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Warum Niesky Einwohner verliert

Vor allem die Stadt und Kosel sind betroffen. In den anderen Ortsteilen sind die Menschen bodenständiger.

Von Steffen Gerhardt
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Die Einfahrt zum Rathaushof in Niesky
Die Einfahrt zum Rathaushof in Niesky © SZ-Archiv / André Schulze

Es werden weniger Nieskyer in Niesky. Ein Trend, der sich bis in dieses Jahr nachverfolgen lässt. Nach dem Jahr 2010 ging die Zahl der Einwohner in den vierstelligen Bereich zurück, nachdem Ende 2010 noch 10 196 Nieskyer gezählt werden konnten. Zum Jahresende 2018 waren es noch 9 609 Einwohner laut Stadtverwaltung. 

Einbezogen sind dabei die vier Ortsteile der Stadt. Wobei in diesen die Zahlen der Einwohner recht unterschiedlich sind. Folgen die Ortsteile Kosel und Ödernitz der Stadt Niesky im Abwärtstrend, so kann See auf eine relativ stabile Einwohnerzahl in den jüngsten Jahren verweisen. Stannewisch hat als einziger Ortsteil eine Tendenz nach oben (siehe Grafik).

Niesky verliert weniger als andere

Eine Entwicklung, die sich bis auf wenige Ausnahmen in fast allen Städten und Gemeinden des Landkreises vollzieht. Betrachtet man nur den aktuellen Bevölkerungsrückgang vom 31. Dezember 2017 zum 31. Dezember 2018, so liegt die Stadt Niesky im Kreisvergleich auf einem der hinteren Plätze. Laut dem Statistischen Landesamt Sachsen schrumpfte die Zahl der Einwohner in Niesky in einem Jahr um 0,4 Prozent, was 42 Menschen weniger ausmacht. Andere Kommunen sind stärker betroffen, wie die Stadt Ostritz mit Minus 2,2 Prozent (50) oder Weißkeißel mit Minus drei Prozent (40).

Auf Niesky geschaut sieht Oberbürgermeisterin Beate Hoffmann diesen Trend als Folge der demografischen Entwicklung. „Es sterben mehr Menschen als Neugeborene hinzukommen“, sagt sie. Denn dass Niesky als einst berühmte Gartenstadt zum Wohnen nicht attraktiv ist, kann und will die Oberbürgermeisterin so nicht stehenlassen. Im Gegenteil. Bei der jetzt von der Stadt initiierten Umfrage zum neuen Stadtentwicklungskonzept kommt das Wohnen in Niesky bei den meisten Teilnehmern sehr gut weg. Auch der Trend, dass die Menschen der Arbeit hinterherziehen, steht für Niesky nicht mehr als Problem. „Es hat sich umgekehrt, die Leute finden hier Arbeit und bleiben damit auch hier“, schätzt Beate Hoffmann ein.

Dass Wohnen in der Stadt Niesky attraktiv ist, das bestätigen die beiden größten Wohnungsvermieter in der Stadt: die GWG und die Wobag. Die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft und die Wohnungsbaugenossenschaft verweisen auf einen Leerstand von jeweils fünf Prozent. Eingerechnet sind dabei auch Wohnungen, die derzeit nicht vermietbar sind.

Zum Wohnen gehören aber nicht nur schmucke vier Wände und viel Grün vor der Haustür. Auch das Umfeld muss stimmen beziehungsweise die Erwartungen der Bürger erfüllen. Dass in Niesky wieder Personenzüge halten, ist ein Vorteil. Dass spätabends kaum noch Busse von und nach Niesky fahren, bleibt ein Nachteil. Dieser verschärft sich in den Ortschaften. Stadtrat Sandro Simmank spricht von seinem Heimatort Kosel. Besonders in Bezug auf junge Familien ist Kosel für sie nicht attraktiv genug. „Die Busanbindung ist schlecht, wir haben keine Schule, ein Spielplatz fehlt. Das sind alles Dinge, die junge Eltern in ihre Entscheidung einbeziehen, wenn sie sich für einen Wohnstandort entscheiden“, sagt der Koseler.

Stadtentwickler auch für die Orte

Die Statistik scheint Sando Simmank recht zu geben. In den vergangenen vier Jahren sind 36 Menschen von Kosel weggezogen. in den vier Jahren davor waren es nur 15. Ende 2018 hatte der Ortsteil nur noch 356 Einwohner. Kosel steht zu sehr hinten an, ist der Vorwurf Simmanks an die Stadt. Aus diesem Grund forderte er schon in früheren Stadtratssitzungen einen Stadtentwickler, der sich nicht nur um die Kernstadt, sondern auch um die Ortsteile kümmert. „Uns fehlt ein Visionär, der mit seinen Ideen Niesky insgesamt voranbringt“, sagt Simmank. So ein Mensch muss endlich gefunden und eingestellt werden. Das setzt voraus, dass die Stadt den finanziellen Freiraum hat, um sich einen Stadtentwickler leisten zu können. Gegenwärtig sieht es aber nicht danach aus.

© SZ-Grafik

Frank Mrusek als Stadtrat und stellvertretender Oberbürgermeister ist überzeugt, dass die Landbevölkerung bodenständiger ist als die Städter. „In den Dörfern ist der Eigentumsanteil sehr hoch und die Leute wohnen sehr lange in ihren Häusern und auf ihren Höfen“, sagt er. Diese Erfahrung deckt sich auch mit der aus seiner Arbeit als Versicherungsfachmann. Denn zieht die Oma aus oder stirbt sie, bleibt das Haus oft nicht lange leer, weil sich Familienangehörige oder neue Käufer finden, die einziehen. Und je besser die Infrastruktur ist, umso weniger Leerstand gibt es.

Dabei geht es nicht nur um den Erhalt bestehender Häuser, sondern auch um den Bau neuer. Nach einer gewissen Stagnation hat die Stadt Niesky in den jüngeren Jahren neues Bauland ausgewiesen und so für einige Neubauten im Stadtgebiet gesorgt. Auch in See hat sich an der Oberen Siedlung einiges getan, sind neue Eigenheime dazugekommen. Das spiegelt sich in der Einwohnerzahl wider. Sie ist in den letzten acht Jahren mit rund 1 090 Bürgern fast gleichgeblieben. See hat also die Balance hinbekommen zwischen Abgängen und Neuzugängen. Noch deutlicher fällt sie in Stannewisch aus. Hier sind in den vergangenen vier Jahren zehn neue Bürger eingezogen und haben den weiteren Abwärtstrend umgekehrt. Ende 2018 zählte Stannewisch 175 Einwohner.

Umstrittene Begrüßungsgeschenke

Neue Bürger mit kleinen Geschenken locken, das sind die Vorschläge von Sandro Simmank und Frank Mrusek. Das bringen beide immer wieder auch im Stadtrat an. Die Stadt Görlitz macht es vor, auch für Neugeborene. „Warum sollte man einer jungen Mutti und ihrem Kind nicht eine Jahreskarte für das Waldbad und den Görlitzer Tierpark in die Hand drücken?“, fragt Mrusek. Das bringt auch den Einrichtungen etwas, wenn der Ehemann und vielleicht Geschwisterkinder mitkommen und ihren Eintritt bezahlen.

Für Oberbürgermeisterin Beate Hoffman sei das zwar eine nette Geste, dennoch lehnt sie städtische Begrüßungsgeschenke ab. Zum einen fehlt der Stadt das Geld und zum anderen bietet Niesky nicht so viele Einrichtungen zur Auswahl wie die großen Städte wie Görlitz.

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