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Kleines Dorf, großes Beispiel

Seit 20 Jahren leben die Mobendorfer mit Asylbewerbern. Vereine, Kindereinrichtungen und Kirche spielen dabei bei der Integration eine wichtige Rolle.

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© Falk Bernhsrdt

Von Ute George

Striegistal. Demos gegen Asylbewerber in Freital, ein Brandanschlag auf das für Flüchtlinge vorgesehene Wohnheim in Tröglitz in Sachsen-Anhalt, ein Bölleranschlag auf das Asylbewerberheim in Brand-Erbisdorf - die Schlagzeilen über Fremdenfeindlichkeit nehmen kein Ende. In dem kleinen Striegistaler Ortsteil Mobendorf gibt es jedoch mittlerweile seit 20 Jahren ein Asylbewerberheim. Das Dorf beweist, dass Integration möglich ist.

Aber wie funktioniert sie? Menschen aus 19 verschiedenen Nationen leben derzeit im Asylbewerberheim Mobendorf. „Das Gelände ist so groß, dass die Menschen sich hier aus dem Weg gehen können“, berichtet Wohnheimmitarbeiter Jochen Imhof. Die Familien sind in Bungalows untergebracht, Alleinstehende und Kleinfamilien mit maximal zwei Kindern im Haupthaus. Allen Vorurteilen zum Trotz: Luxusunterkünfte sind das nicht. Vor allem im Haupthaus sind die Räumlichkeiten eher beengt. Die Bungalows mit ihrer Wellblechverkleidung machen zumindest von außen nicht den einladendsten Eindruck. Innen haben es sich die Bewohner jedoch mit geschenkten Möbeln so gut es geht gemütlich gemacht.

Ansprechpartner helfen bei Problemen

„Sicherlich gibt es hier genau wie bei deutschen Nachbarn mal Streitigkeiten“, sagt Imhof. Aber Ausschreitungen und rassistische Anfeindungen der Bewohner untereinander habe er noch nicht erlebt. „Sie haben hier Ansprechpartner, die bei Problemen helfen“, erklärt er. Täglich mehrmals kämen Busse, die die Bewohner nach Hainichen zum Einkaufen oder zum Arzt bringen. „Wir haben zudem einen eigenen Fahrdienst, den setzen wir vor allem ein, wenn Großfamilien ihre Einkäufe erledigen wollen“, erklärt er.

Doch Essen und Wohnen sind bekanntlich nicht alles, was das Leben ausmacht – zumal in einem fremden Land. Vereine, Kirchgemeinde, aber auch Kindereinrichtungen bemühen sich deshalb um eine Integration. „Wir haben seit mittlerweile fast zehn Jahren immer wieder Kinder und Jugendliche aus dem Mobendorfer Heim bei uns die - zumindest so lange sie hier sind - fester Bestandteil des Vereins werden“, berichtet Stefan Boden, Abteilungsleiter Fußball beim SG Striegistal. „Sie sind regelmäßig beim Training, mitunter holen wir die Kinder auch ab“, sagt er. „Sie kommen mit den anderen gut klar, bemühen sich auch, die deutsche Sprache zu lernen“, erzählt Boden weiter. „Sport ist ja in jedem Land gleich, das verbindet, da ist die Barriere schnell überwunden“, sagt der Abteilungsleiter.

Die Kirchgemeinde Pappendorf hat ein Asylcafé eingerichtet. Es soll dem Verständnis zwischen Heimbewohnern und den Dorfbewohnern dienen. Im Juni gab es bereits einen „Kulturnachmittag“ mit Vortrag und Deutschseminar im Mobendorfer Wohnheim. Jeden Donnerstag soll nun so ein Asylcafé stattfinden. Und auch Deutschkurse werden angeboten.

Die Kita in Pappendorf ist nicht umsonst eine von vier Einrichtungen in Sachsen, die sich „Willkommens-Kita“ nennen darf. Dort werden Kinder aus dem Asylbewerberheim Mobendorf intensiv betreut. Leiterin Katja Brüggemann hat dabei ein wichtiges Ziel im Blick: „Wir möchten die Kinder in der deutschen Sprache so fit machen, dass sie dann bei uns in der Grundschule eingeschult werden können.“

Gewachsene Akzeptanz

Ariana Dchalilova aus Russland besucht bereits die Grundschule in Pappendorf und spricht schon sehr gut Deutsch. Sie lebt mit ihren Eltern und zwei Geschwistern in einem der Bungalows. „Wir möchten gern hier in Mobendorf bleiben“, übersetzt sie den Wunsch ihrer Eltern. Ihnen gefalle es in dem kleinen Ort. Und Ariana selbst hat auch schon Freundinnen in der Schule gefunden. Jetzt möchte sie aber erst einmal ihre Ferien genießen. Ferien beziehungsweise Urlaub hat Alexander Iwanov derzeit immer, denn er hat keine Arbeitserlaubnis, wartet seit vier Jahren auf seine Aufenthaltsgenehmigung. Der junge Russe mit Spitznamen Sascha macht sich deshalb im Heim nützlich. Er kümmert sich laut Jochen Imhof nicht nur um andere Heimbewohner, unterstützt Neuankömmlinge beim Eingewöhnen. „Sascha hilft auch bei der Feuerwehr mit, zum Beispiel beim Ausgestalten von Festen“, erklärt Imhof. Seine Familie ist in Russland geblieben. Sascha zählt also zu den alleinstehenden jungen Ausländern, die gern Ziel von Vorurteilen sind. Doch eigentlich möchte er nur hierbleiben, einen festen Job finden, wie er sagt. In seiner Freizeit treibe er viel Sport: Fußball, Basketball und Volleyball. Und er hat hier mittlerweile Freunde gefunden.

Dass es gegen das Mobendorfer Heim zumindest öffentlich keine Anfeindungen seitens der Bevölkerung gibt, erklärt sich Imhof so: „Die Akzeptanz ist mit den Jahren gewachsen. Vor 20 Jahren haben wir hier mit 70 bosnischen Flüchtlingen begonnen.“ „Probleme? Nein, Probleme haben wir mit den Heimbewohnern nicht, man spürt sie ja kaum“, sagt der Mobendorfer Thomas Feldmann. Sein Nachbar Dietmar Mehlhorn nickt zustimmend. (FP)