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"Keine Panik schieben! Plan B entwickeln."

Wie geht es freien Künstlern wie der Tänzerin Katja Erfurth, denen Projekte wegbrechen und damit das Einkommen? Zuversicht ist angesagt.

Von Bernd Klempnow
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Katja Erfurth ist freie Tänzerin.
Katja Erfurth ist freie Tänzerin. © Max Messer

Alles für die Katz. Seit Monaten arbeitet die Dresdner Tänzerin Katja Erfurth an der Wiederaufnahme ihrer Choreografie "Die Tänze der E.". Kommende Woche sollte die Aufführung im Societätstheater sein. Wegen Corona abgesagt! Ebenso finden ursprünglich geplante Workshops und Projekte mit Schülern nicht statt. Es ist auch nicht absehbar, wann es wieder welche geben wird. "Ich kenne Talsohlen im Kalender, das Gefühl, nicht genau zu wissen, wie man finanziell über die Runden komt", sagt die frei arbeitende Künstlerin zu ihrer Situation, die auch die Situation vieler freier Kreativen ist. "Tröstlich ist, dass dieser totale Stopp nicht am eigenen Unvermögen liegt und dass es eine große Solidarität und viele Hilfen gibt. Zum Glück sind wir gut vernetzt und informiert."

Die Tänzerin, Jahrgang 1971, die einst im Ballett der Semperoper eine starke Figur abgab, arbeitet seit 23 Jahren freiwillig als Freie. Weil es der einzige Weg ist, "eigene tiefste und fundamentale Gefühle auszudrücken".  Ob ihre Soloabende, ob die Rekonstruktionen von bahnbrechenden Frauen-Tänzen, sie erreicht mit fantasievollen, oft märchenhaften Produktionen Jung und Alt. Was für schöne, abendfüllende  Arbeiten das sind, ist teilweise auf Youtube zu sehen.

Zudem engagiert sie sich für Tanz allgemein in der Stadt. Sie war einer der Motoren, dass die ehemalige Villa der legendären Tänzerin und Pädagogin Mary Wigman auf der Bautzner seit 2019 zu einem Haus für freie Bühnenkünstler profiliert werden kann. Noch ist alles im Auf- und Umbau, fehlt es an Infrastruktur. Doch die Villa bietet schon Probenräume zu sehr günstigen Kondition. Sie soll ein Ort des Austausches sein, Aufführungen wird es geben. Doch auch da bricht gerade zusammen. Katja Erfurth gehört zu einem Dreier-Leitungsteam und muss gegenwärtig Buchungen und Anfragen auf Einmietungen stornieren, berät Kollegen und sagt trotz allem: "Ich negiere nicht die Umstände, nehme aber die Situation an und versuche,  daraus den Blick zu weiten, was gut an der Situation ist. Ich schiebe keine Panik, sondern entwickle einen Plan B oder gar Plan C."

Gut sei, wie schnell und relativ unbürokratisch Stadt, Land und Bund den Selbstständigen helfen. Dresden zahlt eine Soforthilfe von 1.000 Euro, der Bund gibt über das Land zinslose Darlehen von bis zu 15.000 Euro aus, die drei Jahre nicht getilgt werden müssen. Und dann wird geprüft, ob der Darlehensnehmer überhaupt in der Lage ist, das Geld zurückzuzahlen, oder ob es ihm erlassen wird. "Solche Hilfe tröstet und bestärkt, diese Zeit durchzustehen und sich Gedanken über neue Wege nach der Krise zu machen."

Wer angesichts geschlossener Hochkultureinrichtungen wie Semperoper und Staatlichen Kunstsammlungen denkt, "na, wenn Erfurth und Kollegen als freie Künstler fehlen, geht es weiter“, der hat unrecht. Sachsens Kreativbranche vom Künstler bis zum Eventmacher ist eine Macht. Es gibt 10.000 Unternehmen mit über 70.000 Beschäftigten im Freistaat. Ihr Jahresumsatz beträgt um die drei Milliarden Euro. Und zugleich liegt ihr durchschnittliches Jahreseinkommen bei 17.500 Euro. Sicher haben sie nicht die Strahlkraft der Besuchermagneten, sind aber gerade mit ihren vielen, kleinen Anregungen wichtig für ein attraktives Gemeinleben. 

Trotz Zwangspause falle ihr die Decke nicht auf den Kopf, sagt Katja Erfurth. Neben der Arbeit für die Villa Wigman hat sie derzeit vor allem einen Vollzeitjob als Mutter. Drei Kinder, 5., 9. und 11. Klasse,  sind daheim, brauchen teilweise die Hilfe bei den Hausaufgaben,  wollen versorgt sein. Trotzdem knappst sich die Tänzerin Zeit für sich ab. Sie trainiert weiter. Aber sie verzichtet auf die kleine Filmchen, die jetzt viele Künstler über ihre Aktivitäten ins Netz stellen. "Das sind wichtige Lebenszeichen, aber es ist eben nur ein Behelf. Wir müssen irgendwann zurückkommen zu handwerklicher Qualität und uns wieder mit gesellschaftsrelevanten Fragen  auseinandersetzen." Für Katja Erfurth steht fest, ihr nächstes Projekt wird wieder eins mit Live-Musikern.