Mord-Urteil gegen Zittauer Messerstecher

Die Reue von Frank H. - sie kam zu spät. "Das was geschehen ist, das wollte ich definitiv nicht." Das waren die letzten Worte des Mannes, der vor der Bautzener Strafkammer des Landgerichts Görlitz des Totschlags an seiner Freundin angeklagt war. Doch die Richter glaubten dem Angeklagten seine Beteuerung nicht. Sie griffen mit ihrem Urteil zum schärfsten Schwert der deutschen Strafjustiz: Lebenslange Haft wegen heimtückischen Mordes.
"Alle Stiche gegen das Opfer wurden mit Tötungsvorsatz geführt", erklärte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. Frank H. hatte im Prozess wiederholt beteuert, den Tod seiner damaligen Freundin Constanze K. nicht beabsichtigt zu haben. Er habe lediglich gewollt, dass ihr "Quieken und Geschreie" aufhöre. Diese Erklärungen aber seien durch die Beweisaufnahme widerlegt.
Zum einen habe Frank H. schon Monate vor der Tat überlegt, wie er seine Freundin umbringen könnte. Zum anderen habe er ihr an jenem Abend des 12. Juni 2018 im Park am Zittauer Haberkornplatz nach einem ersten Stich in den Oberschenkel noch nachgesetzt, um dann den tödlichen Stich in den Rücken zu setzen. "Wäre es ihm nur um das Ende des Gequiekes gegangen, hätte er seinem Opfer nicht nacheilen müssen", erklärte der Richter.
Die Frage nach der Heimtücke
Zentraler Punkt des Prozesses war das Mordmerkmal der Heimtücke. Das Landgericht Görlitz hatte das verneint und Frank H. in einem ersten Verfahren im Januar 2019 zu zehn Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte dieses Urteil als rechtsfehlerhaft kassiert. Die Görlitzer Richter hätten die Frage der Heimtücke nicht ausreichend gewürdigt.
Heimtückisch begangen ist ein Mord, wenn der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers bewusst ausnutzt. Als arglos gilt ein Opfer, wenn es nicht mit einem Angriff auf sich rechnet - und genau deswegen wehrlos ist. Dass Constanze K. damals arg- und wehrlos war, als Frank H. sie plötzlich mit dem Küchenmesser attackierte, daran bestand vor Gericht kein Zweifel. Wohl aber daran, ob Frank H. diesen Umstand bewusst ausnutzte. Ja es ging gar darum, ob der persönlichkeitsgestörte und stark alkoholisierte Frank H. überhaupt in der Lage war, diese Situation zu erkennen und bewusst für seine Tötung auszunutzen.
An diesem sogenannten "Ausnutzungsbewusstsein" äußerte die Verteidigung von Frank H. in ihrem Plädoyer erhebliche Zweifel. Er habe sich wegen der wieder mal vorangegangenen Beleidigungen durch seine damalige Freundin in einer psychischen Ausnahmesituation befunden, als er spontan zum Messer gegriffen habe. Er habe gar nichts ausgenutzt. "Es wurde gehandelt, ohne nachzudenken", so der Anwalt. Eine solche psychische Ausnahmesituation würde auch nach der Rechtsprechung des BGH die Heimtücke ausschließen. Selbst der vom Gericht bestellte psychiatrische Gutachter habe die Spontanität der Tat hervorgehoben.
Gericht verneint Affekt-Tat
Das Gericht dagegen interpretierte jenes psychiatrische Gutachten anders. Demnach sei die Steuerungsfähigkeit von Frank H. weder durch seine Alkoholisierung herabgesetzt, noch könne man eine Affekttat annehmen. Der typische Affekttäter nämlich bereue seine Tat im Augenblick und wolle sie ungeschehen machen. Frank H. dagegen habe auch noch einen Monat nach der Tat in einem Polizeiverhör gesagt: "Ich wollte sie töten." Regelmäßige Beschimpfungen durch seine Freundin sei Frank H. gewohnt gewesen. "Die Tat erfolgte nicht aus einer plötzlichen Gefühlsregung, sondern aus Bilanzierung der Beziehung", so der Richter.
Ausschlaggebend für das "Ausnutzungsbewusstsein" sei, ob der Täter habe erkennen können, dass sein Opfer im Moment der Attacke nicht mit einem Angriff auf ihr Leben habe rechnen müssen. "Das war leicht zu erkennen", so der Vorsitzende Richter, "die Fähigkeit, diese Situation einzuschätzen, war nicht gemindert." Mit dieser Einschätzung und dem Mordurteil folgte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Täter verzichtet auf erneute Revision
Gegen das Urteil ist erneut die Revision zulässig. Allerdings erklärte Frank H. noch im Gerichtssaal - gegen den ausdrücklichen Rat seiner Verteidiger - Verzicht auf Rechtsmittel. "Dass ich endlich meine Ruhe finde, Strafgefangener bin, in Haft einer Arbeit nachgehe", sagte er. Das Gericht nahm diesen Verzicht zu Protokoll. Rechtskräftig ist das Urteil damit allerdings noch nicht. "Ich habe noch keinen Rechtsmittelverzicht erklärt. Ich könnte ja auch zugunsten des Verurteilten Revision beantragen", sagte der Staatsanwalt auf SZ-Nachfrage. Wahrscheinlich ist das nicht - aber eben auch nicht ausgeschlossen.