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Der schwere Prozess gegen Ringraser

Zwei Zittauer sollen sich mit ihren Audi-Boliden ein Rennen auf dem Stadtring geliefert haben. Die Polizei verfolgt sie - die Beweisführung ist dennoch problematisch.

Von Markus van Appeldorn
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Raserei ist seit Jahren ein gefährliches Problem auf dem Zittauer Stadtring.
Raserei ist seit Jahren ein gefährliches Problem auf dem Zittauer Stadtring. ©  Matthias Weber (Archiv)

Der Unfall, der ganz Deutschland schockierte, liegt erst wenige Tage zurück. Am Abend des 19. August erfasst ein Mercedes-Raser auf der Budapester Straße in Dresden einen sechsjährigen Jungen und tötet ihn. Wahrscheinlich hatte sich der Fahrer ein Rennen mit einem BMW geliefert. Wie schwer es ist, solche rücksichtslosen PS-Protze für ihre Raserei zur Rechenschaft zu ziehen, wenn dabei zufällig nichts passiert - das zeigt jetzt ein Raser-Prozess vor dem Amtsgericht Zittau.

Im Sitzungssaal 201 des Amtsgerichts hat es selten Publikum. An diesem Dienstag ist das anders. Gut eine Handvoll junger Burschen sitzt im Zuschauerraum. Draußen auf der Straße vor dem Gericht parken ihre Autos, etwa ein 620 PS starkes Audi R8 Cabrio oder ein BMW, der schon im Stehen schnell ist - das ist Zittaus PS-Szene. Drei ihrer Freunde sitzen auf der Anklagebank. Den 27 bis 32 Jahre alten Männern wird vorgeworfen, sich am Abend des 18. Januar 2020 mit zwei leistungsstarken Audi A8 ein verbotenes Rennen auf dem Zittauer Stadtring geliefert zu haben - genau die Klientel, wegen der bei der Zittauer Polizei die "Soko Ringraser" gegründet wurde.

Aufheulende Motoren und rasantes Überholen

Auf die Aussagen zweier Beamte dieser Soko stützt sich die Anklage nach Paragraph 315d des Strafgesetzbuches - der sogenannte Raser-Paragraph. Die Streifenbesatzung hatte sich an jenem Sonnabend an der Schauburg mit Blick auf den Stadtring positioniert und musste nicht lange warten. Gegen 20 Uhr stoppten die beiden A8 nebeneinander vor der roten Ampel am Ottokarplatz. "Die beiden Fahrzeugführer haben die Motoren aufheulen lassen und immer wieder die Bremse leicht gelöst, um eine schnellstmögliche Beschleunigung zu erreichen", sagte einer der Beamten aus. Er und sein Kollege seien alarmiert gewesen. Den Fahrer eines Audi habe er auch erkannt, weil er ihn von früheren Kontrollen kenne.

Mit einem "Rennstart" seien die beiden A8 dann bei grün losgeschossen. Und die beiden Beamten hätten sofort versucht, zu folgen. "Wenn die voll beschleunigen, kommen wir mit unserem Streifenwagen nicht hinterher", erzählt der Beamte. Mit hohem Tempo habe man die beiden Audis verfolgt, habe zwar stets Blickkontakt gehabt, sei aber zunächst nicht näher als 100 bis 150 Meter an sie herangekommen. "Bei 120 haben wir aufgehört, weil wir ja alle heil nach Hause kommen wollen", schildert der Polizist.

An der Blumenuhr wird der Ring wegen der Abbiegespur auf die B99 einspurig. Dort habe einer der Audi-Fahrer einen BMW-Fahrer mit hohem Tempo überholt und sei über die dortige Sperrfläche knapp vor diesem wieder eingeschert, um dem Verlauf des Rings weiter folgen zu können. Ansonsten herrschte zu der Stunde auf dem Ring kein Verkehr. Aber: "Es gibt immer wieder Passanten, die den Ring queren und nicht mit so schnellen Autos rechnen", beschreibt der Beamte die Gefahr. Weil die beiden A8 wegen des Blitzers am Töpferberg stark abgebremst hätten, hätten die Beamten aufschließen können. Einen davon stoppten sie kurz später, der andere hatte sich durch ein Abbiegemanöver in die Innere Weberstraße davon gemacht.

Anwalt bezweifelt Beweiskraft der Polizei-Aussagen

Nun hat die Beweisführung eines "Verbotenen Kraftfahrzeugrennens" in diesem Fall ein Problem. Weder gibt es etwa Blitzerfotos vom Töpferberg, noch wurde im Streifenwagen eine Messung aufgezeichnet. Einer der Rechtsanwälte bezweifelt daher, dass es sich überhaupt so zugetragen hat wie die Anklage behauptet. So seien Streckenabschnitte des Stadtrings gar nicht so fahrbar, wie die Polizeibeamten schildern. Was ein "Rennstart" sei, sei darüberhinaus kaum definierbar. "Das ist Bauchgefühl des Beamten", sagte der Anwalt und damit eine rein subjektive Wahrnehmung.

Und was für die Beweisführung erheblich ist: Wie dicht war der Streifenwagen überhaupt an den A8 dran und über eine wie lange Strecke hätten die Beamten die von ihnen behauptete Geschwindigkeit der beiden Fahrzeuge überhaupt feststellen können? Selbst der Vorsitzende Richter sagte dazu: "Der Begriff ,Rennen' ist eine sehr umstrittene Geschichte in der Rechtsprechung."

Der "Raser-Paragraph" könnte verfassungswidrig sein

Die Anklage wirft den beiden Audi-Fahrern vor, "sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt (zu haben), um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen". Tatsächlich hat ein Amtsgericht in Baden-Württemberg genau diese Passage der Strafvorschrift jüngst dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Weil etwa völlig unbestimmt sei, was eine "höchstmögliche Geschwindigkeit" sei, bestehen erhebliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift. Die Entscheidung steht noch aus.

Der Richter erklärte, dass deswegen eine Verurteilung nach einer anderen Variante des Paragraphen im Raum stehe - dabei geht es um die bloße Teilnahme an einem Rennen. Außerdem deutete er an, dass es für den dritten Angeklagten ohnehin auf einen Freispruch hinauslaufe. Der ist als Halter und Beifahrer des einen Audi nur der Beihilfe angeklagt. "Ich vermag da keine Beihilfehandlung zu erkennen", sagte der Richter. Die Anwälte der beiden Fahrer streben ebenfalls einen Freispruch für ihre Mandanten an. Der Prozess wird am Freitag, 4. September um 13 Uhr fortgesetzt.

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