SZ +
Merken

Schule schwänzen für den Umweltschutz?

Die einen dürfen, die anderen nicht: In Dresdens Schulen gibt es unterschiedliche Meinungen zu Demos während des Unterrichts.

Von Henry Berndt & Julia Vollmer & Nadja Laske
 4 Min.
Teilen
Folgen
Friday for Future: Auch in Dresden demonstrieren Schüler für den Umweltschutz – jüngst am Königsufer.
Friday for Future: Auch in Dresden demonstrieren Schüler für den Umweltschutz – jüngst am Königsufer. © René Meinig

Jeden Freitag demonstrieren weltweit Schüler für den Klimaschutz. Die Bewegung „Fridays for Future“ wächst und ist auch in Dresden angekommen. Das nächste Mal verschaffen sich Schüler am 15. März mit ihrer großen Sorge Gehör. Los geht es immer um die Mittagszeit. Und genau darin sehen Kritiker ein Problem – offenbar ein noch viel größeres, als die Umweltzerstörung selbst: Häufig läuft in den Schulen noch der reguläre Unterricht, wenn sich die jungen Demonstranten zusammenfinden. Dürfen Schüler den Unterricht schwänzen für eine gute Sache? Die Meinungen gehen auseinander, auch bei den Dresdner Schulleitern.

Ein klares Nein zur Demo während der Schulzeit kommt von Frank Haubitz, Leiter des Gymnasiums Klotzsche: „Das ist eine gute Sache, aber es gilt die Schulpflicht. Wir unterstützen unsere Schüler gern außerhalb der Schulzeit dabei.“ So sieht das auch Thomas Lorenz, Direktor der 128. Oberschule. „Ich finde es bedenklich, wenn hier Schüler um jeden Preis demonstrieren, egal wofür.“ Er finde es gut, wenn sich die Schüler Gedanken machen, aber schwänzen sollten sie nicht, sagt er.

Ganz anders sehen das die Schulleiter der freien Schulen. „Unsere Schüler haben bereits an dem Demos teilgenommen, und wir unterstützen das, auch während des Unterrichts“, sagt Holger Kehler, Geschäftsführer der freien Waldorfschule. „Wir wollen, dass unsere Schüler starke Persönlichkeiten werden und Verantwortung übernehmen, darum unterstützen wir sie.“ Wenn jedoch Klassenarbeiten anstehen, gehen diese vor. Ähnlich handhabt das die Montessori-Schule Huckepack. „Unsere Schüler waren schon während des Unterrichts bei den Friday-for-Future-Demos in Chemnitz und in Dresden“, sagt Schulsprecherin Viktoria Zumpe. Die Schule stehe dazu. Auch hier gilt jedoch: Prüfungen sind wichtiger als Demos. Jens Cencarka-Lisec, einer der Leiter der Freien Alternativschule, wird noch deutlicher: „Wenn es nach mir ginge, könnten die Schüler sogar den Donnerstag noch freimachen. Ich finde es daneben, dass überhaupt von Schulschwänzen gesprochen wird. Die Leute, die auf die Schulpflicht pochen, haben immer noch nicht verstanden, worum es hier geht.“

Zum Beispiel das Landesamt für Bildung. Es spricht sich gegen den Streik während der Schulstunden aus. „Wir verstehen das Anliegen von Fridays for Future, die Demos rechtfertigen kein Fernbleiben vom Unterricht“, so Sprecherin Petra Nikolov. Bisher habe das Amt von den staatlichen Schulen der Stadt keine Rückmeldungen erhalten, ob es Überlegungen von Schülern zur Teilnahme an den Demonstrationen gibt. „Das Landesamt hat vorab die Schulleitungen informiert, dass Schulpflicht besteht und diesbezüglich Demonstrationen keinen Freistellungsgrund gemäß Schulbesuchsordnung darstellen.“

An der jüngsten Demo am Freitag vor den Winterferien beteiligten sich rund 300 Schüler von 25 Dresdner Schulen. Hier sind Aktionen nur alle drei Wochen geplant. Auf diese Weise wollen die regionalen Organisatoren die Kräfte bündeln und möglichst professionelle Auftritte, beispielsweise mit selbstgemalten Plakaten und Spruchbändern, sicherstellen.

Der Schüler Thomas Lorenz, Sprecher der Dresdner Organisatorengruppe von „Fridays for Future“, sieht das Thema Schulausfall ambivalent: „Es gibt bei uns einen großen Diskurs, wie viel Schulzeit wir für die Demos opfern sollten“, sagt der 19-Jährige. „Viele von uns sind der Meinung, dass wir nicht genug Aufmerksamkeit bekommen würden, wenn wir nur in der Freizeit demonstrieren.“ Unnötig provozieren wolle man aber auch nicht. Außerdem: „Viele der beteiligten Schüler machen gerade ihren Abschluss und brauchen die Schulstunden einfach.“

Dass überhaupt so viel über die Frage Unterrichtsausfall oder nicht diskutiert wird – weniger als über das eigentliche Anliegen selbst – findet Helene Pöhl bedenklich. Wenn am 15. März international wieder Schüler auf die Straßen gehen, wird die Abiturientin des Gymnasiums Bürgerwiese vor Dresdner Schülern eine Rede halten. Die treffen sich um 12 Uhr am St. Benno Gymnasium und demonstrieren zum Goldenen Reiter und zur Kreuzkirche. Dort wollen sie mit lokalen Politikern ins Gespräch kommen. Die Demo endet am späten Nachmittag auf dem Theaterplatz. „Gestern noch als unpolitische Generation betitelt, werden wir heute als Schulschwänzer und Regelbrecher missbilligt“, kritisiert Helene Pöhl und kündigt an: „Wir streiken, bis ihr aufhört, unsere Zukunft zu vernichten!“

www.fridayforfuture.de