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Pfefferkuchenteig reift im Fass

Vor dem Pfeffer- kam der Honigkuchen. Eine SZ-Serie zeigt heute, warum dieser Weg gar nicht so leicht war.

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Von Siegmar Schubert

Leb-, Honig- oder Pfefferkuchen lassen sich seit dem 13. Jahrhundert in Europa nachweisen. Schon 1293 wurden in den Küchen der Klöster im schlesischen Schweidnitz (heute Polen) die ersten Gebäcke aus bestem und lang gelagertem Honigteig hergestellt, dem feine und kostbare orientalische Gewürze – im Mittelalter kurz „Pfeffer“ genannt – beigemengt wurden. Daher der Name Pfefferkuchen oder Gewürzkuchen. Diese Pfefferkuchen leisteten gute Dienste als Appetitanreger, Verdauungsförderer oder Medizin bei Rückenschmerzen und Fieber. Waren sie doch ohne Fett, Milch und Eier und durch ihren Lagerteig leicht bekömmlich. Die Gewürze taten das Übrige. Schon mehr als 3 000 Jahre vor Christi Geburt kannte man in Ägypten Honigbrote. Allerdings nur als Opferspeise bzw. Grabbeigabe für die Pyramiden – Gräber der Pharaonen. Die Bienen waren damals „Heilig“ und deren Honig als Speise nur den Herrscherfamilien vorbehalten. Auch damals wurden diese Teige schon gelagert, um sie für die „Ewigkeit“ haltbar zu machen. So fanden Archäologen in den Grabkammern der Pyramiden unverdorbene Reste dieser „Pharaonenspeise“.

Feingebäcke wie Kuchen und Torten, sogenannte Weiß- und Süßbackwaren, waren in Europa kostbare Luxuswaren und wurden im Mittelalter ausschließlich mit Honig und importiertem Rohrzucker aus Übersee gesüßt. Wegen ihrer hohen Preise wurden sie vornehmlich in den Klöstern, an den Höfen der Herrscherfamilien und bei reichen Kaufleuten großer Handelsstädte zubereitet und verzehrt.

Lange haltbar

Erst mit der Entwicklung der Bienenhaltung von der Wildbienenzucht konnten immer größere Mengen Honig gewonnen werden, sodass auch für einen größeren Kreis der Bevölkerung die ersten süßen Gebäcke erschwinglich wurden: Aufgrund ihres Lagerteiges, der nichts anderes als ein süßer Sauerteig ist, sind diese Gebäcke auch heute noch lange haltbar und kaum verderblich. Mit dieser besonderen Eigenschaft dienten diese Kuchen im Mittelalter auch als Wegzehrung für Pilger, Seeleute und Soldaten – vielleicht auch eine Erklärung dafür, wie sich das Geheimnis dieser „süßen Brote“ vom „Orient“ bis nach West-Europa und in die Oberlausitz ausbreiten konnte.

So werden heute in Pulsnitz noch immer die Grundteige in großen Eichenfässern oder Behältern aus Edelstahl bzw. Kunststoff gelagert. Der Grundteig setzt sich aus Roggenmehl, Weizenmehl, Bienen- oder Kunsthonig bzw. Sirup zusammen und bleibt zum „reifen“ bis zu drei Monaten abgedeckt aber „atmend“ und kühl liegen. Grund für die Lagerung ist die Bildung von Milchsäure – ein natürliches Konservierungsmittel, das den Teig lange haltbar und bekömmlich macht. Ähnlich dem natürlich vergorenen Sauerteig des Brotes – dem „Ursauer“ ohne Zusatz von Hefen. Allerdings wird der Teig dabei sehr fest. Die Pfefferküchler sprechen von einem „Hartteig“. Deshalb benutzen sie sogenannte Teigbrechen. Diese „Teigbrechen“ sind starke Knetmaschinen, die ähnlich dem Fleischwolf die festen Grund- und Backteige geschmeidig machen und nach der Lagerung der Teige die Gewürze, z. B. Zimt, Koriander, Nelken, Macis (Muskatblüte), Kardamon und Backtriebmittel, wie Pottasche und Hirschhornsalz, untermischen. Danach werden die Teige von Hand „vorgelängt“ und mit der Ausrollmaschine zu Teiglängen verarbeitet. Diese Teiglängen oder Platten kommen dann in die Ausstechmaschine oder werden von Hand geschnitten. Dann werden die verschiedenen Formen, wie runde, rechteckige oder Herzen ausgestochen und auf Blechen zur Weiterverarbeitung abgelegt.

Je nach Sortiment können die Teige vor dem Backen mit Mandeln, Nüssen oder anderen Leckereien belegt werden. Das Backen dauert nur 8 bis 10 Minuten bei ca. 2 30O Grad. Nach dem Abkühlen kann man die Kuchen mit Zuckerguss garnieren, glasieren oder auch zu gefüllten Spitzen verarbeiten. Dazu werden schmale, gebackene Streifen der Länge nach halbiert, mit Marmelade oder Gelee gefüllt und mithilfe einer Maschine mit Schokolade überzogen.

Gefüllt mit Chili oder Rosinen

Was inzwischen Maschinen übernommen haben, mussten damals die Pfefferküchler von Hand bewerkstelligen. Eine sehr schwere Arbeit. Dennoch besteht heute die Herstellung von Pulsnitzer Pfefferkuchen immer noch aus 60 bis 70 Prozent Handarbeit. Neben den typischen Pulsnitzer Pfefferkuchen, wie Alpenbrot, Pflastersteine, Leckerli oder gefüllte Spitzen bieten die Pfefferküchler ihre besonderen „Hausmarken“ an. Da gibt es unter anderen den Rietschelkuchen, Chilipfefferkuchen oder Rosinenpfefferkuchen. Auch die gefüllten Kirschspitzen, die Cranberry-Pfefferkuchen und die Mandel und Wallnusspfefferkuchen sind erwähnenswert.

Der Verkauf auf Volksfesten und im eigenen Geschäft bringt den Pfefferküchlern Arbeit und Absatz das ganze Jahr hindurch.