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Vom Schwarz- zum Vorzeigeangler

Eine Legende im Castingsport: Der Limmritzer Hans-Hermann Haft hat Generationen von Werfern ausgebildet.

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© Dietmar Thomas

Von Dirk Westphal

Jeder Angler in der Region kennt ihn, jeder Castingsportler in Sachsen, im Osten Deutschlands und seit mittlerweile fast drei Jahrzehnten auch die Elite der Trocken- angler in den alten Bundesländern: Hans-Hermann Haft von der TG Westewitz. Als Fünfjähriger begann er mit dem Angeln, hatte mit 13 seine ersten Erfolge als Übungsleiter im Turniersport und gewann als Trainer mit seinen Schützlingen wie kein anderer im Altkreis Döbeln DDR-Meistertitel, Deutsche Meistertitel sowie Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften. Damit scheint der Limmritzer, der im kommenden Jahr seinen 70. Geburtstag feiert, prädestiniert für die Kategorie „Legenden“ im Rahmen der 20. Sportlerwahl des Döbelner Anzeigers 2017.

„Ich finde, es ist eine Ehrung für jene, die wirklich etwas geschafft haben im Sport, die aber nun auch schon oft in die zweite Reihe zurückgetreten sind“, sagt Haft dem Döbelner Anzeiger und gibt zu: „Natürlich habe ich mich über die Nominierung gefreut. Es macht mich stolz, dass mein Wirken nicht vergessen ist, wobei das nicht der Sinn unserer Arbeit gewesen sein kann.“

Als der damalige Schwarzangler Hans-Hermann Haft am Schützen in Limmritz von Kontrolleur Dressel aus Keuern am Schlafittchen gepackt wurde, meldete ihn sein Vater 1959 in Döbeln im Verein an.

Am Anfang steht eine Drohung

„Seitdem bin ich organisierter Angler“, schmunzelt Haft und fügt an: „Mit schwer zusammengebissenen Zähnen hat mein Vater gedroht: Wenn das nur ein Strohfeuer ist, dann findest du dich nicht wieder!“ Aber es blieb kein Strohfeuer.

Mit dem Casting begann Haft als Jugendlicher, als er bereits in Limmritz eine Truppe Jungs im Angeln trainierte. „Weil die so saumäßig warfen, habe ich mit denen Casting trainiert“, so Haft. Er selbst hatte bereits bei einem Endausscheid in Schkeuditz damit Bekanntschaft geschlossen und die Möglichkeiten der verschiedenen Disziplinen erkannt. Im Anschluss traten die Limmritzer bei der Kreismeisterschaft und -spartakiade an und sammelten zum Leidwesen der favorisierten Konkurrenz aus Waldheim und Roßwein reichlich Medaillen ein.

„Das hat mir gefallen, das muss ich ehrlich sagen“, erzählt Haft. Später wurde der gelernte Dreher Hochseefischer und hatte zwischen den Fangfahrten Zeit, seine Schützlinge weiter zu trainieren. „Die waren, weil sie gut werfen konnten, wirklich gute Angler und zudem im Casting Spitze“, so Haft, dem es irgendwann zuviel wurde, nur Erfolge einfahren zu müssen, ohne dass es eine Förderung gab. Deshalb wechselte Haft zur Grundorganisation Wendishain, wo er nichts mehr mit Jugendarbeit zu tun haben wollte.

Allerdings dauerte es nicht lange und er wurde überredet, wieder einzusteigen. Wie es seine Art ist, gab Hans-Hermann Haft Gas und die Wendishainer räumten gegen die hoch dotierten Limmritzer, so wie diese vorher, alles ab. Es folgten Bezirksmeisterschaft und -spartakiade. „Mit Angeln ist Schluss, ich kann nur auf einem Pferd reiten“, setzte Haft danach Prioritäten, da ihm die Heimlichtuerei im Turnierangeln nicht zusagte. „Ich habe dann Caster kennengelernt, da ging es ehrlich und fair zu. Das gefiel mir mehr.“

Ab 1980 machte er Wendishain zu einer der besten Adressen im Turnierangelsport der ehemaligen DDR. Delegierungen zu Trainerlehrgängen folgten, Wettkampfreisen mit seiner Mädchenmannschaft. „In Seifhennersdorf haben wir mit unseren selbstgebauten Ruten den vierten Platz beim Pionierpokal gemacht. Ich war stolz wie ein Spanier“, sagt Haft und fügt an: „Damals war ich auch weitaus verbissener. In der Trainingsarbeit und bei allem rundherum. Da kann ich heute nur noch müde drüber lächeln. Aber es hat Erfolge eingebracht.“ So ließen die Wendishainer bei DDR-Meisterschaften künftig nichts mehr anbrennen. Haft wurde Mitglied im Trainerrat und bildete darüber hinaus selbst Trainer aus.

Nach der Wende wurde aus der Ortsorganisation Wendishain die TG Westewitz/ESV Lok Döbeln. Trotz finanzieller Probleme ging es weiter. „Und erst richtig los“, wie Haft sagt, „die erste Europameisterschaft 1990 im Westen mit der DDR-Nationalmannschaft war natürlich ein Erlebnis.“ Damals war sein Sohn Torsten mit dabei und Hans-Hermann Haft mächtig stolz, als dieser Vizeeuropameister wurde. So entwickelte der Limmritzer seine Truppe immer wieder weiter.

16 auf einen Streich

Mit Genugtuung erzählt er von der ersten Deutschen Meisterschaft, als seine Schützlinge 16 Medaillen abräumten. Und auch später gewannen immer wieder neue Sportler eine Unzahl an Medaillen bei nationalen und internationalen Meisterschaften. „Nachwuchstrainer ist aber natürlich auch ein ganz undankbarer Job. Irgendwann gehen die Sportler zum Studium oder in die Lehre und du musst dir neue suchen“, sagt Haft, der vor zehn Jahren in die zweite Reihe zurücktrat, sich aber immer noch um die Technik kümmert.

„Der Grund war die Verantwortung. Ich war mit den Kindern von der französischen bis zur dänischen Grenze unterwegs zu großen Wettkämpfen. Es ist Gott sei Dank nie etwas passiert. Das ist mir irgendwann aber bewusst geworden und ich habe mir gesagt, du musst mit 60 Jahren nicht mehr mit Kindern und Jugendlichen durch die Welt ziehen“, sagt Haft. „Früher haben wir uns amüsiert über Übungsleiter, die Rentner waren und haben gesagt, dass uns das nicht passiert. Heute sind wir selber soweit.“ Seinen Nachfolger, Ronald Schönberg, warf er allerdings nicht ins kalte Wasser, sondern schickte ihn auf Trainerschule. Allerdings hat dieser, wie vorher der Routinier selbst, mit Problemen der Nachwuchsgewinnung zu kämpfen, sodass sich Hafts sportliches Lebenswerk irgendwann wohl in alle Winde zerstreuen wird.

In ostdeutschen Trainerkreisen dagegen greift Hans-Hermann Haft regelmäßig zur Wettkampfroute. Gerade beim Übungsleiterpokal in Freiberg würde es verwunderte Blicke geben, wenn er da nicht aufschlüge. „Das mache ich auch gerne, da gibt es immer ein riesiges Hallo“, sagt Haft, der aufgrund gesundheitlicher Probleme aber nur noch bestimmte Disziplinen mitwirft. Denn das, was er ein Leben lang gemacht hat, würde er weiterpflegen wollen, so lange es gehe.

Aber er zeigt sich auch traurig, weil die Perspektive seiner Sportart ganz düster sei. „Es wird immer weniger, auch international. Wenn ich die Ergebnisse sehe, und vergleiche das mit unserem damaligen Niveau, dann geht das nur bergab. Aber überall, auch die starken Nationen wie Tschechien und Polen lassen Federn, von uns Deutschen ganz zu schweigen.“, sagt Hans-Hermann Haft nachdenklich und fügt an: „Auch weil die Leistungsbereitschaft erschreckend gesunken ist. Die jungen Leute lassen sich gerne Titel und Medaillen um den Hals hängen, sind aber nicht bereit, entsprechende Leistungen dafür zu bringen. Das ist nicht nur im Casting der Fall, sondern, denke ich, überhaupt im  Sport.“