Warum Videoüberwachung in Sachsen umstritten bleibt

Sie arbeiten geräuschlos, rund um die Uhr und sehr effizient, so lange sich nur Personen im Sichtbereich ihrer Objektive befinden: Videokameras der Polizei auf öffentlichen Straßen und Plätzen in Sachsen. Kritiker sehen darin oft eine Totalüberwachung, bei der Bürgerrechte schnell verletzt werden. Befürworter sind dagegen überzeugt, dass die Kameras – legal genutzt und eingesetzt – nicht nur ein Hilfsmittel zur Aufklärung von Straftaten sind, sondern auch eine abschreckende Wirkung gegenüber potenziellen Tätern haben.
Bisher 125 Einsatzorte in Sachsen
Einig sind sich beide Lager bis heute nicht. Dafür hat die Debatte zur Videoüberwachung im Freistaat noch einmal Fahrt zugenommen, seit Sachsens Grüne Teil der Landesregierung sind. Bisher standen deren Politiker dieser Technik nämlich sehr kritisch gegenüber.
So warnte der parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Valentin Lippmann, noch vor einem Jahr: „Mit der Videoüberwachung wird der Bevölkerung ein Sicherheitsversprechen gegeben, das nicht eingehalten werden kann.“ Ein Ruf, der in der heute schwarz-grün-roten Landesregierung bisher aber nicht erhört wird, im Gegenteil.
Mehrere parlamentarische Anfragen der Linksfraktion im Landtag sorgen jetzt für mehr Details über das Ausmaß der polizeilichen Videoüberwachung im Freistaat. Laut Innenminister Roland Wöller (CDU) waren demnach im vergangenen Jahr landesweit bereits an 105 Standorten Kameras aufgebaut, um öffentliche Räume zu kontrollieren. Rechtsgrundlage ist in diesen Fällen Sachsens Datenschutzgesetz.
Das erlaubt den Kameraeinsatz, wenn „dies jeweils zur Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe oder in Ausübung des Hausrechts erforderlich ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen betroffener Personen überwiegen“.
Doch auch das sächsische Polizeigesetz gestattet eine Videoüberwachung, wenn dies der Gefahrenabwehr dient. Aus genau dem Grund, so die Angaben des Ministers, waren zuletzt ganzjährig oder zumindest über längere Zeiträume auch Kameras an 20 weiteren Orten aufgebaut – darunter im Leipziger Hauptbahnhof, dem Leipziger linksalternativen Stadtteil Connewitz und dem Kriminalitätsschwerpunkt Eisenbahnstraße sowie auf vier Straßen in Görlitz. Kameraüberwacht wurden zudem auch Straßen und Plätze in Chemnitz und Dresden sowie in Torgau und Zwickau.
Kritik der Grünen ohne Folgen
Das hatte Grünen-Politiker Lippmann einst ebenfalls moniert: „Nach Teilen Leipzigs und der Chemnitzer Innenstadt ist nun Görlitz die nächste Stadt in Sachsen, in der Bürgerinnen und Bürger einer permanenten Überwachung ausgesetzt sind. Die Videoüberwachung greift in die Grundrechte Tausender Menschen ein, die zum Beispiel als Touristinnen bzw. Touristen über die Fußgängerbrücke in die Altstadt spazieren oder diese auf ihren täglichen Wegen passieren müssen.“ Aber auch dieser Einwand brachte bisher wenig bis gar nichts.
Dafür liegen nun erstmals Ergebnisse zur Effektivität der Kameraüberwachung vor. Allein an Standorten, wo sie aus Gründen der Gefahrenabwehr im Einsatz sind, wurden durch sie in Görlitz und Leipzig im Vorjahr 1.302 Straftaten festgestellt. Vor allem Drogendelikte, Diebstähle, Körperverletzungen sowie Sachbeschädigungen. In wie vielen Fällen davon die Täter aber tatsächlich auch gestellt wurden, ist völlig unklar. Eine entsprechende Statistik, so der Innenminister, werde nicht geführt.
Die Abgeordnete Kerstin Köditz, Sicherheitsexpertin der Linksfraktion, bleibt daher skeptisch. „Videoüberwachung schafft vor allem ein falsches Sicherheitsgefühl.“ Kriminalität werde man so nicht los, sondern sie verlagere sich mitunter bloß an andere, schlechter einsehbare Orte.
„Auch die Annahme, dass Kameras den Rundumblick der Polizei verbessern würden, ist schief. Meist wird ja gar nicht live zugesehen! Daher können Kameras auch keine Straftaten verhindern. Im besten Fall kann man sie nur besser aufklären – nachdem sie passiert sind, und auch nur, falls die Aufnahmen etwas taugen.“ Unterm Strich, so ihr Fazit, bringen Videoanlagen viel weniger, als oft angenommen wird. „Deshalb sind wir gegen eine Ausweitung.“