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Menschen in Scheiben bei Landskron

In Görlitz werden echte Körper ausgestellt: starke Exponate in einer schwachen Präsentation.

Von Ines Eifler
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Bis Sonntag ist die „Anatomische Ausstellung – Echte menschliche Körper“ in der Görlitzer Kulturbrauerei zu sehen.
Bis Sonntag ist die „Anatomische Ausstellung – Echte menschliche Körper“ in der Görlitzer Kulturbrauerei zu sehen. © Nikolai Schmidt

Die Ausstellung „Körperwelten“ des Mediziners Gunther von Hagens war spektakulär und hoch umstritten, als sie 1997 in Deutschland erstmals Körper echter Menschen präsentierte und damit Einsichten ermöglichte, die bisher Chirurgen, Gerichtsmedizinern oder Medizinstudenten vorbehalten waren. Inzwischen aber ist „Körperwelten“ nicht mehr die einzige Ausstellung dieser Art. Eine der Nachfolgerinnen, die „Anatomische Ausstellung – Echte menschliche Körper“ ist seit gestern in der Görlitzer Kulturbrauerei zu sehen.

Auch hierfür haben sich Menschen zu Lebzeiten bereiterklärt, dass ihre Körper nach ihrem Tod für medizinische Zwecke verwendet werden können. „Sie wussten, dass ihre Körper später mal in einer Ausstellung zu sehen sein werden“, sagt Jeremy Sperlich vom Hamburger Unternehmen Körperausstellung, der die Wanderausstellung mit Exponaten aus den USA seit fünf Jahren in Deutschland und Europa präsentiert. Auch für diese Schau wurde mit dem Verfahren der Plastination das Wasser in den Leichen durch Kunststoff ausgetauscht, sodass die Körper noch echte organische Bestandteile enthalten, aber nicht verwesen.

An die Präsentation der „Körperwelten“ kommt die nun in Görlitz gezeigte Ausstellung leider bei Weitem nicht heran. Die Exponate zeigen, was sie sollen, aber was bei von Hagens glatt und perfekt aussieht, wirkt hier rau und unfertig. Die Beschriftung besteht teilweise aus laminierten Zetteln. Die Ausstellungstexte, die große Museen möglichst kurz halten, damit sie gelesen werden, sind hier seitenlange Erklärungen zu Organen und Erkrankungen auf großen Tafeln an allen Wänden des großen Saals der Kulturbrauerei. Manche erzählen Geschichten wie etwa den keltischen Mythos vom Storch, der die Kinder bringt, auch zum Eid des Hypokrates oder zur Haltung der Kirche zu Organspende als Akt der Nächstenliebe sind interessante Texte zu lesen. Aber die Art der Darstellung lässt das Ganze nicht sehr professionell erscheinen.

Das neue Leben vom kleinen Stück Plazenta bis zum
ausgewachsenen Neugeborenen.
Das neue Leben vom kleinen Stück Plazenta bis zum ausgewachsenen Neugeborenen. © Nikolai Schmidt
Durch sämtliche Organe führt der Weg durch den
Menschen in Einzelteilen.
Durch sämtliche Organe führt der Weg durch den Menschen in Einzelteilen. © Nikolai Schmidt
Ein ganzer Mensch vom Fuß bis zur Schädeldecke
scheibchenweise auf über zehn Meter Länge verteilt.
Ein ganzer Mensch vom Fuß bis zur Schädeldecke scheibchenweise auf über zehn Meter Länge verteilt. © Nikolai Schmidt

„Gunther von Hagens hatte einen eher künstlerischen Anspruch“, sagt Jeremy Sperlich zum Unterschied zwischen Originalausstellung und dem Ableger mit Plastinaten aus Amerika. „Wir zeigen eine medizinische Ausstellung.“ So ist zum Beispiel das vollständige Skelett eines Menschen in einer Vitrine zu sehen. Ganz dicht herantreten kann man an einen Mann, dessen Nervenbahnen, Rückenmark und Hirn gut von nahem zu betrachten sind. In einer über zehn Meter langen Vitrine liegt ein vollständiger Mensch in Scheiben geschnitten, sodass alle Bestandteile, Knochen, Muskeln, Organe, Blutgefäße zu erkennen sind. In anderen Vitrinen sind einzelne Organe von der Niere über Darm und Herz bis zur Lunge zusammen mit Erklärungen ihrer Funktion oder umfangreichen Schaubildern ausgestellt, wie man sie aus dem Biologieunterricht kennt. „Besonders die schwarze Raucherlunge im Vergleich zu der eines Nichtrauchers beschäftigt viele unserer Besucher“, sagt Jeremy Sperlich. „Nicht wenige haben sich vorgenommen, mit dem Rauchen aufzuhören, nachdem sie gesehen haben, wie drastisch sich ihre Lunge dadurch verändert.“ Auch die komplette Haut eines Menschen ist zu sehen, ebenso die Geschlechtsorgane von Mann und Frau. In der Vitrine zum Thema Schwangerschaft und Geburt liegen Babys, die nie gelebt haben, sondern als Fehl- oder Totgeburten zur Welt gekommen sind: vom kleinen Stückchen Plazenta über ganz kleine Föten aus den ersten Schwangerschaftwochen bis zu einem vollständig ausgebildeten Neugeborenen.

An den bisherigen Ausstellungsorten, etwa in Jena, wurde die Schau zwiespältig aufgenommen. Bis Sonntag kann man sich nun in Görlitz ein Bild davon machen.

Ausstellung bis Sonntag, 24. Februar, Landskronbrauerei Görlitz, täglich ab 11 Uhr geöffnet, Karten: Tageskasse

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