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Überraschung aus dem VW-Bus

Freitagabend ist Robert Kaiser am Elbufer und am Bahnhof gefragt. Er ist einer von sieben Radebeuler Sozialarbeitern. Über seinen neuen Dienstherrn wurde unter Räten heftig gestritten.

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© Arvid Müller

Von Peter Redlich

Radebeul. Wenn der grüne VW-Bus am Bahnhof in Radebeul-Ost oder am Panzersteg am Elbufer auftaucht, dann wissen Radebeuls Jugendliche, das ist kein Aufpasser. Robert Kaiser, 30 Jahre, ist einer von sieben Sozialarbeitern in der Stadt.

Vor gut einem Monat gehörte Robert Kaiser noch zur Stadt, war hier angestellt. Seit 1. August ist das nicht mehr so. Der Verein JuCo Soziale Arbeit gemeinnützige GmbH hat vorerst drei der Radebeuler übernommen. Im nächsten Jahr sollen weitere drei folgen. Hintergrund ist die Fördermittelvergabe, die vom Land für bestimmte Aufgaben nicht mehr an eine Stadt oder Gemeinde, sondern an freie Träger vergeben wird.

Den jungen Leuten am Elbufer ist das ziemlich schnurz, wer Robert Kaiser bezahlt. Sie grillen, trinken Bier oder Mixgetränke, mancher raucht auch was. Das sind die Jungs oder Mädchen, auf die der 30-Jährige ein besonderes Auge wirft. Nicht mit Oberlehrerreden, sondern mit Geduld und lange aufgebautem Vertrauen. „Manche, die abhängig waren, sind in eine Therapie gegangen und haben es geschafft, von Drogen wegzukommen, andere nicht.“

Aber das ist nicht die eigentliche Jugendszene Radebeuls. Von den etwa 150 jungen Leuten, denen der jünger als 30 wirkende blonde Mann begegnet, haben viele einfach Lust auf Chillen. Manchmal mimt einer den starken Mann und zerschlägt seine Bierflasche oder prügelt sich, aus Frust, weil die Freundin weggelaufen ist. „Wenn reden hilft, dann biete ich das an – es ist immer eine Langzeitsache, etwas mit Vertrauen, sonst geht es gar nicht“, sagt Kaiser.

Mit dem Vertrauen beim Verschieben der Sozialarbeiter von einem Arbeitgeber, der Stadt Radebeul, zu einer gemeinnützigen GmbH nach Coswig, war das so eine Sache. Zum einen wollte die Stadt ihre guten Leute in ihrem Territorium behalten. In kaum einer Stadt im Kreis ist Jugendsozialarbeit so dicht aufgebaut wie in Radebeul – vom Schulhof bis ins Freizeitzentrum im Weißen Haus und dem Ratskeller an der Wilhelm-Eichler-Straße sowie mobil mit dem VW-Bus.

Zum anderen musste sich die Stadt per Vertrag trennen, damit das Geld für die Arbeit der jungen Leute weiter fließt. Allerdings: Ein städtischer Tarifvertrag mit Überstunden und Spätstunden bezahlt, auch mit Weihnachtsgeld ist nicht immer der gleiche wie bei einem Verein.

Diese Hintergründe waren es auch, die unter Stadträten zu heftigen Diskussionen führten. Vor allem die Vertreter von SPD und Bürgerforum/Grüne sorgten dafür, dass der geplante nahtlose Übergang von Radebeul zur Juco beinahe geplatzt wäre. Nur mit einer Sondersitzung des Stadtrates Ende Juli konnte die Übernahme der Sozialarbeiter bei der Juco und deren Einsatz in Radebeul im Stadtrat beschlossen werden. „Ausgerechnet die Vertreter jener Fraktionen, denen die Mitsprache so wichtig war, fehlten dabei“, gab es Kritik von Räten wie von Gästen der Extra-Ratssitzung in der eigentlichen Sommerpause.

Es geht zum Beispiel um 50 000 Euro Fördermittel für Schulsozialarbeit, klärte Sozialamtsleiter Elmar Günther die Bürgervertreter auf. Das Geld werde ab 2017 nur noch an freie Träger gezahlt. Über die Inhalte der Sozialarbeit habe die Stadt jedoch weiterhin die Hoheit, beteuerte Günther.

Von den Räten der Linken kam der Vorschlag, die Stadt solle sich an der Juco gGmbH beteiligen. Das wurde abgelehnt. Die CDU schlug vor, sich im Aufsichtsrat oder Fachgremien zu beteiligen. Das soll geprüft werden.

Diskussion im Hintergrund des Übereinkommens zwischen Stadt und Juco Coswig, die die jungen Männer und Frauen nur am Rande berührt hat. Für Robert Kaiser zählt freilich auch, dass er ordentlich und nicht schlechter als bisher bezahlt wird. Zuerst allerdings sein Job am Bahnhof oder den Elbwiesen bei den jungen Radebeulern. Und wenn er vom grünen VW-Bus die Kofferraumklappe öffnet und Mini-Tischtennisplatte, das Longboard, Bowl-Spiel und die Bälle rausholt, dann ist der Sozialarbeiter ohnehin einer ihnen.