SZ +
Merken

Vom Vorzeigebetrieb zum Insolvenzkandidaten

Der Rothenburger Pellethersteller Eko Energy produziert nicht mehr. Wie konnte es so weit kommen?

Von Frank-Uwe Michel
Teilen
Folgen
NEU!
Bei Eko Energy am Flugplatz Rothenburg geht im Moment nichts mehr. In den Trocknungsanlagen (Bildmitte) kam es zu einer Verpuffung, auch das Spänesilo (links) war betroffen.
Bei Eko Energy am Flugplatz Rothenburg geht im Moment nichts mehr. In den Trocknungsanlagen (Bildmitte) kam es zu einer Verpuffung, auch das Spänesilo (links) war betroffen. © André Schulze (Archiv)

Es herrscht Ruhe auf dem Grundstück von Eko Energy. Wo sonst mit Holz und Pellets beladene Lkw ein und aus fuhren, jagen sich jetzt höchstens noch ein paar Eichelhäher. Produziert wird hier nichts mehr – sehr zum Ärger der ehemaligen Beschäftigten, die den Niedergang des Unternehmens mit ansehen mussten, aber nicht verhindern konnten. Vor allem nach dem Brand am 24. Juli habe sich die Situation zugespitzt, berichten zwei frühere Mitarbeiter, die lieber anonym bleiben wollen. Zur Bekämpfung der Flammen waren rund 50 Feuerwehrleute aus sieben Wehren zum Einsatz gekommen. Rothenburgs Stadtwehrleiter Torsten Juckel berichtete der SZ damals von einer Verpuffung in den Trocknungsanlagen, bei der sich Holzspäne entzündet hätten. Auch ein Spänesilo sei in Mitleidenschaft gezogen worden. Zur Ursache konnte Juckel damals nichts sagen, vermutete jedoch die anhaltende Trockenheit als möglichen Grund. Ausschlaggebend war für ihn aber die hohe Konzentration von Stäuben, die immer eine gewisse Verpuffungsgefahr mit sich brächte. Die Polizei hat unterdessen für Aufklärung gesorgt. Laut Sprecher Thomas Knaup ist ein technischer Defekt für den Feuerausbruch verantwortlich gewesen. Eine möglicherweise vorsätzliche Brandstiftung habe in den Untersuchungen, die von der Kriminalpolizei inzwischen abgeschlossen wurden, nie eine Rolle gespielt.

Die beiden Mitarbeiter erzählen von einer schlimmen Lage nach dem Brand. Am 14. August habe es eine Betriebsversammlung gegeben. Bei der hätten sie erfahren, dass das Unternehmen rückwirkend zum 1. August Kurzarbeitergeld beantragt habe. „Zu dieser Zeit wurde schon nichts mehr hergestellt im Pelletwerk“, erzählt einer der beiden Ex-Beschäftigten des Rothenburger Unternehmens. Die kaputten Trocknungsanlagen seien unverzichtbar für die Produktion gewesen, ohne sie das Pressen von Pellets völlig unmöglich. Als von dem Feuer verursachte Schadenssumme hätten unter den Kollegen 1,5 Millionen Euro die Runde gemacht.

Am 12. September habe sich die Lage noch einmal verschlechtert, so der Insider weiter. Denn: „An diesem Tag hat die Enso dem Betrieb den Strom abgestellt.“ Das möchte Claudia Kuba, die Sprecherin der Energie Sachsen Ost AG, weder bestätigen noch dementieren. Dies sei eine interne Angelegenheit und falle unter den Datenschutz. Sie macht aber deutlich, dass – wenn es zur Kündigung gekommen sei – dem mehrfache Mahnungen vorausgegangen sind. Generell müsse die weitere Stromlieferung wirtschaftlich so risikoreich sein, dass dem Stromanbieter die Lieferung nicht mehr zuzumuten ist.

Die Stromabschaltung blieb nicht ohne Auswirkungen. „Hatten wir bis dahin schon fast keinen Kontakt mehr mit der Geschäftsleitung, brach er danach völlig ab. Nun funktionierte nicht einmal das Telefon mehr“, erzählen die beiden früheren Eko-Energy-Beschäftigten, die zu dieser Zeit bereits zu Hause waren und auf Informationen aus dem Unternehmen hofften. „Ein paar Leute haben auf dem Betriebsgelände noch saubergemacht, den anderen ging es so wie uns.“

Am 17. August hatte die Internetplattform Euwid, ein europäischer Wirtschaftsdienst über Holz und Holzwerkstoffe, darüber informiert, dass am 30. Juli Peter H. Leibold die Geschäfte bei Eko Energy in Rothenburg übernommen und damit seinen Sohn Michael abgelöst hatte. Dieser habe das Pelletwerk seit April 2017 geleitet, so das Branchenportal. Genau ab diesem Zeitpunkt hätten die Probleme im Betrieb begonnen, berichten die beiden Ex-Beschäftigten. „Von da an gab es nur noch selten pünktlich Lohn. Mal kam er zwei oder drei Tage später, mal drei Wochen.“ Über die Hälfte der Kollegen habe seit Juli 2018 nichts mehr überwiesen bekommen. Deshalb seien einige vor Gericht gegangen und hätten wegen der ausstehenden Zahlungen geklagt. Nach Ansicht der beiden Insider sei das Unternehmen produktionstechnisch auf Verschleiß gefahren worden. „Reparaturen, kleine Brände, kurzzeitige Ausfälle, Stillstand – all das war keine Seltenheit.“ Man sei das Gefühl nicht losgeworden, „dass das hier den Bach runtergeht.“

Ende Oktober sind die verbliebenen Mitarbeiter des Pelletwerkes gekündigt worden. Den Spänevorrat habe man nach Löbau umgelagert, nur noch Hackschnitzel für den Betrieb des Kraftwerkes befänden sich auf dem Gelände, erzählen die beiden Rothenburger, die das Geschehen rund um ihren ehemaligen Arbeitgeber weiter interessiert verfolgen.

Die Geschichte vom Pellet- und Biomassekraftwerk hat in den vergangenen Jahren einige überraschende Wendungen erlebt. Einst entstand hier die Firma Sachsen Pellet als Vorzeigeprojekt der Förderpolitik im Freistaat. 2010 ging das Unternehmen in Insolvenz und wurde an den in Kasachstan geborenen Düsseldorfer Artur Steinbrecher und dessen Firma Eko Energy verkauft. Seine Geldgeber blieben jedoch im Ungefähren. Die SZ berichtete im Juli 2014 darüber, dass die im zyprischen Limassol ansässige Ekoinvest Limited Gesellschafter sei. Dahinter steckten russische Oligarchen, so die Recherchen. Es sei möglich, dass die Firma zur Wäsche von Schwarzgeld genutzt werden solle.

Im März 2017 trat Peter H. Leibold mit seiner Familie auf den Plan. Anfang des Monats meldete der Branchendienst Euwid, dass die Leibold nahe stehende Propell AG zum 1. März Eko Energy übernommen habe. Wörtlich heißt es in der Veröffentlichung: „Nach bislang unbestätigten Angaben soll der bisherige Gesellschafter von Eko Energy, die Ekoinvest Limited mit Sitz in Zypern, im Rahmen eines Share-Deals sämtliche Unternehmensanteile für einen mittleren Millionenbetrag an die Propell veräußert haben.“ Sucht man jedoch den Namen der Firma im Internet, landet man unweigerlich auf der Seite der Mitteldeutschen Pellet Vertrieb GmbH (MPV), bei der Leibolds Tochter Kathrin Wiedmer die Geschäfte führt. Wie eng beide Firmen miteinander verknüpft sind, verdeutlicht eine Stellenanzeige jüngst in der Sächsischen Zeitung. Da wird für den Löbauer Standort der Propell AG – auch dort gibt es ein Pellet- und ein Biomassekraftwerk – ein neuer Betriebsleiter gesucht. Auf einer Jobsuche im Internet wirbt das Unternehmen überdies um Elektriker, Mechatroniker, Maschinen- und Anlagenfahrer.

Leibold gilt als schillernde Figur im Geschäft mit nachwachsenden Rohstoffen. Der gelernte Industriekaufmann, der nach eigenen Angaben unter anderem als Verlagsleiter und -geschäftsführer tätig war und sich auch bei der Gründung eines Privatradios in Thüringen engagierte, ging 1998 als Geschäftsführer der in Wismar ansässigen Klausner Nordic Timber GmbH, die zur österreichischen Klausner-Gruppe gehörte. Die wiederum gründete 2004 die Klausner Holz Sachsen in Kodersdorf. 2005 machte er sich selbstständig und baute die Firma German Pellets auf, den nach eigener Darstellung weltweit größten Produzenten und Händler von Holzpellets mit maximal 19 Standorten in Deutschland, Österreich und den USA. Am 10. Februar 2016 musste das Unternehmen allerdings Insolvenz anmelden. Seitdem sah sich Leibold mit Anzeigen wegen Insolvenzverschleppung und Betrugs konfrontiert. Sein Konzern wurde in viele Einzelteile zerschlagen.

Um Insolvenz geht es inzwischen auch in Rothenburg. Nach Angaben von Dr. Dirk Wittkowski von der deutschlandweit agierenden Rechtanwaltskanzlei Henningsmeier liegt ein die Firma Eko Energy betreffender Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vor. Der in Dresden ansässige Anwalt tritt als Gutachter und vorläufiger Verwalter auf. Den Auftrag dazu habe er in der vergangenen Woche bekommen, erläutert der Jurist. Er bestätigt, dass aktuell nichts mehr passiert in dem für eine Jahresproduktion von 120 000 Tonnen Pellets und 20 000 Tonnen Holzbriketts ausgelegten Unternehmen. Auch das Biomassekraftwerk habe seinen Betrieb eingestellt. Die Mitarbeiter seien alle gekündigt worden. Ausschlaggebend für die derzeitige Situation sind nach seinen vorläufigen Erkenntnissen die Folgen des Brandes vom 24. Juli.

Wittkowskis Aufgabe ist es nun, die tatsächliche finanzielle Situation des Pelletherstellers zu erforschen und herauszufinden, ob das Insolvenzverfahren wirklich eröffnet werden muss. Dazu gab es in den vergangenen Tagen bereits ein Gespräch mit Peter Leibold. Bis Ende des Jahres, davon geht der Anwalt aus, könnte Klarheit über die Umstände des Niedergangs der Rothenburger Firma herrschen.