SZ + Döbeln
Merken

Leisnigerin setzt auf Sicherheit

Ergotherapeutin Jaqueline Hagen-Rißler gehört selbst zur Risikogruppe. Aber einige ihrer Patienten auch.

Von Dirk Westphal
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Bleibt auf Abstand zu ihren Mitarbeiterinnen Jenny Boehme (von links), Jenny Kaiser und Nancy Dähn und den Kunden: Die Leiterin der Leisniger Ergotherapie und Logopädie, Jacqueline Hagen-Rißler (rechts).
Bleibt auf Abstand zu ihren Mitarbeiterinnen Jenny Boehme (von links), Jenny Kaiser und Nancy Dähn und den Kunden: Die Leiterin der Leisniger Ergotherapie und Logopädie, Jacqueline Hagen-Rißler (rechts). © Norbert Millauer

Leisnig. Es sind Menschen wie Jacqueline Hagen-Rißler, Inhaberin einer Ergotherapie- und Logopädiepraxis in Leisnig. Menschen, deren Beruf und Leben von der Corona-Krise hart getroffen wurden. Aber sie kämpfen! Wirte, Lehrer, Pflegekräfte, Busfahrer, Verkäuferinnen... Sächsische.de möchte ihre Geschichten erzählen.

Die Tage für die zweifache junge Mutter Jaqueline Hagen-Rißler sind derzeit doppelt anstrengend. Zwischen dem häuslichen Alltag und ihrer Praxis für Ergotherapie und Logopädie pendelt sie derzeit hin und her. Denn sie selbst hat sich – als Träger einer Autoimmunerkrankung – aufgrund der Corona-Krise derzeit aus dem operativen Geschäft weitestgehend herausgenommen. „Das Büro kann ich allerdings nicht abgeben“, sagt die 37-Jährige. Ihr macht dabei vor allem die derzeitige Ungewissheit zu schaffen. „Dass nicht abzusehen ist, wann die Pandemie vorüber ist“, sagt sie.

Dabei weiß die junge Leisnigerin genau, was sie will. Bereits im Jahr 2007 hat sie mit 24 Jahren ihre eigene Praxis für Ergotherapie eröffnet. „Ganz alleine. Ich habe damals um jeden einzelnen Patienten gekämpft“, erzählt Jaqueline Hagen-Rißler und fügt an: „Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes schon während des Studiums Klinken putzen gegangen, habe ehrenamtlich im Pflegeheim gearbeitet, Vorträge gehalten und bin in die Schulen gegangen.“

Klinken putzen für den Erfolg

Immer hat sie in dieser Zeit versucht, sich und ihre Firma zu zeigen, zu präsentieren. Trotz, dass sie über mehrere Jahre mit einer schweren Erkrankung zu kämpfen hatte, wuchs ihre Praxis.

 Es wurden mehr Mitarbeiter, 2013 kam eine Logopädie dazu und 2017 wurde diese mit der Ergotherapie zusammengelegt und eine große Praxis eröffnet. „Wir haben uns immer besser etabliert und entsprechend ist auch die Patientenzahl gestiegen“, erzählt die Unternehmerin.

 Es sei eigentlich immer besser geworden. So suchte Jaqueline Hagen-Rißler vor Corona eine zweite Logopädin und eine zusätzliche Ergotherapeutin.

Vor Corona Arbeit ohne Ende

„Es gab Arbeit ohne Ende. Wir hatten in beiden Bereichen mittlerweile Wartelisten“, erklärt die Leisnigerin. Entsprechend hart traf die Praxis der Lockdown. Praktisch von 100 auf 0. Allerdings freiwillig, wie sie sagt. „Ich war der Meinung, wenn es richtig gemacht wird und sich alle an die Regeln halten, dann geht es schneller vorbei“, erklärt Hagen-Rißler und fügt an: „Nicht nur wegen uns selbst. Ich wollte auch nicht die älteren Leute bei der Therapie in Gefahr bringen.“

Seit 16. März arbeiten sie und ihre Angestellten nicht mehr in den Pflegeheimen und ab 23. März hieß es dann: „Alle Schotten dicht.“ Dabei machte die 37-Jährige die Erfahrung, dass die Patienten ebenfalls verunsichert waren und es nach wie vor noch sind.

Ihre Mitarbeiterinnen gingen in die Kurzarbeit. Sie selbst nutzte die Zeit bis zum 24. April, um den Neustart vorzubereiten. Materialien zum Umsetzen eines Hygienekonzeptes mussten bestellt, die Praxis für die Corona-Maßnahmen vorbereitet werden. 

Mundschutz, Desinfektionsmittel, Handschuhe, alles musste in anderen Dimensionen besorgt werden, als sonst üblich. „Das war unheimlich schwer. Du konntest nur einmal in der Woche bestellen und dann auch nur eine gewisse Anzahl“, sagt die junge Frau. „Logistisch war das eine Herausforderung.“ Zudem mussten Plexiglasscheiben organisiert werden, die die Patienten von den Therapeutinnen trennen.

>>> Über die Ausbreitung des Coronavirus und über die Folgen in der Region Döbeln berichten wir laufend aktuell in unserem Newsblog. <<<

Bei der Bewältigung der Probleme, wie eben auch der fehlenden Einkünfte, half Jaqueline Hagen-Rißler, dass sie ein Sparfuchs ist. „Ich bin so aufgewachsen, so erzogen worden“, sagt sie. „Man muss Reserven schaffen, immer etwas auf die hohe Kante legen, um auch mal eine Dürrezeit überleben zu können.“ 

Sie selbst hatte dabei eher Brand- oder Wasserschäden im Hinterkopf. „Das einmal Corona kommt, daran hat doch niemand gedacht“, sagt sie. Allerdings habe die Leisnigerin durch ihre Vorsorge auch weniger schlaflose Nächte gehabt.

„Es ist nicht so, dass ich jetzt schließen muss“, bringt es die Geschäftsfrau klar auf den Punkt. Dabei geht es ihr an erster Stelle nicht um den wirtschaftlichen Aspekt, sondern vielmehr um die Gesundheit. 

„Es bringt nichts, wenn ein Patient stirbt und ich kann mich im Spiegel nicht mehr anschauen“, sagt Jaqueline Hagen-Rißler. „Selbst auf die Gefahr hin, dass ich Geld verliere. Das habe ich auch, aber die Gesundheit ist mir mehr wert.“ Deshalb versucht die Bergstädterin, mit ihrem Team in kleinen Schritten zur Normalität zurückzukehren.

In kleinen Schritten zur Normalität

„Wir machen es nicht wie die Regierung, öffnen alles auf einmal“, sagt sie und erklärt: „Bei uns ist der Mundschutz weiter Pflicht. Es wird desinfiziert und auch die Plexiglasscheiben bleiben stehen.“ Eine ihrer Ergotherapeutinnen befindet sich noch in Kurzarbeit, doch Hagen-Rißler hofft, dass die Therapien in den Pflegeheimen bald wieder in dem gewohnten Umfang durchgeführt werden können.

„Es ist auf jeden Fall Licht am Ende des Tunnels“, sagt Jaqueline Hagen-Rißler, die allerdings auch Sorge hat, dass es im September nach den Ferien noch einmal eine zweite Corona-Welle geben kann. Deshalb appelliert sie an die Vernunft der Leute.

 „Mit einem Mund-Nasenschutz, gerade im Sommer, zu arbeiten, ist nicht angenehm. Auch für uns nicht. Aber das ist ein Schlüssel. Und je vernünftiger jeder Einzelne tickt, umso besser bringen wir die Krise rum. Ich kann deshalb auch die Unvernünftigen, die sich nicht an die Regeln halten, nicht verstehen. Denn wer einen zweiten Lockdown bezahlt, das ist die große Frage“, sagt die Leisnigerin.

Da schiebt sie in den Hintergrund, dass sie es vor allem bedrückt, nicht komplett arbeiten und damit planen zu können. Und gerade deshalb versteht sie auch die Vorurteile gegen die Regierung nicht. „Es kann niemand sagen, wie es weitergeht. Aber von den Entscheidungen, die im Großen wie Kleinen getroffen werden, hängt ganz viel ab“, sagt Jaqueline Hagen-Rißler.

Für sie selbst bedeutet das eben Abstand. Und so hat sie seit Beginn der Beschränkungen mit dem einen oder anderen Patienten Ergotherapie per Videosprechstunde durchgeführt.

 „Das war eine Möglichkeit, dass uns nicht alle Behandlungen wegbrechen“, sagt die ausgebildete Ergotherapeutin, wodurch die Patienten bis heute weiter therapiert werden konnten. Zudem hätten beide Seiten einen weiteren Vorteil gegenüber den Praxisterminen. „Wir sehen uns dabei wenigstens von Gesicht zu Gesicht“, sagt die 37-Jährige lachend.

Mehr lokale Nachrichten aus Döbeln und Mittelsachsen lesen Sie hier.