Zum ersten Mal
spricht Dynamos Ex-Torwart Markus Schubert über die schwierige Zeit vor seinem Wechsel zu Schalke 04 und erklärt, warum er ging.
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Er hat lange geschwiegen, nicht, weil er nicht reden wollte. Es hat einfach nicht gepasst. Erst sollte Dynamo den Klassenerhalt schaffen, dann wollte er sich auf die EM mit der Nachwuchsauswahl konzentrieren und schließlich bei seinem neuen Verein ankommen. Seit Juli ist Markus Schubert bei Schalke 04, war jetzt aber für ein Spiel zurück in Sachsen.
Er stand am Donnerstagabend im Testspiel der neu formierten U21 in Zwickau beim 2:0 (1:0) gegen Griechenland in der ersten Halbzeit im Tor, hielt zweimal sicher und spielte mutig mit. Vorher aber hatte er seine Eltern besucht, seine Freunde in Dresden getroffen – und im exklusiven Interview mit sächsische.de erklärt, warum er seinen Heimatverein verlassen hat.
Markus, Sie sind mal wieder in Zwickau. Kommen Erinnerungen hoch?
Na klar, an das Pokalspiel gegen Koblenz vor zwei Jahren. Wir haben mit Dynamo 3:2 gewonnen, ich konnte kurz vor Schluss einen Elfmeter halten. Das war natürlich ein geiles Erlebnis.
Sie waren im Sommer mit der U21 bei der EM in Italien und San Marino als dritter Torwart. Welche Erfahrungen können Sie jetzt an die neuen Mitspieler weitergeben?
Es sind vor allem die Abläufe, worauf man achten muss. Wir Spieler kennen uns fast alle aus den anderen Jugend-Nationalmannschaften. Trotzdem sind wir als Team neu formiert, müssen uns auf dem Platz finden. Aber jeder spielt Fußball, das muss man niemandem neu erklären. Ich versuche, zu helfen und Verantwortung zu übernehmen. Nicht jeder traut sich ja, gleich Anweisungen auf dem Platz zu geben.
Haben Sie eine solche Ansage von Trainer Stefan Kuntz bekommen, Verantwortung zu übernehmen?
Die gab es nicht, aber es war klar, dass ich bei der EM dabei bin, um Erfahrungen zu sammeln, die ich danach einbringen kann. Dabei bin ich aber nicht alleine. Johannes Eggestein, Lukas Nmecha oder Janni Serra sind auch schon länger dabei.
Mit Dzenis Burnic ist einer dabei, mit dem Sie vorige Saison ein halbes Jahr bei Dynamo zusammengespielt haben. Wie war das Wiedersehen?
Ich habe mich sehr gefreut, wir werden uns sicher mal austauschen.
Während er in Dresden bleiben wollte und sich von Borussia Dortmund für ein weiteres Jahr ausleihen lassen hat, sind Sie gegangen. Ihr Wechsel hat für mächtig Wirbel gesorgt. Wie haben Sie das weggesteckt?
Ganz professionell. Ich wurde aus dem Tor genommen, hatte keinen Druck mehr.
Wie war das für Sie, nicht mehr spielen zu dürfen?
Ich habe gesagt, dass ich auf jeden Fall spielen will und bereit dazu bin. Aber ich konnte mich ja nicht selbst aufstellen. Der Trainer hat zwei, drei Tage darüber nachgedacht und so entschieden, was ich auch verstanden und akzeptiert habe. Es ging für Dynamo noch um den Klassenerhalt. Wenn im Stadion eine negative Stimmung herrscht wegen eines Spielers, ist das nicht hilfreich für die Mannschaft.
Nachdem bekannt geworden war, dass Sie den Verein verlassen, waren Sie beim Spiel in Ingolstadt von Fans unter anderem mit einem Plakat als „Hure“ beleidigt worden. Hat Sie diese heftige Reaktion überrascht?
Ehrlich gesagt nicht. Ich weiß, wie man als Fan tickt, ich bin ja selber einer. Deshalb konnte ich das gut einschätzen. Trotzdem hat es mich natürlich verletzt.
Sie haben selbst im K-Block gestanden, waren Dynamo-Fan …
Moment! Ich bin es immer noch.
Wie erklären Sie sich die Reaktion?
Die Fans sind enttäuscht, wenn ein Spieler, der geschätzt wird, den Verein verlässt. Für sie steht der Verein an erster Stelle, das ist auch gut so. Aber ich muss auch schauen, was für meine Entwicklung das Beste ist. Ich will das Maximum in meiner Karriere erreichen, denn Fußball ist mein Leben, ich will die größtmöglichen Erfolge feiern. Und ich bin überzeugt, dass ich dafür diesen Schritt gehen musste.
Sie waren das „Torwart-Projekt“, Sportdirektor Ralf Minge hat Ihren Aufstieg zur Nummer eins bei Dynamo geplant und gefördert. Wieso haben Sie den Vertrag nicht verlängert und sich eine Ausstiegsklausel einbauen lassen, um dem Verein eine Ablöse zu bringen?
Ich habe viel darüber nachgedacht, welche Konstellationen es gibt, um meine Ziele zu erreichen, und mich schlussendlich für eine neue Perspektive entschieden.
Düsseldorf, RB Leipzig, sogar die Bayern – es gab kaum einen Bundesligisten, bei dem Sie nicht gehandelt wurden. Was war dran an den Gerüchten?
Das möchte ich gar nicht kommentieren, aber ich bin froh, dass ich mir selber keinen Druck gemacht habe. Es ging mir nicht darum: Hauptsache, du bist bei einem Bundesligisten. Es muss schon alles passen, auch das Umfeld, damit ich glücklich bin.
Bei RB und Bayern hat es nicht gepasst?
Wie gesagt, das kommentiere ich nicht.
Und Arsenal London?
Ich werde mich jetzt nicht zu anderen Vereinen äußern. Ich bin bei Schalke, und das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. Ich kannte Alexander Nübel von der U21, habe mich mit ihm unterhalten.
Er ist Ihr Konkurrent, als Nummer eins bei Schalke 04 derzeit gesetzt. Haben Sie spekuliert, dass er zu Bayern geht?
Alex steht bei Schalke unter Vertrag. Er hat vorige Saison Ralf Fährmann verdrängt, auch bei der U21 war er die Nummer eins. Mir war also klar, dass ich mich erst mal hinten anstellen muss. In der Torwart-Gruppe herrscht eine überragende Stimmung, wir unternehmen auch außerhalb des Platzes einiges gemeinsam. Ich habe mich von der ersten Sekunde an wohlgefühlt, es macht einfach Spaß.
Sie haben einen Stammplatz für einen Bankplatz aufgegeben. Wie können Sie sich da weiterentwickeln?
In jedem Training, das ist meine Wettkampfform. Es ist ein anderes Niveau, geht alles viel schneller, die Schüsse kommen noch mal schärfer und platzierter. Unser Torwart-Trainer Simon Henzler arbeitet jeden Tag mit uns, um uns weiterzubringen. Außerdem sehe ich die Entwicklung, die Alex im letzten Jahr in diesem Umfeld genommen hat. Daran möchte ich mich orientieren. Zudem will ich mich in der U21 durchsetzen und spielen.
Muss man als künftiger deutscher Nationaltorwart bei Schalke gewesen sein – nach dem Beispiel Manuel Neuer?
Das klingt natürlich nicht schlecht. Ich würde sagen: Ja, muss man (lacht).
Wie ist Ihr neues Leben auf Schalke?
Noch bin ich im Hotel, kann aber nach den Länderspielen in meine Wohnung ziehen. Die habe ich mit meiner Freundin auf Bildern gesehen, und wir waren sofort begeistert. Deshalb war es uns egal, ein paar Wochen auf den Einzug warten zu müssen.
Ihre Freundin ist Dresdnerin, sie begleitet Sie?
Ja, sie studiert in Köln. Jetzt sind wir wieder näher zusammen. Aber mehr möchte ich nicht über Privates sprechen.
Und über Ihren neuen Verein?
Es ist alles einen, zwei Zacken größer: das Trainingsgelände, auch das Stadion. Die Fans sorgen für eine tolle Stimmung, das ist so emotional, wie ich es von Dynamo kenne. Damit kann ich mich sehr gut identifizieren. Außer, dass ich meine Freunde und Familie nicht mehr jeden Tag sehe, vermisse ich nichts.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Dynamo und Ralf Minge?
Für mich hat sich das Verhältnis nicht geändert, außer dass ich selbst nicht mehr dort spiele. Es bleibt sehr viel Positives von den acht Jahren. Ich habe meine Jugend bei Dynamo verbracht, hatte mein erstes Profi-Spiel, bin zum Zweitliga-Torwart aufgestiegen, in die Nachwuchsauswahl berufen worden. Das sind so viele schöne Erfahrungen, die mich geprägt haben. Ich wünsche Dynamo nur das Beste.
Sie weichen der Frage zu Minge aus …
Nein. Ich habe mich von allen verabschiedet, auch von ihm. Es gibt nichts, das unser zukünftiges Verhältnis belastet.
Er hat Ihre Entscheidung öffentlich scharf kritisiert. Waren Sie nicht sauer?
Nein, dafür bin ich nicht der Typ. Ich konnte es verstehen, weil ich weiß, wie er tickt.
Vom Publikumsliebling zum Buhmann – das haben Sie locker weggesteckt?
Ich wurde nicht mehr so geliebt wie vorher, aber viele Fans, mit denen ich gesprochen habe, zeigten Verständnis für meine Entscheidung. Das ist eine Erfahrung, die ich mitnehme: Wenn Leute so reagieren, darf dich das nicht kränken. Ich habe versucht, nicht zu viel darüber nachzudenken, es nicht so nah an mich ranzulassen.
Wo sehen Sie Ihre Perspektive?
Ich will natürlich auf Schalke irgendwann die Nummer eins werden, das ist mein Ziel.
Stellen Sie sich ein Jahr hinter Nübel an, um bereit zu sein, wenn er nächsten Sommer doch zu den Bayern geht?
Ich bin da, um mich über Leistung anzubieten. Was Alex macht, kann ich nicht beeinflussen, er ist ein toller Typ, mit ihm komme ich gut klar. Aber ich will spielen: in der Bundesliga für Schalke. Und auch in der U21 will ich die Nummer eins werden, mich mit dem Team für die EM qualifizieren und nächstes Jahr bei Olympia in Tokio dabei sein. Das ist ein Erlebnis, das nicht jeder Sportler mitmachen kann. Darauf habe ich großen Bock.
1976 gehörten sechs Dynamo-Spieler zur DDR-Mannschaft, die in Montreal Olympia-Gold gewonnen hat …
Das wusste ich noch gar nicht. Dann würde ich gerne mit dafür sorgen, dass wir diese Tradition fortsetzen.
Was sagen Sie dazu, dass etwas despektierlich über die neue U21 geschrieben wird – von wegen: keine Stars?
Klar, aber dass wir keine großen Namen dabeihaben, heißt doch nicht, dass wir keine Qualität haben. Die Jungs sind nicht zufällig irgendwo ausgegraben worden, sondern gehören dazu, weil sie das Talent und Potenzial haben. Ich bin überzeugt, dass wir dem letzten Jahrgang nacheifern können.
Wie erleben Sie Trainer Stefan Kuntz?
Er ist abseits des Trainingsplatzes für jeden Spaß zu haben, macht beim Essen auch mal einen lustigen Spruch. Er erkundigt sich, wie es einem geht, ob privat alles in Ordnung ist. Aber wenn es um Fußball geht, herrscht absolute Konzentration.
Sie sind also gerne bei der U21?
Auf jeden Fall. Beim DFB zu sein, Länderspiele zu bestreiten – das ist etwas Besonderes. Du spielst für Deutschland! Deshalb will ich auch hier gute Leistungen zeigen.
Es ist meine Heimat. Ich weiß nicht, was in ein paar Jahren ist. Mein Ziel ist es momentan, die Nummer eins auf Schalke zu werden. Trotzdem schaue ich immer mit einem Auge auf Dynamo und werde öfter in Dresden sein.