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Die Schleuser mit dem Sofa sind gefasst

Der skrupellose Menschenschmuggel in fingierten Möbeln ist aufgeklärt. Andere Kriminalfälle von 2019 warten noch auf ihre Lösung.

Von Jörg Stock
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Schleuserversteck als Sofa getarnt: Ein Ermittler der Bundespolizei Berggießhübel demonstriert, wie der Menschenschmuggel funktionierte. Jetzt wurde der Drahtzieher verurteilt.
Schleuserversteck als Sofa getarnt: Ein Ermittler der Bundespolizei Berggießhübel demonstriert, wie der Menschenschmuggel funktionierte. Jetzt wurde der Drahtzieher verurteilt. © Norbert Millauer

Es sieht aus, als hätte der alte Ford aus Bulgarien eine Couch geladen. Doch die wahre Fracht sind Menschen. Sieben Iraker stecken in den Möbelattrappen. Als sie an einem Novembertag 2018 nahe dem Autobahnanschluss Heidenau aus ihrem Verlies kriechen, alarmiert ein Zeuge, ein Radfahrer, die Polizei. Die Geschmuggelten werden im Wald entdeckt. Sie bitten um Asyl. Ihr Schleuser, der 69-jährige Bulgare Georgi L., kommt in Haft. Im April 2019 wird er in Pirna zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. 

Die Sofaschleusung an der A 17 gehörte zu den aufsehenerregendsten Kriminalfällen, die Polizei und Justiz im Landkreis 2019 beschäftigten. Richter Andreas Beeskow, der Georgi L. verurteilte, stellte fest, die Menschen seien schlimmer transportiert worden, als Tiere. L.s Anwalt gab zu bedenken, dass auch sein Mandant ein Opfer gewesen sei, der Letzte in der Kette, angeworben, "um zu fahren, bis er verbrennt".

Tatsächlich hatten die Ermittler der Berggießhübler Bundespolizei starke Anhaltspunkte, dass Georgi L. nur ein Rädchen im Getriebe eines ausgreifenden Schleuserrings war. L. hatte bei seiner Fahrt weder Navi noch Landkarten dabei gehabt, wurde per Handy dirigiert. Fotos seines Transporters fanden sich auf dem Mobiltelefon des kurze Zeit später ebenfalls in Pirna abgeurteilten Daniel S., Landsmann von L., der offenbar die Schleuserautos besorgte. 

Auftraggeber der beiden, so vermuteten die Polizisten, müsse eine Person mit Aufenthaltsrecht in Bulgarien und guten Kontakten zur irakischen Community sein, wo die Schleusungswilligen angeworben würden. Und so war es auch: Etwa zeitgleich mit den Pirnaer Prozessen wurde der 26-jährige Syrer Mustafa L. verhaftet, als er am Berliner Flughafen Tegel einem Flieger aus Sofia entstieg. 

Seit 2017 hatte die Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung in München Schleuserfälle aus dem Oberpfälzer Wald untersucht und den Ermittlungsvorgang "Versteck" gestartet. Damals waren acht Iraker und Iraner im doppelten Boden eines Kleintransporters entdeckt worden. Der fließend bulgarisch sprechende Mustafa L. war der letzte von insgesamt sieben Drahtziehern, die bei den Ermittlungen aufflogen. 

Am 20. November 2019 verurteilte das Landgericht Weiden Mustafa L. wegen des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern zu sechs Jahren und drei Monaten Haft. Auch die Sofaschleusung von Heidenau konnte ihm nachgewiesen werden. Kriminaltechniker aus Berggießhübel hatten Mustafa L.s Fingerabdrücke im Schleuserwagen gesichert. Und was wurde aus Georgi L., dem Fahrer? Er ging in Berufung. Am Landgericht Dresden wurde seine Strafe nahezu halbiert. Im Juli 2019 kam er wegen guter Führung vorzeitig frei. 

Keine Zeit für Prozess gegen mutmaßliche Hehlerin

Razzia im Gemüseladen: Die Polizei sucht in Pirna nach geklautem Milchpulver.
Razzia im Gemüseladen: Die Polizei sucht in Pirna nach geklautem Milchpulver. © Robert Michael

Der Klau von Milchpulver war ihr Geschäftsmodell: In Drogeriemärkten ließen georgische Diebe die Babynahrung massenhaft mitgehen und brachten sie dann zu Hehlern nach Pirna, von wo aus das Milchpulver nach Fernost verschoben wurde. Am 11. Dezember 2018 fuhren mitten in der Pirnaer Fußgängerzone Polizisten zur Razzia auf. Als mutmaßliche Chefin der sogenannten „Aptamil-Bande“ nahmen sie eine damals 38-jährige Vietnamesin fest, die mehrere Gemüseläden in der Stadt betreibt. Inzwischen sind einige der Diebe abgestraft. Was macht die Verhaftete? Sie ist nicht mehr verhaftet. Ende Mai 2019 kam sie gegen Kaution auf freien Fuß, teilt das Landgericht Dresden mit. Sie muss sich nun regelmäßig bei der Polizei melden. Zwar hatte die Staatsanwaltschaft bereits im März 2019 Anklage erhoben. Doch die zuständige Große Strafkammer sei überlastet, sagt Gerichtssprecher Thomas Ziegler. Angestrebt werde ein Verhandlungsbeginn möglichst im 3. Quartal 2020.

Fahndung nach geklauten Uhren dauert an

Tatort Museum: In Glashütte wurden wertvolle Uhren gestohlen.
Tatort Museum: In Glashütte wurden wertvolle Uhren gestohlen. © Egbert Kamprath

Einen Moment lang hätte man an ein Happy End denken können: Kurz nach Weihnachten meldete die Polizei, in einem Wald bei Bautzen seien in einem Erdloch mehrere Glashütter Uhren gefunden worden. Zeugen und Eigentümer würden gesucht. Doch nein, es sind nicht jene drei Uhren, die seit dem späten Abend des 18. Februar 2019 im Deutschen Uhrenmuseum von Glashütte vermisst werden. Das kann Reinhard Reichel, der Museumschef, bereits anhand der von der Polizei angegebenen Baujahre, 2000 bis 2006, sicher ausschließen. Seine Sammlung besteht vor allem aus historischen Taschen- und Armbanduhren. Aber welche davon sich die Diebe aneigneten und wie sie trotz verschlossener Vitrine an die Stücke gelangten, darüber schweigt er. Am Beschluss des Stiftungsrats, keine Informationen preis zu geben, habe sich nichts geändert, sagt Reichel. Die Polizei ermittelt weiter, das nimmt er als ein gutes Zeichen. "Die Hoffnung darf nicht sterben." 

Toter aus der Heide ist noch immer ohne Namen

So sah der Tote aus der Dippser Heide wohl zu Lebzeiten aus. Wer kennt ihn?
So sah der Tote aus der Dippser Heide wohl zu Lebzeiten aus. Wer kennt ihn? ©  Polizeidirektion Dresden

Grausiger Fund zum Nationalfeiertag: Am 3. Oktober 2018 entdeckten Pilzsammler in der Dippoldiswalder Heide bei Oelsa menschliche Knochen. Das Skelett gibt der Mordkommission Rätsel auf. Abgesehen von einer kleinen Perlenkette werden keine persönlichen Dinge gefunden, die zur Identifizierung führen könnten. Der Abgleich mit ungelösten Vermisstenfällen, auch mithilfe des Zahnstatus und der DNA, bringt nichts ein. Das Skelett trägt keine Spuren von Gewalt. Die Todesursache ist unklar. Was klar ist: Es handelt sich wohl um einen Jugendlichen, zwischen zwölf und 17 Jahren alt, der womöglich schon seit dem Sommer an der Fundstelle lag. Letztes Mittel: die Rekonstruktion der Gesichtszüge anhand des Schädels, die eine Expertin beim Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt herstellt. Anfang April 2019 wird das Bild veröffentlicht. Den Durchbruch hat es bisher, trotz weltweiter Verbreitung, nicht gebracht. Man warte weiter auf Rückläufe, sagt ein Polizeisprecher.   

Mord am Strauß bleibt wohl ungesühnt

Jochen Schumacher auf seiner Straußenfarm in Helmsdorf bei Stolpen.
Jochen Schumacher auf seiner Straußenfarm in Helmsdorf bei Stolpen. © Daniel Schäfer

Sie war die liebste von allen, zutraulich, arglos. "Wahrscheinlich wurde ihr das zum Verhängnis", sagt Janine Golla. Gemeinsam mit ihrem Partner Jochen Schumacher führt Golla die Straußenfarm in Helmsdorf bei Stolpen. Die Rede ist von der einstmals größten Zuchthenne des Hofs, über 2,70 Meter groß und 120 Kilo schwer. Das Tier, viereinhalb bis fünftausend Euro wert, war wichtig. Es sollte in den kommenden Jahrzehnten viele Eier legen. Doch dazu kam es nicht. Am 24. August 2019 fanden die Farmer ihre Riesenhenne auf der Weide liegen, ohne Kopf. Unbekannte hatten das Tier brutal getötet. Ein Wolf als Täter wird laut Polizei nach wie vor ausgeschlossen. Wer sonst für den Straußenmord infrage kommt, ist offen. Auch Frau Golla hat nichts Neues gehört. Dass sich Fremde der Weide nähern, ist trotz der Verbotszeichen Alltag. Für die Sicherheit der Tiere habe man inzwischen aber einiges getan, sagt die Chefin, ohne konkret zu werden. "Und wir werden noch mehr tun."

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