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So arbeiten die Forscher am Görlitzer Untermarkt

Das neue Institut Casus ist im Herzen der Stadt angekommen. Demnächst arbeiten hier auch drei US-Amerikaner.

Von Ingo Kramer
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Gründungsbeauftragter Michael Bussmann (vorn) und die Forscher Maximilian Böhme, Tobias Dornheim und Jan Stephan (hinten, v. l.) sind zusammen mit weiteren Kollegen bei Casus am Untermarkt tätig.
Gründungsbeauftragter Michael Bussmann (vorn) und die Forscher Maximilian Böhme, Tobias Dornheim und Jan Stephan (hinten, v. l.) sind zusammen mit weiteren Kollegen bei Casus am Untermarkt tätig. © André Schulze

Die riesigen Bildschirme fallen als erstes ins Auge. „49 Zoll“, sagt Casus-Gründungsbeauftragter Michael Bussmann und lacht: „Wir sind zwar ein Forschungsinstitut, aber wir haben hier keine Labore oder Experimente.“ Stattdessen dreht sich alles um Daten, sowohl eigene als auch von Partnern. Dafür auch die extra breiten Monitore: „Wir sind ein voll computerisiertes Institut“, sagt der 44-jährige Dresdener.

Was sich hinter dem Namen Casus verbirgt, ist ein Wortungetüm: Center for Advanced Systems Understanding. Was indes in diesem Software-Institut gemacht wird, das lässt sich etwas verständlicher in etwa so erklären: Es geht um neuartige Rechenmodelle und Software für einige der drängendsten Fragen unserer Zeit: Klima, Krebs und Künstliche Intelligenz. Hier werden bisher nicht lösbare Gleichungen und Rechenmodelle entwickelt, die neuartige Prognosen ermöglichen, sagt Bussmann.

Das Forschungsinstitut Casus ist am Untermarkt 20 zu finden, direkt neben dem Kaffee am Flüsterbogen. Zuletzt hatte die Untere Denkmalschutzbehörde hier ihren Sitz.
Das Forschungsinstitut Casus ist am Untermarkt 20 zu finden, direkt neben dem Kaffee am Flüsterbogen. Zuletzt hatte die Untere Denkmalschutzbehörde hier ihren Sitz. © André Schulze

Seit einigen Wochen hat Casus sein erstes Gebäude in Görlitz bezogen: Das Haus Untermarkt 20, in dem unter anderem schon Kulturamt, Justiziariat und zuletzt die Untere Denkmalschutzbehörde ihren Sitz hatten. „Bisher sind wir hier etwa zehn Wissenschaftler, im April oder Mai kommen fünf weitere hinzu“, so Bussmann. Sie alle kommen von außerhalb. Das administrative Personal – bisher drei, ab April vier Kollegen – hingegen sind Görlitzer, die mit ihren Familien längst hier wohnen.

Aus Kiel über Dresden nach Görlitz gelangt

Unter den Forschern war Tobias Dornheim der Erste, der zu Casus gestoßen ist. Der 29-Jährige stammt ursprünglich aus der Nähe von Lübeck und hat in Kiel studiert und zum Doktor der theoretischen Physik promoviert.

Er hatte sich auch noch auf eine andere Stelle beworben, sich dann aber für hier entschieden: „Ich fand die Stadt und die Gegend einfach sympathisch. “ Bevor es in Görlitz losgehen konnte, hat er übergangsweise am Helmholz-Zentrum in Dresden-Rossendorf gearbeitet. Sein Lebensmittelpunkt und seine Freundin sind jetzt in Dresden: „Deshalb plane ich nicht, nach Görlitz zu ziehen.“

Da geht es ihm wie den meisten Wissenschaftlern, die schon da sind, sagt Bussmann: „Die pendeln täglich aus Dresden her.“ Naja, fast täglich. Ein bis zwei Tage pro Woche arbeiten die Forscher derzeit noch in Dresden. Schuld ist Corona. „Unsere - seit Dezember bestellte - Computer-Anlage hängt noch in China fest“, erklärt Bussmann.

Das Meiste funktioniert zwar schon in Görlitz, Casus ist hier arbeitsfähig – aber eben noch mit ein paar Einschränkungen. Die Großrechner stehen in Rossendorf und Dresden. Manchmal müssen die Kollegen also dort sein. Doch er hofft, dass die Anlage in den nächsten Wochen kommt.

Casus forscht auf vier Gebieten

In Görlitz forscht Casus auf vier Gebieten. Für jedes davon wird nach und nach eine eigene Arbeitsgruppe aufgebaut. In der Systembiologie geht es darum, wie sich ein Organismus aus seinen Bestandteilen aufbaut, bei autonomen Fahrzeugen um Cybersicherheit, bei Erd- und Umweltforschung um Klima, Wasserkreislaufmodellierung und Ökosysteme und schließlich bei Materie unter extremen Bedingungen darum, den Kosmos auf die Erde zu bringen.

„Dort beschreiben wir das Verhalten von Elektronen bei sehr hohen Dichten und Temperaturen, wie sie zum Beispiel im Inneren von Planeten vorkommen“, sagt Tobias Dornheim, der mit bisher vier weiteren Kollegen auf diesem Feld forscht.

Andere Arbeitsgruppen sind derzeit noch kleiner, werden aber wachsen. Für die Erd- und Umweltforschung kommt demnächst ein Professor von der renommierten Smithsonian Institution aus Washington nach Görlitz – und bringt gleich noch zwei Doktoren mit. Die drei US-Amerikaner haben sich für Casus interessiert und aktiv hier beworben, erklärt Bussmann: „Wir haben zuvor natürlich unsere Kontakte spielen lassen, um Casus bekannt zu machen. “ Er freut sich, dass das zumindest bei den Amerikanern schon mal geklappt hat. Sie sollten im April oder Mai anfangen. Durch Corona sind solche Zeitpläne allerdings sehr unsicher geworden.

In zwei Jahren sollen es 45 Wissenschaftler sein

Bis Ende März 2022 sollen die vier Arbeitsgruppen aufgebaut werden. Dann sollen etwa 45 Wissenschaftler hier arbeiten. Im Gebäude am Untermarkt ist aber nur Platz für 30 bis 35, sodass Casus ein weiteres Übergangsquartier benötigen wird, bis das Institut irgendwann ins sanierte Kondensatorenwerk am Neißeufer einziehen kann. Schon vorher will das Institut in der Stadt viel bekannter werden.

„Ich sehe Casus als Görlitzer Institut, aber wir wollen auch eine Görlitzer Institution werden“, sagt Bussmann. Vor allem soll Casus präsent sein, zum Beispiel mit Besprechungen draußen vor dem Haus, aber auch mit Vorträgen, bei denen die eigene Forschung öffentlich präsentiert wird. „Wir machen derzeit eine Ideensammlung, was wir noch alles tun können, um sichtbar zu werden“, sagt Bussmann. Auf jeden Fall soll das Interesse der Bevölkerung geweckt werden.

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