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Karpfen-Chips, Algen-Schokolade und Gurken-Limo

Beim Sachsen-Tag auf der Grünen Woche gibt es neue Leckereien und alten Streit. Agrarminister Thomas Schmidt hält viel aus.

Von Georg Moeritz
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So zeigt sich Sachsen auf der Grünen Woche in Berlin.
So zeigt sich Sachsen auf der Grünen Woche in Berlin. © Jürgen Lösel

Berlin. Andreas Stummer wagt sich ins Gedränge: Mit zwei beladenen Papptellern geht der Chef des Sächsischen Landesfischereiverbandes auf Rucksackträger los, die schon ein paar Stunden Einkaufserfahrung auf der Grünen Woche gesammelt haben. Doch das hier kennen sie bestimmt noch nicht, sagt Stummer und lässt raten: „Schmeckt gut“, befindet ein junges Paar. Doch sie kommen nicht darauf, dass sie gerade Karpfenchips gekostet haben – frittierte Filets aus Sachsen. „Ein bisschen Salz ist dabei, mehr nicht“, sagt Andreas Stummer. Er hofft, das neue Fischprodukt „zur Marktreife“ zu bringen, und für die ersten Tests sind die Berliner Messebesucher ein dankbares Publikum.

Auch Sachsens Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) bekommt beim Sachsentag auf der Grünen Woche am Montag die salzigen Chips zu kosten. Vorher durfte der Minister bei seinem Rundgang schon Elbsandsteiner Kräuterlikör, Wurst- und Käsehäppchen probieren, dann einen Eierlikör aus Neukirch. Mehrere Biere folgen, manche schlecht eingeschenkt mit viel Schaum. Schmidt kennt das schon: Zum fünften Mal besucht er die sächsischen Aussteller in Berlin, verträgt auch das Komet-Softeis der neuen Sorte Granatapfel-Vanille, wenig später eine Gurken-Zitronen-Limo von Menschel aus Hainewalde. Prosit! Menschel-Geschäftsführer Stefan Kubitz berichtet dem Minister, dass seine 16 Limonadensorten zum Teil schon in Supermärkten erhältlich sind, sodass sein Unternehmen auch in einem weniger heißen Sommer als 2018 „nicht in ein Loch fallen“ würde.

Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt kämpft sich tapfer durch die Angebote.
Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt kämpft sich tapfer durch die Angebote. © Jürgen Lösel

Schmidt macht zu allem gute Miene und wünscht Glück. Viel mehr lässt sich nicht verstehen, weil die Krippenthaler Muntermacher auf der Bühne aufdrehen: „An Tagen wie diesen“, spielen sie. Von der Leinwand grüßt Tom Pauls in einem Werbevideo aus dem Basteigebiet. Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gestaltet in diesem Jahr das Bühnenprogramm. Er muss gegen kräftige Konkurrenz aufspielen: In der benachbarten Brandenburg-Halle tritt das laute Landespolizeiorchester auf, in der Bayern-Halle gibt es ständig Blasmusik. Die Messegäste sollen nicht nur essen und kaufen, sondern auch Urlaubsgefühle entwickeln. 

Von Streitthemen wenig zu spüren

In den Hallen von Sachsen-Anhalt und Hessen fällt auf, dass dort Landwirtschaftsministerinnen der Grünen das Sagen haben: Zumindest einige Wandtafeln weisen auf ökologische Landwirtschaft hin, das Bio-Café des Landkreises Anhalt-Bitterfeld wirbt mit Bio-Kaffee und -Käsekuchen. Erhältlich sind Bio-Edelpilze aus der Altmark und ein Prospekt „Spiritueller Tourismus im Landkreis Harz“. Die Sachsen geben sich konventioneller. Das einzige auffällige Bioprodukt in der Sachsenhalle kommt vom jungen Leipziger Unternehmen Algenheld, dessen Gründer Richard Kuntzsch in einem grünen Kostüm nach Art eines Trickfilm-Helden auf die Besucher zugeht und Schokoladenbruch mit Algen-Anteil anbietet.

Auch Minister Schmidt bekommt einen Brösel aus seiner Schüssel. Algenheld preist sich als „vegane Geheimwaffe gegen den Heißhunger“ an. In Bioläden und einigen Supermärkten seien die 40-Gramm-Tafeln schon erhältlich, berichtet Benjamin Bodinus, der über seine Master-Arbeit in Nachhaltigkeitsmanagement zu dem Unternehmen kam. Er lobt die Algenzutat wegen ihres Eisen- und Vitamingehalts, bedauert aber, dass sie in Deutschland nicht in Bio-Qualität erhältlich sei. Die Leipziger beziehen ihre Bio-Algen daher aus China.

Fisch, Käse, Wurst, Eis, Schnaps - die angebotenen sächsischen Produkte machten die Besucher satt.
Fisch, Käse, Wurst, Eis, Schnaps - die angebotenen sächsischen Produkte machten die Besucher satt. © Jürgen Lösel

Auch Helga Queck berichtet, dass sie den Hartweizengrieß für ihre häufigste Nudelsorte nicht in der Heimat einkauft, sondern italienischen schmackhafter fand. Dabei hat Minister Schmidt eben auf der Bühne noch versucht, für möglichst „regionale“ Produkte zu werben. „Nachhaltigkeit“ werde als Verkaufsargument immer wichtiger bei Touristen und Konsumenten, sagt der Minister. Streitthemen wie Tierschutz oder Agrarsubventionen meidet er bei seinem kurzen Bühnenauftritt mit dem Sebnitzer Blumenmädchen. Freilich weiß Schmidt, dass zum Auftakt der Grünen Woche wieder Tausende in Berlin für eine Agrarwende demonstriert haben. Michael Grolm als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland forderte, Fördermittel aus der EU-Kasse nicht mehr nach der Größe der Betriebe zu verteilen, sondern nach konkreten Leistungen für Umwelt und Tierschutz. Die EU plant, kleinere Betriebe stärker zu berücksichtigen, und findet dabei teilweise Entgegenkommen bei Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner.

Sachsens Minister Thomas Schmidt (beide CDU) hat sich mit den anderen ostdeutschen Landwirtschaftsministern, auch der Grünen, gegen eine Kappung der Subventionen für Großbetriebe ausgesprochen. Denn damit würden vor allem ostdeutschen Höfen Millionenbeträge entgehen. Doch von solchen Diskussionen bekommen die Besucher der Grünen Woche nichts mit, wenn sie zwischen Pferdeschau und Käsehäppchen ihre Runden drehen.