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„Künftig fahren in Görlitz größere Straßenbahnen“

GVB-Chef Andreas Trillmich will acht Niederflur-Wagen kaufen. Erstmals nennt er seinen Terminplan.

Von Ingo Kramer
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Andreas Trillmich (54) ist Geschäftsführer der neu gegründeten Görlitzer Verkehrsbetriebe GmbH. Zuvor war er beim Trilex.
Andreas Trillmich (54) ist Geschäftsführer der neu gegründeten Görlitzer Verkehrsbetriebe GmbH. Zuvor war er beim Trilex. © Nikolai Schmidt

Seit vier Monaten ist Andreas Trillmich Geschäftsführer der neu gegründeten Görlitzer Verkehrsbetriebe GmbH (GVB), seit einem Monat gilt der neue Fahrplan. Im großen SZ-Interview erklärt er erstmals ausführlich, wie die Umstellung funktioniert hat, wie er die Fahrgastzahlen erhöhen will, warum es bis zur Anschaffung der lange geforderten neuen Niederflur-Straßenbahnen noch etwas dauern wird und wie er das Görlitzer Straßenbahnnetz im Norden der Stadt gern erweitern will.

Herr Trillmich, seit 6. Januar fahren Busse und Bahnen nach neuem Plan. Hat die Umstellung funktioniert?

Ja, es ging ohne größere Probleme. Die Arbeit hinter den Kulissen ist aber noch enorm. Wir wollen noch einiges für die Fahrgastinformation tun, das wird in den nächsten Wochen sichtbar werden.

Die neue Buslinie zur Hochschule wird noch nicht so gut angenommen, oder?

Das stimmt. Es sind aktuell noch deutlich zu wenig Fahrgäste im Bus. Allerdings haben wir auch noch nicht richtig mit der Vermarktung begonnen. So ist vorgesehen, den potenziellen Fahrgästen zu erklären, welche speziellen Ziele sie mit dem Bus erreichen können und wo man den günstigsten Fahrschein erwerben kann. Und das auf Deutsch, Polnisch und Englisch.

Zum Beispiel?

Es wird linienbezogene Flyer geben, unter anderem auch für den Bus, mit dem wir in den Sommerferien stündlich an den Berzdorfer See fahren werden. Und wir werden die Leute mehr über unsere Angebote informieren. So wissen viele gar nicht, was man mit unserer Monatskarte zum Normaltarif alles kann – dass diese auch auf andere Personen übertragbar ist und man am Wochenende die Familie kostenlos mitnehmen kann. Wir wollen alles versuchen, um mehr Menschen vom Görlitzer ÖPNV zu überzeugen.

Rabiate Fahrscheinkontrolleure haben in früheren Jahren den Ruf von Bus und Bahn arg strapaziert. Wie wollen Sie verlorenes Vertrauen zurückgewinnen?

Wir haben den Vertrag mit den externen Kontrolleuren Ende 2018 auslaufen lassen und stattdessen zwei Kundenbetreuer und eine Serviceleiterin eingestellt. Sie sollen Fahrscheine kontrollieren, aber auch Auskünfte geben und Einstiegshilfe leisten. Wir haben Menschen mit Empathie eingestellt. Das war uns wichtiger als Vorerfahrungen auf dem Gebiet. Es sollen echte Kundenbetreuer sein, keine Sheriffs.

Aber wenn es nur drei Leute sind, wird jeder potenzielle Schwarzfahrer diese drei Gesichter bald kennen und aussteigen, wenn sie zusteigen.

Nein, es sind nicht nur diese drei. Zusätzlich setzen wir auch unsere Fahrer flexibel zur Fahrscheinkontrolle ein. Und die Kontrolleure steigen künftig auch zwischen den Haltestellen ein, wo keiner die Chance hat, schnell auszusteigen. Dann schnell noch den Fahrschein entwerten, geht auch nicht: Die Entwerter werden dann ausgeschaltet.

Themenwechsel: Wie steht es um Investitionen in neue Fahrzeuge?

Zwei neue Busse sind schon da. Den dritten werden wir in Kürze ausschreiben. Durch das neue Fahrplankonzept brauchen wir insgesamt einen Bus mehr als bisher.

Und wann kommen die lange erhofften Niederflur-Straßenbahnwagen?

An dem Thema sind wir natürlich dran, aber das geht nicht ganz so schnell, wie es sich viele Leute erhoffen. Der Auftrag muss europaweit ausgeschrieben werden. Danach müssen die Straßenbahnen erst einmal gebaut werden. Wir wollen acht Stück kaufen. Die hat ja niemand auf Lager.

Und die Ausschreibung startet jetzt?

Nein. Zuerst müssen wir klären, was wir wollen, zum Beispiel Länge, Breite, Sitzplatzzahl und Antrieb. Das erfordert einen enormen planerischen Aufwand. Eins steht schon fest: Künftig sollen in Görlitz größere Straßenbahnen fahren, etwa 27 bis 30 Meter lang statt bisher 19 Meter. Und sie sollen möglichst etwas breiter sein, ohne sich bei Begegnung zu berühren. Bisher fahren die Bahnen entweder allein, dann sind sie zu bestimmten Zeiten zu klein, oder als Doppeltraktion, dann sind sie eher zu groß. Die neuen Wagen liegen dazwischen. Dann werden acht Stück ausreichen: Drei auf jeder Linie, dazu eine Betriebs- und eine Werkstattreserve. Gefahren wird weiter im 20-Minuten-Takt. Dieses Konzept soll in diesem Jahr erstellt werden.

Das heißt, die Ausschreibung startet dieses Jahr nicht mehr?

Nein, nächstes Jahr. Parallel wollen wir Fördermittel beantragen. Unser Ziel ist es, dass Ende 2020 die Vergabeentscheidung fällt. Anschließend braucht die Industrie zwei bis drei Jahre für die Fertigung. Das heißt, 2023 könnte der erste Niederflur-Stadtbahnwagen durch Görlitz fahren. Dieses Ziel ist ambitioniert, aber realistisch. Von mir aus könnte es natürlich gern schneller gehen, aber das zu versprechen, wäre unrealistisch. Ob alle acht Wagen gleichzeitig angeschafft werden, wird die Ausschreibung zeigen. Ich denke aber, dass es preiswerter sein wird, alle acht in einem Los zu fertigen. Sie würden dann vielleicht innerhalb eines Jahres nach und nach geliefert. Bis Ende 2024 könnten alle da sein.

Aber das Gesetz verlangt schon ab 1. Januar 2022 Barrierefreiheit.

Ja, aber die Umsetzung kann nur schrittweise erfolgen. Auch der Gesetzgeber hat nicht die Erwartung, dass ab Anfang 2022 der gesamte ÖPNV barrierefrei ist.

Kann sich die GVB acht Wagen innerhalb in so kurzer Zeit leisten?

Wir haben Kosten von 3,2 Millionen Euro pro Stück veranschlagt. Das ist aber nur eine Schätzung. Ich hoffe, dass es am Ende günstiger wird. 50 Prozent der Kosten übernimmt das Land, den Rest wir selbst. Deshalb ist es wichtig, dass wir mehr Fahrgäste gewinnen und Einnahmen erzielen. Zumal die Fahrzeuge nicht das Einzige sind: Auch die Haltestellen müssen für die Barrierefreiheit modernisiert und angepasst werden. Das wird eine Herausforderung.

Ist die Verlängerung der Straßenbahnlinie zum Klinikum noch im Gespräch?

Wir halten die Anbindung des Klinikums an das Straßenbahnnetz grundsätzlich für eine sehr sinnvolle Maßnahme. Deshalb soll geprüft werden, welche Streckenführung möglich ist und was es kosten würde. Noch in diesem Jahr soll es eine Voruntersuchung dazu geben, wie diese Strecke möglichst kostensparend gebaut werden könnte. Wir wollen eine belastbare Entscheidungsgrundlage für den Stadtrat erarbeiten, auf deren Basis das weitere Vorgehen festgelegt werden kann.

Aber anderswo hat die GVB ihr Angebot reduziert. Der Nachtbus nach Biesnitz fährt seit Januar nur noch stündlich statt bisher alle 30 Minuten?

Wir setzen das 2016 beschlossene ÖPNV-Konzept um. Die Reduzierung der Taktfrequenz wurde aufgrund der sehr geringen Fahrgastzahlen im Abendverkehr nach Biesnitz vorgenommen. Dafür bietet das neue ÖPNV-Konzept aber auch Verbesserungen im Abendverkehr. Wir werden die Entwicklungen genau analysieren und zu gegebener Zeit gemeinsam mit der Stadtverwaltung entscheiden, ob Anpassungen nötig sind. Wie freuen uns dabei auch über Hinweise der Fahrgäste, die uns über unser Kundenbüro am Demianiplatz oder per Telefon oder E-Mail erreichen können.

[email protected] , Telefon: 03581/339595

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