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„Man wird behandelt wie ein Aussätziger“

Eine junge Dresdner Mutter hat sich mit multiresistenten Keimen infiziert. Gerade medizinisches Personal zeigt Unverständnis.

Von Juliane Richter
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Die Dresdnerin Anke Schneider hatte mit einer MRSA-Infektion zu kämpfen. Und Angst, wie sie mit ihrer in dieser Zeit geborenen Tochter umgehen soll.
Die Dresdnerin Anke Schneider hatte mit einer MRSA-Infektion zu kämpfen. Und Angst, wie sie mit ihrer in dieser Zeit geborenen Tochter umgehen soll. © Christian Juppe

Die Situation ist für Anke Schneider* ohnehin schon eine Herausforderung. Gerade hat sie ihre zweite Tochter zur Welt gebracht, die kleine Familie muss sich in der neuen Rolle finden. Dann, knapp zwei Monate nach der Geburt, leidet die 33-Jährige zunächst an einem schmerzhaften Abszess an der Nase, der mit einer antibiotischen Salbe behandelt wird. Wenige Wochen später folgt eine Brustentzündung. Gemeinsam mit ihrer neugeborenen Tochter wird sie wieder in jenem Dresdner Krankenhaus stationär aufgenommen, in dem sie auch entbunden hat.

Nach drei Tagen wird der Abszess in der Brust punktiert und das Sekret im Labor analysiert. Dann ist klar, dass sie mit dem MRSA-Keim infiziert ist. Die Abkürzung steht für den Hautkeim Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus. Gesunde Menschen können in der Regel gut mit dem Erreger auskommen. Bei vielen ist er sogar auf der Haut zu finden, ohne dass er zu gesundheitlichen Problemen führt. Bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem kann der multiresistente Keim allerdings auch lebensgefährlich sein, weil ein Großteil der gängigen Antibiotika nicht wirkt. Wie bedrohlich multiresistente Keime sind, hatte erst im Herbst ein Keimausbruch im Städtischen Klinikum Neustadt gezeigt. Dort wurde die gesamte Intensivstation abgeriegelt, weil zwei Patienten mit einem multiresistenten Keim, der vor allem im Darm vorkommt, infiziert waren. Sie starben wenige Tage nach der Diagnose. Das Klinikum verwies dabei aber auch auf die schweren Grunderkrankungen.

Derartige Komplikationen sind bei der ansonsten gesunden Anke Schneider nicht zu erwarten. Dennoch ist die junge Mutter verunsichert, wie sie den Keim wieder loswird und was das auch für das Zusammenleben der gesamten Familie bedeutet. Am drängendsten ist für sie die Frage, welche Risiken für die Kinder, allen voran für die jüngste Tochter, bestehen. Denn für Neugeborene mit noch schwachem Immunsystem kann der Keim auch gefährlich werden. In der Klinik fühlt sich Anke Schneider allerdings schlecht aufgeklärt. Sie wird, so wie es vorgeschrieben ist, von den anderen Patienten separiert, um eine Ansteckung zu vermeiden. 

Als die Entzündung in der Brust ausreichend behandelt ist, wird sie wieder entlassen – ohne Hinweise auf das weitere Vorgehen. Schneider wird selbst aktiv, fordert sich Erklärungen von den Klinik-Ärzten und kontaktiert schließlich ihren Hausarzt. Dessen Sprechstundenhilfe kommt zunächst auf die Idee, dass sie lieber nicht in die Praxis kommen soll, weil der Arzt bald Vater wird. In der Frauenarztpraxis und einer gynäkologischen Tagesklinik darf sie das Wartezimmer nicht betreten und wird spazieren geschickt. „Es ist erschreckend, aber man wird wie ein Aussätziger behandelt. Und das von Leuten, die es eigentlich besser wissen müssten“, sagt sie. Der Hausarzt selbst reagiert aber entspannt und überprüft mittels Abstrichen den weiteren Verlauf. Am Ende verflüchtigen die Keime sich von alleine. Eine Sanierung, bei der die Hautkeime durch antibakterielle Seifen verdrängt werden sollen, wird nicht mehr nötig.

Wie Anke Schneider berichtet auch eine andere junge Mutter, die sich an die Sächsische Zeitung gewendet hat, von ähnlichen Erfahrungen mit niedergelassenen Ärzten. Allerdings möchte auch sie nicht namentlich benannt werden. Im Fall der 38-Jährigen ist nicht nur sie selbst infiziert, sondern auch ihr Sohn mit den Keimen besiedelt. Die Mutter führt besagte Sanierung bei sich und ihrem Sohn durch, fühlt sich aber auch ziemlich alleingelassen. „Ich habe im Krankenhaus keinerlei Aufklärung über den Umgang mit anderen Menschen bekommen. Und ich wusste nicht, wie ich mein Kind stillen und wickeln kann, ohne es erneut anzustecken“, sagt sie. Auch hier verflüchtigt sich der Keim wieder – doch der Frust über die Ausgrenzung bleibt.