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Trotz Feuerschaden: Die Rieseneiche lebt

Zweimal wurde das Naturdenkmal in der Nähe von Bautzen im Winter angezündet. Jetzt gibt es gute Nachrichten - und ein Urteil.

Von Franziska Springer
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Grüne-Liga-Chef Rolf Kubenz freut sich über die jungen Triebe an der jahrhundertealten Rieseneiche von Niedergurig. Im Dezember war der Baum zweimal angezündet worden.
Grüne-Liga-Chef Rolf Kubenz freut sich über die jungen Triebe an der jahrhundertealten Rieseneiche von Niedergurig. Im Dezember war der Baum zweimal angezündet worden. © SZ/Uwe Soeder

Malschwitz. Rund um den ausladenden Stamm der Rieseneiche in Niedergurig findet man Genesungswünsche: "Komm, lieber Mai und mache unsere Eiche wieder grün", steht da auf einem Schild zu lesen. Auf einem Transparent wird in einem Gedicht gefragt: "Wer will sie töten? Wer kann das sein? Wir werden diesem Menschen niemals verzeihen."

Unverkennbar ist der jahrhundertealte Baum am Ufer des Großen Ziegelteichs in Niedergurig von besonderer Bedeutung für die Anwohner. Die Gemeinde Malschwitz machte ihn gar zum zentralen Motiv im Gemeindewappen. Entsprechend groß war das Entsetzen, als der Baum im vergangenen Dezember gleich zweimal innerhalb weniger Tage brannte. Erleichterung beim Malschwitzer Bürgermeister Matthias Seidel (CDU) Ende April: "Den Brandanschlag hat die Rieseneiche wahrscheinlich gut überstanden. Zumindest zeigt sie nun ihre ersten grünen Blätter."

Wenige Tage später steht Rolf Kubenz unter dem maigrünen Baumwipfel und blickt in die Höhe. Um zu erkennen, wie gesund ein Baum ist, erklärt er, müsse man sich die jungen Zweige ansehen und beurteilen, wie frisch und lebendig die Spitzen sind. "Hier sehen sie verhältnismäßig grün und feingliedrig aus", sagt er zufrieden und deutet auf die Triebe, die sich in  rund 30 Metern Höhe Bahn brechen. Überrascht ist er von der Widerstandsfähigkeit der Rieseneiche nicht: "Ich war sicher, dass sie wieder austreibt", sagt er.

Die rund 30 Meter hohe Eiche am Großen Ziegelteich in Niedergurig war im Dezember angefackelt worden. Nur wenige Monate später trägt der Baum wieder ein grünes Blätterdach.
Die rund 30 Meter hohe Eiche am Großen Ziegelteich in Niedergurig war im Dezember angefackelt worden. Nur wenige Monate später trägt der Baum wieder ein grünes Blätterdach. © SZ/Uwe Soeder

Allein daraus will der Vorsitzende der Grünen Liga Bautzen aber nicht schließen, dass der Baum, dessen Alter Experten auf 600 bis 800 Jahre schätzen, die beiden jüngsten Brandanschläge unbeschadet überstanden hat. "Verlängert haben die Brände das Leben der Eiche jedenfalls nicht", sagt er und deutet auf eine verkohlte Stelle am Stammende. Hier, erklärt er, habe das Feuer nicht nur etwa ein Drittel der schützenden Borke zerstört, sondern auch die darunterliegende Rinde, über die der Baum sich mit Nährstoffen aus dem Boden versorgt. Wo die Flammen sich ins Innere des Giganten fraßen, hinterließen sie totes Holz. Um die darüber liegenden Äste mit Flüssigkeit zu versorgen, musste sich die Stieleiche, die seit 1937 als Naturdenkmal geschützt ist, neue Verteilwege suchen. "Da ist so ein Baum schon erfinderisch", sagt Rolf Kubenz.

Seltenes Genmaterial für mehr Artenvielfalt

Bis zu 1.000 Jahre können Eichen alt werden, wenn sie, wie das Exemplar in Niedergurig, an einem vorteilhaften Standort stehen und alle Angriffe überleben. Beides kommt selten vor, weshalb es nur noch wenige Bäume solch biblischen Alters gibt. Auch die Rieseneiche in Niedergurig hat ihre besten Zeiten wohl bereits hinter sich: "Der Baum hat sein Alter und die Schäden, die ein altes Lebewesen eben hat", sagt Kubenz und deutet auf vereinzelte trockene Äste. 

Gerade weil die Eiche irgendwann absterben wird, verurteilt er Brandanschläge, wie sie sich im Dezember und auch schon im Jahr 2002 ereignet haben, aufs Schärfste. Denn solange noch Leben im Baum ist, könne er einen wichtigen Beitrag zur Artenvielfalt leisten. "So alte Bäume haben ein besonderes Genmaterial. Sie verfügen über eine ganz andere Stabilität und wesentlich mehr Klima-Erfahrung als Bäume, die in Baumschulen aus nur wenigen Mutterpflanzen gezüchtet werden", erklärt Rolf Kubenz die Rolle des grünen Riesens für den Erhalt der ökologischen Vielfalt. 

Zweimal mussten Feuerwehrleute im Dezember zur Rieseneiche ausrücken. Rund ein Drittel der schützenden Borke ist bei den beiden Bränden zerstört worden.
Zweimal mussten Feuerwehrleute im Dezember zur Rieseneiche ausrücken. Rund ein Drittel der schützenden Borke ist bei den beiden Bränden zerstört worden. © Archivfoto: privat

Bereits 2016 pflanzte er daher mit einigen Mitstreitern drei Ableger aus veredelten Zweigen der knorrigen Eiche. Die seien inzwischen über drei Meter hoch, sagt er stolz. 

Traurig sei es, dass das Naturdenkmal immer wieder die Zerstörungswut einzelner auf sich ziehe. Er hofft auf die Wachsamkeit der Anwohner. Auch eine Videoüberwachung hielte er für sinnvoll. "Verdient hätte der Baum das", sagt Rolf Kubenz.

Für den 37-jährigen Mann, der für die Anschläge vom Dezember verantwortlich ist, bleibt die Tat indes folgenlos. Bereits am 19. Februar wurde das Verfahren wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung gegen ihn eingestellt – wegen Schuldunfähigkeit, wie der Bautzener Staatsanwalt Christopher Gerhardi informiert. "Der Mann leidet unter paranoider Schizophrenie und hat Stimmen gehört, als er das Feuer legte", sagt Gerhardi. Zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung sei er stationär untergebracht gewesen.

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