Vom Krankenhaus in die eigene Praxis

Kamenz. Das ging aber wirklich fix. Dipl.-Med. Andrea Coßmann aus Kamenz hatte sicherlich schon das ein oder andere Mal in den letzten Jahren darüber nachgedacht, bald in den verdienten Ruhestand zu gehen. Mit 65 Jahren keine Seltenheit, aber auch nicht immer Gang und gäbe in der Branche. Viele ihrer Kollegen arbeiten weit über das Rentenalter hinaus, um für ihre Patienten da zu sein. Einfach aus Mangel an einem Nachfolger. Doch als Olga Botschek im Frühling plötzlich in ihrer Praxis stand und Interesse zeigte, war die Freude verständlicherweise groß. Die beiden Ärztinnen fackelten also nicht lange. Und gingen in Planung. Am 14. Dezember 2018 verabschiedete sich Dipl.-Med. Andrea Coßmann von ihren treuen Patienten. Und am 2. Januar übernahm die junge Kollegin die Hausarztpraxis an der Macherstraße 102. „Ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt“, erzählt die 45-Jährige. „Allein schon wegen der Familie. Ich habe zwei Töchter. Eine davon ist erst vier. Nachtschichten und Wochenenddienste bis zum Lebensende? Nein, das wollte ich dann doch nicht. Auch wenn mich die Arbeit im Krankenhaus natürlich viele Jahre sehr geprägt und begeistert hat.“
Oberärztin bei den Maltesern
Die in Bischheim lebende Oberärztin arbeitete bis zuletzt im Malteser Krankenhaus Kamenz. Nach ihrem Medizinstudium in Nowosibirsk kam sie 1998 nach Deutschland. Als Spätaussiedlerin machte sie zuerst mit ihren Eltern in Brandenburg Station, bewarb sich dann aber schnell im Krankenhaus der Lessingstadt, wo eine Stelle frei war. Seit dem Jahr 2000 ist ihr beruflicher Werdegang eng verknüpft mit dem Haus. Zuerst war sie hier zwei Jahre lang Ärztin im Praktikum, später Assistenzärztin auf der Inneren Station. 2006 ging sie für ein Jahr ans Lausitzer Seelandklinikum, um sich dort in der Pneumologie umzutun. 2007 kam sie zurück und beendete ihre Assistenzärztinnenzeit in Kamenz. Zur Weiterbildung auf dem Gebiet der Gefäßmedizin ging es anschließend noch einmal in die Gefäßambulanz der Uniklinik Dresden. Um 2009 dann als Fachärztin für Innere Medizin wieder am Malteserkrankenhaus weiterzuarbeiten. Von 2009 bis 2018 war Olga Botschek Oberärztin auf dieser Station. „Meine Leidenschaft galt und gilt nach wie vor der Gefäßmedizin. Ich hatte mich auf den Ultraschall an Her, Venen und inneren Organen spezialisiert. Ohne diese Tätigkeit wollte ich auch nicht weiter arbeiten. Deswegen machte ich mir die Entscheidung nicht ganz leicht, eine Hausarztpraxis zu übernehmen, die diese Spezialisierung natürlich nicht mit einschließt“, sagt Olga Botschek. Verständlich, wenn man für seine Arbeit brennt.
Schwerpunkt Ultraschalldiagnostik
Doch hier kamen ihr die anderen ansässigen Kollegen zu Hilfe. „Ich sprach mit der Kassenärztlichen Vereinigung und wir starteten eine Umfrage bei den anderen Praxen, ob sie den Bedarf einer speziellen internistischen Versorgung sehen. Und das taten sie“, freut sich die 45-Jährige heute. Denn die Wartelisten für einen Termin auf spezielle Ultraschalldiagnostik der Gefäße, des Herzens sowie der inneren Organe in einem Krankenhaus sind oft lang. „So kann ich mich für die Patienten vor Ort einbringen. Und mein Praxisschwerpunkt hilft auch den Kollegen weiter“, so Olga Botschek. Vorerst für zwei Jahre erhielt die Ärztin eine Sondergenehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung. Dann muss sie sich neu bewerben.
Viel Zeit blieb in den ersten Wochen freilich noch nicht für ihr Steckenpferd. „Ich muss mich erst einmal einarbeiten, die eigenen Patienten kennenlernen. Am Ende des Jahres konnte ich nur noch ein paar Tage bei Dr. Coßmann hospitieren, damit ich die groben Abläufe kennenlernte“, sagt Olga Botschek. Im Januar kamen an manchem Tag 60 bis 100 Patienten. Die Grippewelle lief an. Im Winterhalbjahr gibt es immer viel zu tun. Und einige Veränderungen standen ebenfalls an. Die gesamte IT-Technik wurde umgestellt, neue Geräte angeschafft. Künftig sind in der Praxis Langzeit-EKG, Langzeit-Blutdruck, Lungenfunktionsdiagnostik und Belastungs-EKG möglich. Neben Deutsch spricht die in Kasachstan geborene Ärztin übrigens noch immer ihre Muttersprache Russisch sehr gut.
Mehr Zeit für die vierjährige Tochter gab es bislang leider nur am Wochenende. Doch alles wird sich einspielen. Einige Pläne und Ideen gibt es noch. Was die Zukunft bringt, wird das laufende Jahr zeigen.