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Kassen zahlen jetzt das Einfrieren von Eizellen

Ab heute erhalten junge Krebspatienten damit die Chance auf eine eigene Familie. Das war bislang nur Wohlhabenderen möglich.

Von Susanne Plecher
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In der Samenbank werden  Samenspenden aus einem Kühlbehälter entnommen, die bei etwa - 170 Grad Celsius mit der Kryokonservierung gefroren sind.
In der Samenbank werden Samenspenden aus einem Kühlbehälter entnommen, die bei etwa - 170 Grad Celsius mit der Kryokonservierung gefroren sind. © Uli Deck/dpa (Symbolbild)

Berlin. In Deutschland erkranken jedes Jahr rund 16.000 Menschen zwischen elf und 39 Jahren an Krebs. „In Sachsen sind es etwa 800“ , sagt Frauke Frodl von der Deutschen Stiftung für Junge Erwachsene mit Krebs. Rund 80 Prozent können geheilt werden. 

Doch viele dieser Patienten leiden nach überstandener Krebs-Erkrankung an den Folgen – der Behandlung. „Wurden sie während der Therapie im Unterleibsbereich bestrahlt, sind sie danach unfruchtbar“, sagt Gynäkologe Dr. Jens Schnabel von der Sächsischen Krebsgesellschaft. Auch einige Chemotherapie-Medikamente schädigen die Keimzellen so stark, dass später eine Schwangerschaft oder eine Zeugung nicht mehr möglich ist. Ein Kinderwunsch bleibt damit unerfüllt.

Das soll sich jetzt ändern. Ab sofort übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für das Einfrieren von Keimzellgewebe, Ei- und Samenzellen – und zwar bei Frauen bis 39 und Männern bis 49 Jahre, die sich einer keimzellschädigenden Behandlung unterziehen müssen. Das trifft zum Beispiel auch auf Rheumapatienten zu. Das Terminservice- und Versorgungsgesetz verpflichtet die Kassen zur Zahlung, wenn damit nach der Genesung eine künstliche Befruchtung ermöglicht werden kann. Bei der sogenannten Kryokonservierung werden Keimzellen oder Keimgewebe entnommen und in flüssigem Stickstoff tiefgefroren. Sie sind somit vor Schäden durch die Krebstherapie geschützt.

Zum Beispiel mittels einer Befruchtung von Eizellen im Labor können Frauen auch noch schwanger werden, wenn ihre Fruchtbarkeit durch eine Krebstherapie beeinträchtigt wurde. Voraussetzung ist allerdings, dass schon vor der Therapie entsprechende Maßnahmen
Zum Beispiel mittels einer Befruchtung von Eizellen im Labor können Frauen auch noch schwanger werden, wenn ihre Fruchtbarkeit durch eine Krebstherapie beeinträchtigt wurde. Voraussetzung ist allerdings, dass schon vor der Therapie entsprechende Maßnahmen © Ralf Hirschberger/dpa (Archiv)

Das Verfahren ist nicht neu. Aber es ist teuer: Frauen zahlen für die Entnahme bis zu 4 300 Euro, Männer ab 500 Euro. Hinzu kommen jährliche Lagerungskosten von rund 300 Euro. „Viel zu oft mussten junge Patienten bisher darauf verzichten, weil sie es sich schlicht nicht leisten konnten“, sagt Prof. Dr. Mathias Freund, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung für Junge Erwachsene mit Krebs. Dass die Chance auf eigene Kinder abhängig von den finanziellen Möglichkeiten war, hat die Stiftung wiederholt als diskriminierend kritisiert.

„Für junge Menschen, die einen solchen Schicksalsschlag verkraften müssen, ist die Regelung eine enorme Entlastung. Sie nimmt ihnen eine existenzielle Sorge für ihre Zukunft“, so Frodl. Bis Ende Oktober müssen Patienten das Verfahren bei ihrer Krankenkasse beantragen. „Nach dieser Übergangsfrist erledigt das der Arzt“, sagt Maren Soehring von der IKK classic.

Frauen, die sich etwa aus Karrieregründen entschließen, Eizellen für eine spätere Befruchtung einfrieren zu lassen, müssen die Kosten weiterhin selbst tragen. Wie eine Umfrage der IKK unter 1 000 Personen zeigt, ist das „Social Freezing“ in Deutschland inzwischen weitgehend akzeptiert. 45 Prozent halten es für eine gute Idee.