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Riesaer Gasthaus von Baustellen umzingelt

Die Bedingungen für die Wiedereröffnung am Freitag sind für Wirt Leonhard Fuß eine Herausforderung. Nicht nur wegen Corona. Beinahe hätte es keinen Neustart gegeben.

Von Jörg Richter
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Mit einem frischen Bier stößt Leonhard Fuß auf den Neustart am Freitag im Schnitzelhaus an.
Mit einem frischen Bier stößt Leonhard Fuß auf den Neustart am Freitag im Schnitzelhaus an. © Sebastian Schultz

Riesa-Weida. Seit 40 Jahren arbeitet Leonhard Fuß als Koch. Und schon immer hier in seinem kleinen Gasthaus in der Erfurter Straße. Ursprünglich als HO-Gaststättenleiter, seit 1995 als Besitzer. Aber so ein Jahr wie dieses hat er noch nicht erlebt. Allenfalls die Zeit nach der Deutschen Einheit 1990, in der Tausende Riesaer arbeitslos wurden und vieles ungewiss war, kann da mithalten. 

Wie viele seiner Kollegen kämpft Leonhard Fuß mit den Folgen der Corona-Beschränkungen. "Wenn man nicht aufmachen darf, kommt auch kein Geld rein", sagt er. Vom 22. März bis 15. Mai durfte er im Schnitzelhaus No. 1 keine Gäste empfangen. Das hat ins Kontor geschlagen. "Die sechs Schnitzel, die ich am Wochenende über die Straße verkauft habe, haben sich auch nicht gelohnt", erzählt der 64-Jährige.

Seit Ende Juni ist die Gaststätte, die ursprünglich von 1963 bis 1967 eine Bauarbeiter-Kantine war, wieder geschlossen. Wegen des geplanten Jahresurlaubs, aber vor allem wegen der coronabedingten Unrentabilität. "Die Leute sind verunsichert", sagt der Diplom-Ökonom für Gaststätten- und Hotelwesen. Die Pandemie-Bestimmungen würden noch viele davon abhalten, entspannt essen zu gehen. 

Der Wohnblock hinter dem Schnitzelhaus wird in den nächsten Wochen abgerissen.
Der Wohnblock hinter dem Schnitzelhaus wird in den nächsten Wochen abgerissen. © Sebastian Schultz

Doch das ist nicht der einzige Grund, dass dieses 2020 voraussichtlich ein schwieriges Jahr für das Schnitzelhaus No.1 wird. Die beliebte Gaststätte im Riesaer Stadtteil Weida, zu der Schnitzelfans auch aus Döbeln, Oschatz, Torgau und Südbrandenburg pilgern, ist derzeit von Baustellen umzingelt. 

Auf der Nordseite, wo die Gäste normalerweise an der Erfurter Straße ihre Autos parken können, wühlen Bagger eine Wiese auf. Auf dem vier Hektar großen Areal lässt die Wohnungsgesellschaft Riesa (WGR) eine Wohnsiedlung erschließen. 36 Eigenheime sollen hier entstehen. Die Vermarktung ist gut angelaufen. Laut Aussage der WGR seien bis Mitte Juli schon 16 Grundstücke verbindlich reserviert bzw. verkauft worden. 

Ob sich hier potenzielle Kunden ansiedeln, die regelmäßig ins Schnitzelhaus einkehren, vermag niemand zu sagen. Südlich der Gaststätte gehen sie jedenfalls verloren. Auch hier ist die WGR aktiv. Sie lässt einen Block mit 117 Wohnungen komplett abreißen. Riesas rapider Einwohnerschwund geht auch nicht an den ehemaligen Stahlwerker-Vierteln vorbei.

Der Rückbau dauert voraussichtlich den Rest des Sommers. Also die Zeit, in der die Schnitzelhaus-Gäste gern im Biergarten sitzen. "Das ist nicht sonderlich förderlich fürs Geschäft", sagt Leonard Fuß. Immerhin hat die WGR dafür gesorgt, dass eine Umleitung (siehe Grafik) zum Parkplatz an der Villerupter Straße offen bleibt.

Die grün gekennzeichnete Umleitung müssen die Gäste fahren, um mit dem Auto über den Weidaer Kreisverkehr, die Döbelner Straße und die Villerupter Straße zum Schnitzelhaus No.1 zu gelangen.
Die grün gekennzeichnete Umleitung müssen die Gäste fahren, um mit dem Auto über den Weidaer Kreisverkehr, die Döbelner Straße und die Villerupter Straße zum Schnitzelhaus No.1 zu gelangen. © Grafik: SZ Riesa

Die Corona-Beschränkungen, die der Wirt kritisch sieht, haben aber auch etwas Gutes. "Dieses Jahr bleiben viele zu Hause, deshalb mache ich eine Woche eher als sonst auf", sagt er. Am Freitag geht es los. Dann öffnet er um 17 Uhr sein Schnitzelhaus. 

Dabei hätte auch alles ganz anders kommen können. Am 22. Juni verunglückte er mit seinem Pickup auf der B 169 in der Chemnitzer Hohle und fuhr gegen einen Brückenpfeiler. "Ich weiß bis heute noch nicht, wie das passieren konnte", sagt der 64-Jährige. Möglicherweise sei es ein Sekundenschlaf gewesen. Der Nissan erlitt Totalschaden. Fuß wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht, doch er überlebte. 

"Zwei Sekunden reichen und ein ganzes Leben verändert sich", blickt er nachdenklich auf seinen "zweiten Geburtstag" zurück. Im Vergleich dazu sind Corona-Beschränkungen und staubige Baustellen in der Nachbarschaft nur Kleinigkeiten.  

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