Zwei Oppacher in Chinas Corona-Krise

Ein Wochenendausflug ganz ohne Sperrschilder und Mundschutz: Das ist noch nicht lange her - für Uwe Haase und André Pusch aber in weiter Ferne. Wenn sie in ihrer chinesischen Wahlheimat an die frische Luft gehen, dann mit Mundschutz.
Die beiden Oppacher, die für den Maschinenbauer ATN in China arbeiten, müssen sich streng an alle Regeln halten, die in der Region Shanghai zur Eindämmung des Coronavirus seit rund einem Monat gelten. Gesichtsmasken zu tragen, gehört dazu. Tägliches Fiebermessen ebenfalls. Die Temperaturkurve muss sogar bei den Behörden vorgewiesen werden.
Trotz der Ausnahmesituation schätzen die beiden Männer dabei ihre vergleichsweise große Freiheit. Sie dürfen immerhin die Wohnung verlassen und nach draußen gehen. In anderen Landesteilen ist es den Einwohnern hingegen nur vier Mal in zwei Wochen erlaubt, rauszugehen und etwas einzukaufen. "Das ist hier in Shanghai nicht ganz so streng", erklärt Uwe Haase. Vielleicht, weil es bislang nicht so extrem viele Krankheitsfälle in der Region gab, vermutet er. Von etwa 300 ist die Rede.
Drohnen kontrollieren Mundschutz
Dass alle die Regeln einhalten, wird kontrolliert. Wer die ohnehin bewachten Wohnbezirke betreten will, muss durch eine Fieber-Kontrolle. Zudem sind Papiere mitzuführen, die einen als Einwohner ausweisen. In Peking, so hat Haase von Bekannten gehört, gibt es sogar Überwachung aus der Luft: "Dort setzen die Behörden Drohnen ein und wer ohne Mundschutz erwischt wird, zu dem fliegt die Drohne und erklärt ihm per Lautsprecher, dass er eine Gesichtsmaske zu tragen habe." Dergleichen haben die beiden Oberlausitzer noch nicht erlebt, da sei die Lage in Shanghai doch entspannter.
Eines aber, dürfen auch Haase und Pusch derzeit definitiv nicht: ins Büro gehen und arbeiten. Alles steht bei ATN in China seit dem Chinesischen Neujahrsfest am 24. Januar still - auch die Produktion. "Wir arbeiten trotzdem - im Homeoffice", sagt Uwe Haase, der Geschäftsführer von Hölzel Shanghai ist. Im Jahr 2000 war er das erste Mal auf Dienstreise in China, seit 2009 lebt er ständig in der Volksrepublik. Seine Frau ist Chinesin, sein 17-jähriger Sohn besucht hier die internationale Schule, zudem gehören zwei Hunde zur Familie.
Geduldsprobe für ganze Familie
So viel und so lange beieinander sind die Haases sonst freilich nie. Denn nicht nur Uwe Haase und seine Frau haben ihr Büro nun zu Hause, auch sein Sohn lernt gezwungenermaßen im virtuellen Klassenzimmer vor dem Computer. "Das ist schon eine seltsame Situation, da lernen wir alle Selbstdisziplin", analysiert Uwe Haase amüsiert. Er selbst tue in den Wochen Dinge, zu denen er sonst nicht komme: "Ich koche zum Beispiel mit meiner Frau", sagt er und lacht.
Kochen muss André Pusch derzeit auch. Der 43-Jährige ist seit September für ATN in China und gewissermaßen die rechte Hand von Uwe Haase - vor allem, was Technik betrifft. Pusch lebt allein in seiner Wohnung und darf seit vier Wochen wie alle anderen weder jemanden besuchen noch Besuch empfangen. "Damit komme ich klar", sagt er. Immerhin gebe es Telefon- und Videokonferenzen, viel Mailverkehr - da vereinsame er nicht.
Dieser Tage war er sogar mit seinem Chef zu einem Spaziergang unterwegs, weil sie nahe beieinander wohnen. "Aber ich würde ganz gern mal wieder zum Essen in ein Restaurant gehen", sagt er. Dann könnte er sogar seine frisch erworbenen Chinesisch-Kenntnisse testen. "Ja, ich nutze die Zeit auch, um die Sprache weiter zu lernen, da muss man dranbleiben und ein bis zwei Stunden täglich üben", sagt er.
Geschäft darf nie ganz stillstehen
Der Hauptteil des Tages ist aber dennoch mit Arbeit ausgefüllt, betonen die beiden Oberlausitzer. "Die Firma bleibt nie ganz stehen", erklärt der Geschäftsführer. Darf sie auch nicht. Denn das China-Geschäft ist auch für ATN insgesamt zu wichtig. Man arbeite nun eben Dinge ab, die bislang liegen geblieben sind, habe Zeit für den Jahresabschluss, organisiere intern Strukturen neu, um effizienter zu sein oder unterbreite Kunden natürlich bereits neue Angebote.
"Ich denke schon, dass wir einige Kommunikationsmöglichkeiten, die wir jetzt erzwungenermaßen nutzen müssen, auch auf Dauer beibehalten werden, weil sie effektiv sind", schildert Haase.
Auch der Neustart nach dem Coronavirus-Hausarrest wird vorbereitet. Andere Unternehmen haben bereits eine Ausnahmegenehmigung erhalten und dürfen wieder arbeiten. "Das wollen wir auch, wir stellen einen Antrag und hoffen, dass es bald wenigstens in kleinen Teams wieder losgehen kann", sagt Haase.
Von jetzt auf gleich kann ATN ohnehin nicht komplett weitermachen: Einige der 40 Mitarbeiter waren zum Neujahrsfest bei ihren Familien, sind nun wieder in Shanghai und müssen erst einmal noch ihre zweiwöchige Quarantänezeit abwarten, bis sie wieder anfangen können. Ausreichend Desinfektionsmittel und Gesichtsmasken hat ATN in China schon beschafft - zum Teil in Deutschland - um die erhöhten Anforderungen zu erfüllen, die bei einem Start nötig sind.
Rückkehr nach Deutschland keine Option
Trotz Coronavirus sind beide Oberlausitzer aber nie auf die Idee gekommen, sich nach Deutschland ausfliegen zu lassen. "Meine Familie und ich haben uns für ein Leben hier entschieden, da können wir nicht abhauen, wenn es einmal schwierig wird", sagt Uwe Haase. "Wie würde das auch aussehen, wenn sich das Management absetzt", schiebt er nach. Angst oder Panik haben sie nicht, bestätigen beide. "Ja, es fühlt sich alles komisch an", sagt Haase.
Aber man könne auch als Unternehmen vieles tun, um die Sicherheit zu erhöhen, auch künftig: "Selbst organisierte Transporte, damit zum Neustart niemand aus dem kleinen Team mit dem öffentlichen Nahverkehr fahren muss", sagt er. Privat gehe es ihnen aber gut. "Persönlich fehlt es mir an nichts", betont auch André Pusch und fügt nach kurzem Nachdenken hinzu: "Auch wenn ich meine Haare sehr kurz trage - zum Friseur würde ich gern mal wieder gehen. Wenn er wieder offen hat."
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