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Mehr Nieskyer Kinder mit Sprachproblemen

Schon Babys werden mit Reizen überflutet. Logopädinnen helfen aber zunehmend auch Schlaganfallpatienten.

Von Frank-Uwe Michel
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Romy Queiser, Kerstin Thunig und Diana Steinke (von links) praktizieren in Niesky, Rothenburg und Rietschen als Logopädinnen. Ihre Erfahrung: Mit Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen haben alle Altersgruppen zu tun.
Romy Queiser, Kerstin Thunig und Diana Steinke (von links) praktizieren in Niesky, Rothenburg und Rietschen als Logopädinnen. Ihre Erfahrung: Mit Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen haben alle Altersgruppen zu tun. © André Schulze

Richtig reden kann jeder, der von Kindesbeinen an mit der deutschen Sprache in Berührung kommt? Weit gefehlt, sagen Romy Queiser, Kerstin Thunig und Diana Steinke. Sie sind Logopädinnen mit Sprechstunden in Niesky, Rothenburg und Rietschen. Die Fähigkeit von Kindern, sich altersgerecht auszudrücken, habe in den letzten Jahren sogar abgenommen. Nicht unwesentlich hänge das mit den Veränderungen in der Gesellschaft zusammen. Romy Queiser hat dafür gleich das passende Beispiel parat: „Ich bin ins Wartezimmer gegangen und habe die nächste Patientin aufgerufen. Daraufhin meinte die Mutter des Mädchens, ohne von ihrem Handy aufzuschauen: ‚Jaqueline, du bist dran.‘“ Die Beschäftigung miteinander habe stark nachgelassen. Zugenommen hätten dagegen Reizüberflutungen, zu hoher Medienkonsum. Das Parken vor dem Fernseher, das Spielen auf dem Tablet schon im Kleinkindalter. All das seien Faktoren, die zu Sprach- und Wahrnehmungsstörungen führen, zu Problemen mit der Konzentration und dem Verhalten.

Sicherlich müsse man als moderner Mensch mit der Zeit gehen, ergänzt Diana Steinke. Doch wenn schon Babys mit Reizen vollgepackt würden, laufe etwas falsch. „Miteinander sprechen, zusammen spielen, im Wald spazieren gehen, dem Dahinplätschern eines Baches lauschen – das sind Dinge, die heute viel zu wenig stattfinden, der Sprachentwicklung von Kindern aber gut tun würden.“ Es sei wichtig, darauf hinzuweisen – nicht nur am heutigen Tag der Logopädie.

Logopäden – also Spracherzieher – bearbeiten ein sehr umfangreiches Leistungsspektrum, das außer der Hilfe bei Sprach- und Sprechstörungen auch die Behandlung von Stimm- und Schluckstörungen umfasst. Während Sprachstörungen neben organischen Ursachen vor allem durch Reizüberflutungen entstehen und dadurch bedingt immer komplexer werden, geht es bei Sprechstörungen um Wortverfälschungen, die mit der Motorik des Sprechens im Zusammenhang stehen. Auch die Hörverarbeitung spielt hier eine Rolle. „Wer häufig Mittelohrentzündung hatte, der ist anfälliger für dieses Problem“, erläutert Kerstin Thunig. Wichtig sei die gute Kooperation mit den behandelnden Fachärzten. „In der Diagnostik muss herausgefunden werden, welche sprachlichen Ebenen betroffen sind – Aussprache, Grammatik oder Wortschatz.“ Je nachdem werde die Therapie aufgebaut. Wobei vor allem Kinder sehr wissbegierige Patienten seien. „Die Kunst des Therapeuten ist, sie zu motivieren. Deshalb wird von uns vieles spielerisch verpackt.“ Kinder dürften natürlich Fehler machen, „aber man muss wissen, bis wann sie was in ihrer Entwicklung gelernt haben sollten.“

Als wichtige Komponenten im Heilungsverlauf sehen sich die Logopädinnen aber auch bei neurologischen Patienten. „In einer Zeit, in der die Menschen immer älter werden, ist natürlich auch die Zahl der Schlaganfallpatienten größer, die behandelt werden müssen. Gleiches gilt für Menschen nach Unfällen, mit tumorbedingten Operationen oder degenerativen Erkrankungen wie multipler Sklerose. Das alles hat auch in unseren Praxen stark zugenommen“, erläutert Romy Queiser. Dies seien zum großen Teil sehr langwierige Krankheitsverläufe. „Hier ist in erster Linie Geduld gefragt“, ergänzt Diana Steinke. Gerade weil die Behandlung oft sehr kompliziert sei, „sind die Patienten sehr dankbar, dass wir uns mit ihnen beschäftigen und sich damit ihre Chance verbessert, am Leben wieder teilzunehmen. Denn Kommunikation ist nun einmal das A und O.“ Wichtig, so Kerstin Thunig, sei in solchen Fällen vor allem schnelle Hilfe. „Bei einem Schlaganfall sind bis zu einem Jahr die größten Erfolge möglich. Auch wenn das nicht allzu aufregend klingt: Wir arbeiten daran, dass der Patient auf den ausgetrampelten Pfad seines Lebens zurückkehren kann, der vor der Erkrankung gängig war.“

Die drei Frauen sind schon lange als Logopädinnen unterwegs, haben in Niesky, Rothenburg und Rietschen jeweils gut zu tun. 30 bis 40 Therapien in der Woche sind keine Seltenheit. Trotzdem – oder gerade deshalb – macht ihnen der Beruf, anderen Menschen zu helfen, so viel Spaß und ist inzwischen zur Berufung geworden. „Es ist toll, wenn man endlich Fortschritte erkennt und die Patienten das auch für sich feststellen können.“

Bei all dem heißt es immer wieder, Ruhe bewahren, Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl zeigen, selbstverständlich auch Konsequenz. „Man darf natürlich auch seine Neugier nicht verlieren, muss sich regelmäßig fortbilden und darauf setzen, dass die Familie mitzieht und einem den Rücken frei hält“, macht Romy Queiser die Komplexität des Berufes deutlich.

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