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„Neue Gleise nach Hoyerswerda? Unnötig!“

Der Bautzener Historiker Manfred Thiemann ist dagegen, die Strecke Bautzen – Hoyerswerda wiederzubeleben. Er sagt: Das Geld sollte in andere Routen fließen.

Von Tilo Berger
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Wo Manfred Thiemann steht, fuhren bis 1999 noch Personenzüge. Dass hier jemals wieder Gleise gelegt werden, findet der Wirtschaftshistoriker fraglich.
Wo Manfred Thiemann steht, fuhren bis 1999 noch Personenzüge. Dass hier jemals wieder Gleise gelegt werden, findet der Wirtschaftshistoriker fraglich. © Foto: SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Manfred Thiemann kennt sich aus in der Geschichte der Stadt Bautzen und der Region. Der gebürtige Niederschlesier hatte ab 1959 am Historischen Seminar der Universität Leipzig studiert und sich auf sorbische Geschichte spezialisiert. Nach dem Studium begann der Wissenschaftler seiner Tätigkeit am Institut für sorbische Volksforschung in Bautzen. Von 1980 bis 1990 leitete er das Stadtmuseum, später gab er an der Kreisvolkshochschule sein historisches Wissen an werdende Stadtführer weiter. 2002 war Dr. Thiemann der Herausgeber der Geschichtsschrift „Von Budissin nach Bautzen“ zur 1.000-Jahr-Feier der Stadt. Auch mit mittlerweile 79 Jahren verfolgt er aufmerksam das Geschehen in der Region, zum Beispiel die Diskussion um die Wiederbelebung alter Bahnstrecken. Das interessiert ihn nicht nur als begeisterten Modelleisenbahner.

Herr Dr. Thiemann, Sie haben Zweifel am geplanten Wiederaufbau der Bahnstrecke Bautzen–Hoyerswerda. Was finden Sie daran nicht gut?

Zwischen beiden Städten gibt es eine gute Busverbindung. Wenn der Fahrplan so gestaltet würde, dass tagsüber einige Busse unterwegs nicht mehr überall halten, wären sie schneller, als es der Zug kann. Solche Schnellbusse gab es in den 70er-Jahren schon einmal. Die Bahntrasse müsste ja auch völlig neu geplant werden. Die alten Schienen liegen nicht mehr, und der Zug nahm unterwegs viele Kurven, um an möglichst vielen Orten zu halten. Das machte auch Sinn im 19. Jahrhundert, als mit dem Bau der Strecke begonnen wurde. Damals gab es noch keine schnellen Busse, und dass praktisch jeder ein Auto haben würde, daran war gar nicht zu denken. Ab wer würde heute mit dem Zug über so viele Umwege noch nach Bautzen oder Hoyerswerda fahren? Ich sehe im Neubau dieser Bahnverbindung keinen wirtschaftlich sinnvollen Effekt. Das Geld sollte besser in andere Bahnstrecken fließen.

Zum Beispiel?

Vor allem in die Strecke zwischen Dresden und Görlitz, die wichtigste Verkehrsachse durch die Region. Hier Kurven zu begradigen und die Strecke zu elektrifizieren, das würde diese Verbindung schneller und attraktiver machen. Auch für Reisende, die in Dresden oder Görlitz in Richtung Berlin oder Cottbus umsteigen wollen.

Was halten Sie von der beabsichtigten Ertüchtigung der jetzt kaum, nur im Sommer ab und zu von der Seenlandbahn genutzten Strecke zwischen Kamenz und Hosena in Südbrandenburg?

Das wäre richtig gut. Damit wären deutlich kürzere Fahrzeiten zwischen Dresden und Hoyerswerda über Kamenz und Hosena möglich, als jetzt über Priestewitz und Großenhain. Das würde im Norden unseres Landkreises auch ganz neue Anschlussmöglichkeiten schaffen, zum Beispiel an die S-Bahn von und nach Leipzig. Würde diese S-Bahn-Linie sogar über Hoyerswerda hinaus bis nach Niesky verlängert, ergäben sich auch für die Neißeregion neue Reisemöglichkeiten.

Zurück in den Süden der Oberlausitz. Zwischen Bautzen und Wilthen liegen noch Schienen. Wie fänden Sie es, wenn hier wieder Züge fahren würden – und von Wilthen aus weiter in die Sächsische Schweiz, nach Sebnitz und Bad Schandau?

Für Berufspendler sehe ich hier keinen großen Nutzwert mehr, die Strecke wäre eher für Touristen interessant. Aber dazu müsste ja erst einmal bei Neustadt eine Bahnbrücke wieder aufgebaut und die Lücke im Gleis geschlossen werden. Für eine Bahnverbindung zwischen der Oberlausitz und der Sächsischen Schweiz sehe ich zudem eine andere Variante.

Welche?

Über die Bahnstrecke zwischen Löbau und Ebersbach. Hier liegen ja auch noch die Schienen, und die Ostsächsischen Eisenbahnfreunde nutzen die Trasse häufig für Sonderfahrten. Sie fahren dann bei Ebersbach über die Grenze ins tschechische Jirikov und weiter bis nach Rumburk. Dort besteht Anschluss an die Nationalparkbahn über Sebnitz und Bad Schandau bis nach Decin.

Bin ich nicht mit dem Auto schneller in der Sächsischen Schweiz als mit dem Zug?

Sicher – aber dann brauchen Sie dort einen Parkplatz, und da beginnt das Problem. In den 70er-Jahren fuhren an den Wochenenden übrigens schon mal Doppelstockzüge von Cottbus über Bautzen, Wilthen und Neustadt nach Bad Schandau.