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Immobilienfirma zieht vor Gericht

Bosch will an den Obstwiesen in Weinböhla 60 Wohnungen bauen. Eine andere Firma hätte das Grundstück auch gern gehabt.

Von Peggy Zill
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So könnte die neue Wohnanlage an den Obstwiesen aussehen. Hier sollen Bosch-Mitarbeiter aber auch andere Mieter Zwei- bis Vierraumwohnungen beziehen.
So könnte die neue Wohnanlage an den Obstwiesen aussehen. Hier sollen Bosch-Mitarbeiter aber auch andere Mieter Zwei- bis Vierraumwohnungen beziehen. © SESA Architekten

Weinböhla/Dresden. Das ist auch für den Richter Neuland. Zumindest kein übliches Thema, mit dem sich schon zahlreiche Gerichte beschäftigt haben: Eine Immobilienfirma wirft der Gemeinde Weinböhla vor, sich beim Verkauf eines Grundstücks nicht an Gesetze gehalten zu haben. Einem Konkurrenten sei so ein Vorteil verschafft worden. Mit einer einstweiligen Verfügung sollte der Verkauf gestoppt werden. Am Dienstag trafen sich die Anwälte beider Parteien vor dem Landgericht Dresden.

Es geht um ein etwa 4.000 Quadratmeter großes Grundstück an den Obstwiesen. Im Amtsblatt hatte es die Gemeinde im Mai 2019 zum Kauf angeboten. Daraufhin gab es zwei Interessenten: ein Wohnungsunternehmen aus Coswig und die Bosch Wohnungsgesellschaft aus Stuttgart. Beide Firmen duften ihre Konzepte vorstellen. Der Gemeinderat entschied, dass an Bosch verkauft werden soll. Auf diesem und einem benachbarten Grundstück sind sechs Häuser mit 60 Wohnungen für Bosch-Mitarbeiter und andere Mieter geplant.

Die Majer Immobilien Holding GmbH aus Wien glaubt, dass das Grundstück zu billig angeboten und Bosch somit Beihilfe geleistet wurde. Beihilfen, die bestimmte Marktteilnehmer bevorzugen, verstoßen gegen europäisches Recht. Außerdem sei die Ausschreibung nur versteckt im Amtsblatt der Gemeinde aufgetaucht. Als überregionaler Immobilienentwickler hätte man keine Chance gehabt, diese zu entdecken.

Im Amtsblatt vom Mai 2019 wurde das Grundstück zum Kauf angeboten. Zu unauffällig, sagt eine Immobilienfirma aus Wien. 
Im Amtsblatt vom Mai 2019 wurde das Grundstück zum Kauf angeboten. Zu unauffällig, sagt eine Immobilienfirma aus Wien.  © Peggy Zill

Die Gemeinde hingegen argumentiert damit, dass das Grundstück zu einem festen Kaufpreis angeboten worden ist. Jeder hätte es zu diesem Preis bekommen können, somit habe man niemanden bevorzugt. Zur Ausschreibung gebe es keine rechtlichen Vorschriften, die zu einer überregionalen Veröffentlichung verpflichten. Zu billig war die Fläche laut Verwaltung auch nicht. Der Gutachterausschuss habe einen Quadratmeterpreis von 16 Euro ermittelt. Im Angebot war das Land dann für 80 Euro pro Quadratmeter.

„Die Sache macht schon den Eindruck, als wolle man nicht jeden Anbieter anlocken“, so Richter Dr. Peter Kieß, der das gesamte Verfahren – von der Preisfindung, über die Ausschreibung bis zum Verkauf – als „bemerkenswert“ bezeichnete. 

Er sehe es jedoch nicht so, dass jemand bevorzugt worden sei. Natürlich hätte die Gemeinde auch ein Bieterverfahren durchführen und das Grundstück an den Höchstbietenden veräußern können. „Der Kaufpreis von 331.200 Euro benachteiligt niemanden.“ Es sei vermessen zu behaupten, das Verfahren sei auf Bosch zugeschnitten gewesen. „Schließlich gab es noch einen Bewerber.“

Etwas verwundert zeigte sich Kieß jedoch, wie man auf genau diese Summe gekommen ist. Das sei rational nicht nachvollziehbar. „Sicherlich ein Wunsch des Kämmerers“, erklärte Rechtsanwalt Ortwin Philipp, der die Gemeinde vertrat. Weinböhla habe in nächster Zeit viele Vorhaben zu schultern, die viel Geld kosten. Man habe das Grundstück deshalb teuer angeboten und wäre mit dem Preis eventuell runtergegangen, wenn es keine Interessenten gegeben hätte. 

Der Anwalt der Gegenseite argumentierte, dass die Gemeinde vermutlich gar nicht wisse, was das Grundstück wirklich wert ist und dieses „Filetstück“ deutlich unter Wert verkauft habe, was in seinen Augen dem Konkurrenten einen Vorteil verschaffe.

Der Bodenrichtwert für baureifes Land liegt in Weinböhla aktuell bei 162 Euro pro Quadratmeter. Die 4.000 Quadratmeter Wiese, die zum Verkauf standen, sind aber noch nicht erschlossen. Im neuen Flächennutzungsplan ist es schon Wohnbauland. „Das ist die Besonderheit in solchen Fällen: Die Gemeinde kann aus einem Acker Gold machen, wenn sie einen B-Plan erstellt“, so Richter Kieß. 

Anwalt Philipp erklärte hingegen, dass so ein B-Plan-Verfahren mehrstufig ist, Käufer keinen Rechtsanspruch darauf hätten und am Ende der Gemeinderat entscheiden würde. Beim Preis sei gesetzlich nur geregelt, dass nichts unter Wert verkauft werden darf. „Und der Verkehrswert wurde aus unserer Sicht fehlerfrei ermittelt.“ Zur Ausschreibung führte er aus, dass die Gemeinde nicht verpflichtet sei, Grundstücksverkäufe in überregionalen Zeitungen abzudrucken.

Richter Peter Kieß fiel auf, dass auf der Seite 8 des Amtsblattes lang und breit über die Nutzung der Nassauhalle geschrieben und das Grundstück an nicht prominenter Stelle auf zwölf Zeilen angeboten wird. „Das ist eine Unwucht, was die wirtschaftliche Bedeutung angeht. Allerdings: Wo steht geschrieben, dass es anders gemacht werden muss?“

Eine Einigung war am Dienstag nicht möglich. Bis 31. Januar haben beide Parteien die Möglichkeit, noch einmal schriftlich Stellung zu nehmen. Am 6. Februar will der Richter seine Entscheidung verkünden. Bis dahin darf das Grundstück nicht verkauft werden.

Bosch wollte ursprünglich schon Ende 2019 beide Grundstücke kaufen und ein Jahr später mit den Bauarbeiten beginnen. Vorher muss noch der vorhabenbezogene Bebauungsplan erstellt werden. Nach etwa einem Jahr Bauzeit könnten dann die ersten Mieter einziehen.

Die Wohnungsgesellschaft will 60 Zwei- bis Vierraumwohnungen in sechs Häusern errichten. Die sind nicht allein für Bosch-Mitarbeiter gedacht. Sie werden auch auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten. Die Häuser sind zweieinhalbgeschossige Holzhybridbauten. Das heißt, es kommen verschiedene Baustoffe zum Einsatz. In diesem Fall Holz für die Fassade und Beton für die Zwischendecken und Treppenhäuser.

Bürgermeister Siegfried Zenker (CDU) bezeichnete das Vorhaben als Glücksfall. „Wir haben wenige Drei- bis Vierraumwohnungen. Der Mieterbund hat uns deshalb schon kritisiert“, so Zenker. Das Konzept, das die Bosch Wohnungsgesellschaft den Gemeinderäten vorgestellt hat, habe überzeugt. Auch, weil es sich gut in die Umgebungsbebauung an den Obstwiesen einfügt.

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