ing. Tobias Bischof-Niemz, Abteilungsleiter Geschäftsentwicklung. Die Herausforderung des Strukturwandels sei, nicht nur Arbeitsplätze zu erhalten, sondern neue zu schaffen. Mit einer Jahresproduktion von 1,5 Millionen Megawattstunden beschäftigt das Unternehmen, wie er sagte, „schon heute pro erzeugter Energiemenge zweieinhalb mal mehr Leute als die Leag“. Allerdings, und das hob er ausdrücklich hervor, „dürften Windjobs nicht alle an der Küste entstehen.“ Sie müssten dorthin, wo die Kohle wegfällt. Da braucht es Vertrauen.

Das Unternehmen steht in einem engen Kontakt zur Lausitzrunde. Nach einem Besuch in Spremberg war man gestern nach Weißwasser gekommen. Die Südafrikaner waren dabei nicht von ungefähr im Schlepptau. Enertrag ist mit 15 Leuten in Südafrika aktiv – in einer Region, die zwar dreimal größer als die Lausitz, ansonsten aber sehr ähnlich ist. Umbrüche wie hier in der Glasindustrie gab es in Südafrika ebenfalls, wenn auch in anderen Bereichen. Hier wie da kommt es im Strukturwandel darauf an, die Leute vor Ort mitzunehmen. Darüber ist man sich einig. „Wenn man die Menschen gehen lässt und dann neue holt, funktioniert es nicht“, so Dr. Gunar Hering, Enertrag-Vorstandsmitglied. Um neue Finanzierungs- und Partnerschaftsoptionen zu erschließen, suche man in Kommunen „nach greifbaren Ideen und Ansätzen“.

Die Enertrag AG ist dabei breit aufgestellt. Auch, was das Thema Mobilität angeht. Angereist waren die Firmenvertreter mit einem wasserstoffbetriebenen Fahrzeug. Man sei gerade dabei, die Heidekrautbahn bei Berlin auf Wasserstoff umzurüsten. Mitten in einem Naturschutzgebiet sei die Elektrifizierung nicht möglich. Zudem würden die Genehmigungsverfahren viel zu lange dauern. Das Unternehmen sieht in der Lausitz ein großes Potenzial. Als Beispiel benannte Dr. Gunar Hering die Dieselloks auf vielen Strecken. Projekte zur Umrüstung könnten die regionale Wertschöpfung stärken. Denn Wasserstoff müsse vor Ort hergestellt werden. Es mache keinen Sinn, ihn über lange Wege zu transportieren, ergänzte Dr.-Ing. Tobias Bischof- Niemz. Ein bisschen Sorge hatte der Enertrag-Vertreter dann aber, ob er denn problemlos mit seinen Begleitern nach Dresden käme. „In Weißwasser fehlt uns noch eine Wasserstofftankstelle“, sagte er.

Nach einem Gespräch im Rathaus führte OB Torsten Pötzsch seine Gäste in Weißwassers Vorzeigeobjekte wie das Soziokulturelle Zentrum Telux als ein Baustein zur Umgestaltung einer Industriebrache und in die Eissporthalle. Die Südafrikaner waren beeindruckt von dem positiven Bild, welches der OB von Weißwasser zeichnete. Sie nahmen von diesem Besuch den Denkanstoß mit, „dass es eine ganze Menge mehr ökonomische Aktivitäten gibt, die man machen kann, ohne Kohle aus der Erde zu holen“. Torsten Pötzsch verwies auf seine Teilnahme an einer Kohleplattform in der vorigen Woche in Brüssel, wo sich Südafrikaner vorgestellt und Ideen aus Europa mitgenommen hatten. Dieser Besuch jetzt in Weißwasser reihe sich da ein und trage mit dazu bei, „das Verständnis der Politik herzustellen“.

Man werde in Kontakt bleiben, versprach Dr.-Ing. Tobias Bischof-Niemz. „Es ist super zu sehen, was man mit Engagement und den richtigen Visionen voranbringen kann“, lobte er. OB Torsten Pötzsch könnte sich vorstellen, eine Diesellok der Waldeisenbahn ähnlich der Heidebahn in Berlin auf Wasserstoff umzurüsten. Als Werbeträger für umweltfreundliche und innovative Technologien.