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Stillstand im Freitaler Stadtkulturhaus

Direktorin Angelika Schminder managt die Krise – gemeinsam mit Lothar Brandau, der neuerdings ihr Chef ist.

Von Thomas Morgenroth
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Lothar Brandau ist der neue Vorsitzende des Kulturvereins Freital, der das Stadtkulturhaus bespielt.
Lothar Brandau ist der neue Vorsitzende des Kulturvereins Freital, der das Stadtkulturhaus bespielt. © Egbert Kamprath

Die Reise in das „Wunderland der Träume“ ist in den Juni verschoben, der „Zauber der Operette“ auf Ende Oktober, und die „Goldenen Egerländer“ spielen ihre Blasmusik nun nicht im Frühling, sondern erst im Herbst. Das sind für Angelika Schminder die guten Nachrichten in diesen Tagen. Nicht für alle Veranstaltungen jedoch, die sie streichen muss, hat Freitals Kulturhauschefin Ersatztermine finden können. Auch den seit Monaten ausverkauften Auftritt der Kabarettistin Katrin Weber hatte die Direktorin schon in den Schornstein geschrieben. „Aber wir haben nun Ende August noch eine Lücke in ihrem Kalender gefunden“, freut sie sich.

„Wir planen mit Hochdruck an den Verlegungen der Veranstaltungen und am neuen Spielplan“, sagt Angelika Schminder. Wobei der Leidensdruck immer größer wird. Angesichts der Prognosen zur Entwicklung der Corona-Pandemie scheinen mittlerweile selbst die Termine im Mai nicht mehr sicher zu sein. Aber wohin dann mit „Overbeck“ oder „Spirit of Smokie“? Solange es keine weiteren staatlichen Verbote gibt, will Angelika Schminder an diesen Terminen festhalten. Und sie hofft, dass die Gäste dem Haus treu bleiben. Die Eintrittskarten jedenfalls für die mit Ersatztermin abgesagten Veranstaltungen behalten ihre Gültigkeit. Bei einem ersatzlosen Ausfall will das Stadtkulturhaus das Geld für die Tickets zurückgeben.

Personell auf Sparflamme

Wie es der Zufall wollte, war es an einem Freitag, den 13., als die Direktorin die erste Veranstaltung wegen der vom Landratsamt in Pirna verfügten 100-Personen-Regel streichen musste. Die Landesbühnen Sachsen durften Lessings Schauspiel „Minna von Barnhelm“ am 13. März nicht mehr in Freital zeigen, damit war auch das vorzeitige Ende der diesjährigen Schultheaterwochen eingeläutet. Wenigstens die Premiere des Flüchtlingsdramas „Zilan B.“ am Tag zuvor durfte noch über die Bühne gehen.

Seitdem herrscht im Stadtkulturhaus Freital „absoluter Stillstand“, sagt die Chefin. Jedenfalls aus Sicht des Publikums. Hinter den Kulissen jedoch ist noch jede Menge Bewegung. Zwar sind auch bereits geplante Reparaturarbeiten vorsorglich abgesagt worden. Im Büro aber geht die Arbeit weiter, auch ein Hausmeister macht täglich vormittags und abends die Runde, um mögliche Schäden wie einen Rohrbruch rechtzeitig zu erkennen.

Personell aber kocht das Haus derzeit auf Sparflamme, aus Kostengründen und weil es tatsächlich weniger zu tun gibt. „Es ist uns trotzdem wichtig, dass immer jemand im Haus für Gäste und Veranstalter erreichbar ist“, sagt Lothar Brandau. „So bleiben wir präsent und bauen Vertrauen auf. Das brauchen wir für die Zukunft. Wir sind ja hoffentlich bald wieder da.“

Der 70-jährige Lokalpolitiker, der für die FDP im Freitaler Stadtrat sitzt, ist seit wenigen Wochen Vorsitzender des Kulturvereins Freital, der seit 2000 Träger des Stadtkulturhauses ist. Brandau folgt Wolfgang Bensch nach, der 2012 das Amt vom Gründungsvorsitzenden Manfred Härtwig übernommen hatte und jetzt aus gesundheitlichen Gründen ausscheidet. Brandaus Wahl in den ersten Tagen der Corona-Krise ging allerdings total unter, jedenfalls in der Öffentlichkeit. „Es gab tatsächlich wichtigere Dinge zu klären“, sagt Brandau.

Es sei ein „super Start“ gewesen, sagt der Freitaler und meint das nur teilweise ironisch. Als selbstständiger Bauingenieur ist Brandau in kaufmännischen Dingen fit. „Ich denke, dass ich diese schwierige Situation für den Verein gut meistern kann.“ Zunächst musste er die Kosten reduzieren, die auch ohne Veranstaltungsbetrieb anfallen. Die schmerzlichsten Entscheidungen, sagt Brandau, betreffen das Personal. Bei ihm geht es um rund zehn Pauschalkräfte und fünf Festangestellte, für die Brandau Kurzarbeitergeld beantragt hat. „Aber der Verein wird den Zuschuss vom Amt, der ja nur 60 oder 67 Prozent des Einkommens beträgt, auf 80 Prozent aufstocken.“

Verluste in fünfstelliger Höhe

Wie lange der Verein das finanziell durchhält, weiß er nicht. „Wir haben einen festen jährlichen Zuschuss von der Stadt und vom Kulturraum“, sagt er. Mehr als die Hälfte des Etats, der sich auf knapp 600.000 Euro beläuft, muss das Haus selbst erwirtschaften. Wenn da über Wochen sämtliche Veranstaltungen ausfallen, eigene wie eingemietete, fehlen ganz schnell hohe fünfstellige Beträge in der Kasse. Freitals Erster Bürgermeister Peter Pfitzenreiter habe ihm aber bereits signalisiert, dass die Stadt Verein und Stadtkulturhaus nicht im Stich lassen würde, wenn es zu finanziellen Engpässen käme. „Sonst müssten wir Insolvenz anmelden“, sagt Brandau.

Dabei lief es im Stadtkulturhaus gerade richtig gut. Angelika Schminder hatte letzten Herbst mit 42.300 Besuchern eine der erfolgreichsten Spielzeiten der vergangenen zehn Jahre bilanziert. Daran hat die Dresdnerin, die seit neun Jahren die Geschäfte führt, mit ihrer Programmgestaltung erheblichen Anteil. Immer wieder trifft sie mit neuen Formaten den Nerv des Publikums und holt beliebte Künstler auf die Bühne, die oft schwer zu buchen sind.

Wie Katrin Weber, die nun am 27. August im Freitaler Stadtkulturhaus aus ihrem Buch lesen will. Titel: „Sie werden lachen.“ Das scheint gewiss zu sein, freilich nur, wenn die Einschränkungen zur Verlangsamung der Ausbreitung des Coronavirus dann nicht mehr gelten. Das indes scheint momentan nicht gewiss zu sein.