SZ +
Merken

Warum ein sächsisches Top-Talent in die USA geht

DSC-Mittelstreckler Jonathan Schmidt erhält ein hoch dotiertes Sportstipendium in Columbia. Das gefällt nicht allen.

Von Alexander Hiller
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Ein Dresdner in Amerika: Jonathan Schmidt posiert im Football-Stadion seiner neuen Universität Missouri.
Ein Dresdner in Amerika: Jonathan Schmidt posiert im Football-Stadion seiner neuen Universität Missouri. © privat

Er gilt als eines der wenigen deutschen Top-Talente auf den Mittelstrecken. Doch in den nächsten fünf Jahren wird Jonathan Schmidt vom Dresdner SC kaum auf deutschen Leichtathletik-Meetings zu sehen sein. Das hat mit einer nicht ganz unriskanten persönlichen Entscheidung des 19-jährigen Blondschopfes zu tun. Jonathan Schmidt hat am Dienstag einen Fünfjahresvertrag für ein Sportstipendium an der University of Missouri in Columbia unterzeichnet. Das Finanzvolumen des Vollstipendiums für den Zeitraum von 2019 bis 2024 beträgt knapp 200 000 US-Dollar.

„Ich bekomme da drüben alles, was ich brauche, bezahle nichts für Ausrüstung, Bücher, Trainingslager, Ernährung oder für meine Mietwohnung auf dem Campus“, berichtet Schmidt, der vor vier Wochen für zehn Tage in den USA gastierte und sich dort zwischen drei Universitäten entscheiden konnte. „Missouri ist in den Staaten bekannt für ein gutes Journalismus-Studium, akademisch eine Top-Adresse. Sportlich ist das ein sehr junges Team mit vielen neuen Athleten. Ich denke, dass sich dort was entwickeln wird, dazu will ich natürlich meinen Beitrag leisten ab nächsten August“, sagt Schmidt. Der deutsche U-20-Meister über 1 500 Meter will bis dahin noch ein gutes Abitur am Sportgymnasium Dresden abschließen und ein ordentliches erstes Jahr im Männerbereich absolvieren.

Ein Neustart nach Tod der Trainerin

Den Vertrag hat Schmidt ohne die üblichen Agenturen abgeschlossen. „Ich denke, meine sportlichen Leistungen sind gut genug“, erklärt er. Das klingt sehr selbstbewusst für einen gerade mal 19-Jährigen. Schmidt weiß aber genau, was er will – und was nicht. Dafür hat auch seine im Mai 2018 an Krebs verstorbene Trainerin Katja Hermann gesorgt. „Jonathan ist ehrgeizig, fleißig, zielstrebig, egoistisch. Das ist ein Läufer durch und durch, den weckst du nachts und sagst: Zwölf Kilometer! Da fragt der dich: nach rechts oder links“, beschreibt Trainerin Erika Falz den Läufer, den sie während dieses emotionalen Ausnahmezustandes behutsam begleitete.

Für Schmidt ist der Weg in die Staaten auch deshalb eine Art Neustart. „Ich habe dort immer einen, mit dem man laufen kann, und zwei bis drei Coaches, was für mich natürlich gerade nach dem letzten Jahr sehr schön ist, dort etwas Neues zu beginnen und die Situation in Dresden hinter mir zu lassen“, sagt Jonathan Schmidt.

Der startet auch künftig für seinen Heimatverein Dresdner SC. „Das war mir wichtig“, sagt der gebürtige Magdeburger. Allerdings werden sich die Auftritte im Klubdress minimieren. „Ich komme immer Anfang Juni aus den Staaten rüber, und dann muss ich sehen, ob ich noch fit bin und Lust habe, dann laufe ich noch ein paar Rennen in Deutschland. Deutsche Meisterschaften sind immer interessant“, betont Schmidt. „Ich will zeigen, dass ich mich bei diesem Schritt weiterentwickle“.

Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) steht solchen Auslandsstipendien offenbar kritisch gegenüber, was nachvollziehbar wäre, denn Jonathan Schmidt ist für fünf Jahre aus dem direkten Entscheidungs- und Zugriffsbereich des Dachverbandes verschwunden. Das Talent verliert im September 2019 seinen Kaderstatus. „Der DLV ist nicht der größte Fan solcher Aktionen, weil es natürlich auch ein gewisses Risiko mit sich bringt und man die eigenen Talente gern hier halten und entwickeln möchte“, unterstreicht Schmidt. Dessen zuständiger Bundestrainer Andreas Michallek aus Leipzig reagierte aber offen auf die Entscheidung des Dresdners. Der Bundestrainer war am Mittwoch für die SZ nicht zu erreichen. „Er weiß, dass das kein voreiliger Entschluss war und ich mich hoffentlich für gute Hände entschieden habe“, sagt Schmidt. Der wird in den USA auch nicht vollkommen anders trainieren. „Ich nehme Trainingspläne mit, das wird kein radikaler Schnitt. Ich werde nichts aufgeben, was bisher gut funktioniert hat. Ich habe auch noch Trainingspläne von Frau Hermann, auf die ich immer wieder zurückgreife“, sagt er.