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„Rammstein kann man nur bewundern”

Knorkator-Sänger Stumpen vor dem Dresden-Konzert über die Platte zum Bandjubiläum, Coversongs und vollen Körpereinsatz.

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Jetzt darf getanzt werden: Stumpen (l.) und seine Knorkator-Kumpels Nick Aragua, Buzz Dee, Rajko Gohlke und Alf Ator (v. l.).
Jetzt darf getanzt werden: Stumpen (l.) und seine Knorkator-Kumpels Nick Aragua, Buzz Dee, Rajko Gohlke und Alf Ator (v. l.). © PR

Für die 1994 in Berlin gegründete Derbrock-Band Knorkator war es ein Fest, als sie 2000 mit dem Song „Ick wer zun Schwein“ beim Vorentscheid zum Eurovision Song Contest das TV-Publikum verstören durften. 

Sänger Stumpen, klassisch ausgebildet und ganzkörpertätowiert, tobte sich nicht nur dort aus. Bei seiner Bühnenperformance setzt er stets auf vollen Körpereinsatz. Mit neuer Platte geht die Band auf Tour. Vorm Konzert in Dresden verrät Stumpen, warum die Nummer „Zu kurz“ die längste auf dem Album ist.

„Der Untergang“ heißt ein Song der neuen Platte. Sind Sie jetzt Sänger einer Untergangsstimmungsband?

Der Titel lässt das zwar vermuten, aber der Text ist ja nur eine Aneinanderreihung von Worten, die das menschliche Scheitern, den Ruin, das Verhängnis, den Zusammenbruch, das Fiasko, das Debakel oder das Unglück, die Niederlage, das Verderben, den Zerfall widerspiegeln. Aber definitiv: Nein, wir sind keine Untergangsstimmungsband. Wir beschränken unsere Bandbreite beziehungsweise unser Image nicht auf so wenige einfache Kategorien. Es war uns immer wichtig, alles zu reflektieren, was uns bewegt. Momentan ist die Welt halt etwas aus den Fugen, also findet das auch in unseren Liedern statt. Deswegen fokussieren sich aber noch lange nicht alle unsere Gedanken auf dieses eine Thema.

Ihr Stammpublikum ist es gewohnt, zwischen den Zeilen zu hören, und weiß natürlich längst, dass Knorkator keine Blödelkapelle ist.

Die Begriffe Blödelkapelle oder Funmetal gefallen mir ja überhaupt nicht. Unsere Fans sind geistig solide, sie denken mit und wissen unsere Texte einzuordnen, verstehen den Witz und die Ironie.

Englisches Liedgut ist auch wieder neu im Angebot. Sie covern Anita Wards Discohit „Ring My Bell“ von 1979, einen Klassiker der Rubrik One-Hit-Wonder. Wie kamen Sie darauf?

Zu meinem 40. Geburtstag haben mir Knorkator und einige Musikerkollegen aus anderen Bands ein Ständchen dargeboten mit etwas brutaleren Versionen von 70er-Disco-Hits. „Ring My Bell“ kam dabei so gut rüber, dass wir seitdem darüber nachdachten, es ins Knorkator-Repertoire aufzunehmen.

Das zweite Cover, „Behind The Wheel“ von Depeche Mode, wurde dann auf Wunsch von ...

... Alf Ator ausgewählt. Er ist ein großer Fan alter Depeche-Mode-Songs. „Behind The Wheel“ kannte ich bis dahin gar nicht. Na ja, den 80ern konnte ich generell nicht so viel abgewinnen. Meine Zeit waren die 70er, Hippies und Heavy Metal, „Schulmädchen-Report“ und „Mad Max“.

Im Song „Zu kurz“ wirken Gastkünstler wie Ärzte-Bassist Rod Gonzales, Anna R. und Thomas D. mit. Wie kam es dazu?

„Zu kurz“ entstand deshalb, weil das Album zu kurz war, und ironischerweise ist „Zu kurz“ das längste Lied. Also schlug Alf vor, einfach alle rumliegenden Ideen, die es bisher nicht zu einem Song und auf eine Platte geschafft haben, oder Riffs, die Buzz Dee im Kopf hatte, Alf bisher aber nicht verwerten wollte, in ein letztes Lied zu packen. Unsere Gäste Rod, Thomas D., Anna R. haben deshalb zugesagt, weil dieses Lied zum einen wirklich lustig, anspruchsvoll und vielschichtig ist, zum anderen, weil sie hierbei nicht viel zu tun hatten.

Demnächst gehen Sie auf Tour, da wird von Ihnen als Frontmann wieder totaler Körpereinsatz erwartet. Werden Sie dem nachkommen – oder mit Ihren 55 Jahren langsam alles etwas runterschrauben?

Ich bin zwar nicht mehr der Jüngste und merke natürlich, dass der ganze sportliche Firlefanz von vor 20 Jahren nicht mehr funktioniert, aber nö, die Show wird nicht nach körperlichem Befinden geplant, sondern nach Songs, die sich für dieses Jahr eignen: Welche müssen rein, welche haben wir lange nicht gespielt, oder welche fetzen.

Die erfolgreichste Rock-Band aus Deutschland ist derzeit Rammstein, mit deren Musikern Sie gut befreundet sind. Sind Sie manchmal neidisch auf den Erfolg der Kollegen oder eher voller Bewunderung?

Keineswegs Neid, nein, auf gar keinen Fall bin ich neidisch. Es ist vielmehr Freude und Stolz. Die Band hat es geschafft, mit ihrer Musik, ihren Texten, ihren einzigartig spektakulären Ideen und Aktionen zu bewegen. Sie treffen den Nerv und hinterlassen eine wunderbare Fassungslosigkeit, sorgen für Furore und Kritik. Und dass Rammstein neben den Einstürzenden Neubauten und Kraftwerk die einzige deutschsprachige Band ist, die weltweit verstanden wird, deren Texte man mitsingt – das kann man nur bewundern.

Das Interview führte Gunnar Leue.

Das Album: Knorkator, Widerstand ist zwecklos. Tubareckorz/Rough Trade

Das Dresden-Konzert: 30.11., Alter Schlachthof