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„Patientenverfügung macht es Angehörigen leichter“

Wer so ein Schriftstück verfasst, sollte sich beraten lassen, empfiehlt Oberarzt Dr. Stephan-Markus Helbig.

Von Irmela Hennig
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Viele scheuen sich davor, eine Patientenverfügung auszufüllen. Doch die kann helfen.
Viele scheuen sich davor, eine Patientenverfügung auszufüllen. Doch die kann helfen. © Wolfgang Wittchen

Herr Dr. Helbig, wann sollte man die Patientenverfügung verfassen?

Wenn man bei klarem Verstand ist und auf jeden Fall, ehe etwas passiert. Ich weiß heute ja nicht, ob ich morgen beispielsweise einen Unfall habe. Deswegen sollte sich jeder damit befassen.

Und wer kann so eine Verfügung verfassen?

Jeder, der im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist und die Volljährigkeit erreicht hat.

Wie ist das mit behinderten Menschen?

Auch sie können ihren Willen äußern. Normalerweise haben sie einen Betreuer, der ihnen dabei hilft, diesen Willen zu formulieren.

Was ist rein formal zu beachten – mit Blick auf die Identität zum Beispiel?

Derjenige oder diejenige, der die Patientenverfügung verfasst, muss darin eindeutig zu erkennen sein, zum Beispiel, indem Name, Geburtsdatum und Adresse angegeben werden.

Sollte man sich bei der Formulierung beraten lassen?

Das ist zu empfehlen. Eine Patientenverfügung sollte möglichst detailliert und exakt formuliert sein, teilweise sollte man die medizinische Fachsprache verstehen oder auch selbst nutzen können. Es gibt inzwischen viele Vorlagen, zum Beispiel im Internet bei Vereinen, Behörden, der Ärztekammer, den Krankenkassen. Daran kann man sich halten. Die Beratung mit medizinischem Sachverstand macht dennoch Sinn, denn nicht jeder weiß, was sich hinter den Formulierungen in den vorgefertigten Patientenverfügungen verbirgt.

Wenn ich so eine Patientenverfügung niedergeschrieben habe, gilt die dauerhaft, kann ich sie auch ändern?

Erst einmal gilt sie, theoretisch unbegrenzt. Es gibt Menschen, die bestätigen einmal jährlich mit einer Unterschrift, dass sie immer noch dazu stehen. Man kann sie aber jederzeit verändern. Selbst im Krankenhaus, wenn man hier im Bett liegt, kann man das mündlich noch tun – solange man in der Lage ist, seinen Willen zu äußern. Man muss also bei Bewusstsein sein.

Sollte man die Verfügung immer bei sich haben, wie den Personalausweis?

Es handelt sich ja um ein mehrseitiges Schriftstück, das ist dann nicht wirklich praktisch und auch nicht nötig. Bei einem Verunfallten beispielsweise wird der Rettungsdienst im Auto sicher nicht danach suchen. Wichtig ist, dass die Patientenverfügung zugänglich ist. Angehörige sollten wissen, dass es sie gibt und wo sie liegt. Sie sollten sie dann ins Krankenhaus bringen. Wer geplant in die Klinik kommt, beispielsweise um sich einer nicht banalen Operation zu unterziehen, sollte sie mitbringen und die Ärzte darüber informieren. Es gibt auch Stellen, wo man sie offiziell hinterlegen kann. Das ist aber nicht unbedingt praktisch. Da muss sich der Arzt erst um Zugang bemühen, dadurch geht mitunter viel Zeit verloren.

Was kann ich in so eine Verfügung reinschreiben?

Der Patient kann darin alles festlegen. Da gibt es keine Einschränkungen. Es gibt beispielsweise Menschen, die aus religiösen Gründen keine Bluttransfusionen haben möchten. Das können sie dort erklären. Die Herausforderung ist dabei aber, dass jede Situation anders ist. Der Patient schreibt zum Beispiel, dass er bei lang andauernder Bewusstlosigkeit keine künstliche Ernährung mehr will. Die Frage ist dann, was ist ,lang andauernd‘. Die Schwierigkeit ist, dass niemand vorhersehen kann, wovon er wie betroffen sein wird.

Also sollte man so viel und so genau wie möglich formulieren?

Je ausführlicher man seinen Willen aufschreibt, desto besser ist es.

Sie sagen, die Patienten können alles niederschreiben – aber Ärzte dürfen nicht alles umsetzen. Aktive Sterbehilfe ist auch mit Verfügung verboten?

Ja, das ist in Deutschland verboten. Davon abgesehen, muss der Arzt darauf achten, welche Therapie angezeigt ist. Der Patient kann nur eine Therapie erwarten, die entsprechend seinem Leiden medizinisch notwendig und sinnvoll ist.

Gibt es finanzielle Grenzen, wenn Patienten bestimmte Wünsche bezüglich einer Behandlung wünschen – kann es auch einfach zu teuer sein?

Aus finanziellen Gründen wird eine Therapie nicht abgelehnt. Die Frage ist immer: Ist es indiziert, also macht eine bestimmte Behandlung bei der jeweiligen Form der Erkrankung oder Verletzung Sinn.

Dr. Stephan-Markus Helbig (40) ist Oberarzt. Er leitet die Intensivstation im Krankenhaus Bischofswerda. 
Dr. Stephan-Markus Helbig (40) ist Oberarzt. Er leitet die Intensivstation im Krankenhaus Bischofswerda.  © Irmela Hennig

Kann man in so eine Verfügung auch reinschreiben, ob man Organe spenden möchte oder das explizit ausschließen?

Natürlich, das ist möglich.

Was tun Ärzte, wenn keine Verfügung vorliegt?

Sie versuchen, den Patientenwillen herauszufinden. Man kann Angehörige fragen. Die dürfen eine Therapie aber nur ablehnen oder einfordern, wenn sie eine Vorsorgevollmacht besitzen. Wenn es nicht anders geht, kommen Gerichte ins Spiel, die dann unter Umständen sogar Gutachter einsetzen.

Mit einer Patientenverfügung ist es also einfacher?

Auf jeden Fall – für uns als Ärzte, aber auch für die Angehörigen, wenn sie ein Schriftstück in der Hand haben. Sie tragen sonst eine gewisse Last, da sie den Patientenwillen aus der Erinnerung heraus an uns Ärzte übermitteln müssen.

Sie haben die Vorsorgevollmacht erwähnt – was ist der Unterschied zur Patientenverfügung?

Mit der Vorsorgevollmacht legt jemand fest, wer für ihn entscheiden soll, wenn er selbst dazu nicht mehr in der Lage ist.

Wie viele Patienten im Krankenhaus in Bischofswerda haben Ihrer Einschätzung nach schon so eine Verfügung?

Wir haben hier überwiegend ältere Menschen und bei denen sind es inzwischen etwa 50 Prozent. Ihr Anteil ist in den vergangenen Jahren gewachsen, weil das Thema im Gespräch ist und viel darüber berichtet wird. Bei jüngeren Menschen ist der Anteil derjenigen mit Patientenverfügung aber noch deutlich geringer.

Tipps zur Verfügung

Jeder einwilligungsfähige Volljährige kann eine Patientenverfügung verfassen, die sie oder er jederzeit formlos widerrufen kann.

Textbausteine findet man unter anderem auf der Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums: www.bundesgesundheitsministerium.de/patientenverfuegung.html

Broschüren zur Verfügung, aber auch zu Vorsorgevollmacht und Betreuungsrecht gibt es zum Herunterladen auf der Seite des Bundesjustizministeriums (www.bmjv.de).

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