SZ + Bautzen
Merken

Was sollen die grünen Kreuze auf dem Feld?

Landwirte haben sich einem Protest gegen das Agrarpaket angeschlossen. Sie ärgert auch der schlechte Ruf ihrer Branche.

Von Kerstin Fiedler
Teilen
Folgen
NEU!
Gegen das im September beschlossene Agrarpaket der Bundesregierung protestieren in diesen Tagen deutschlandweit viele Landwirte, indem sie grüne Kreuze auf ihre Felder stellen. Auch Matthias (l.) und Antonius Rebisch aus Dreikretscham machen damit auf die
Gegen das im September beschlossene Agrarpaket der Bundesregierung protestieren in diesen Tagen deutschlandweit viele Landwirte, indem sie grüne Kreuze auf ihre Felder stellen. Auch Matthias (l.) und Antonius Rebisch aus Dreikretscham machen damit auf die © Steffen Unger

Dreikretscham. Matthias Rebisch und sein Vater Antonius sind Landwirte mit Leib und Seele. Sie bewirtschaften einen Traditionsbetrieb in Dreikretscham, die Ackerbaugesellschaft Am Schwarzwasser. Aber seit die Bundesregierung kürzlich das Agrarpaket verabschiedet hat, sind sie ziemlich sauer. Genau wie viele andere Landwirte – und das nicht nur im Kreis Bautzen, sondern deutschlandweit. Zu viele Vorschriften, zu viele Reglementierungen seien darin verankert. Deshalb stellen sie seit etwa einem Monat als stillen Protest grüne Holzkreuze auf. Auf die Aktion mit den Kreuzen stieß Matthias Rebisch im Internet. Und merkte, dass der Familienbetrieb nicht allein mit den Problemen steht.

Hervorgegangen ist die Idee durch einen Blogger, einen ehemaligen Landwirt, der sich selbst Bauer Willi nennt. Er schreibt über die Probleme der Landwirte, über Themen aus der Landwirtschaft und die Politik, die er zur Diskussion stellt, um mit den Menschen in Kontakt zu treten. So jedenfalls hat das bei einigen Landwirtschaftsbetrieben in der Region gewirkt. „Wir finden uns in sozialen Netzwerken, haben Whatsapp-Gruppen oder sind anderweitig vernetzt“, sagt Matthias Rebisch. Und so stieß die Idee mit den grünen Kreuzen bei ihnen auf offene Ohren. Sechs solcher grünen Holzkreuze hat der Betrieb an prägnanten Feldrändern aufgestellt.

Stefan Triebs, Geschäftsführer der Saritscher Agrargesellschaft und Vorsitzender des Regionalbauernverbands Bautzen-Kamenz, ist im Deutschen Bauernverband schon länger in der Diskussion wegen der nun festgelegten Richtlinien im Agrarpaket. „Es werden Beschränkungen besonders beim Pflanzenschutz eingeführt, die der Landwirtschaft nicht guttun“, sagt Triebs. Und sie werden offenbar mehr vom grünen Tisch aus geregelt. Das finden auch Matthias und Antonius Rebisch. „In der Öffentlichkeit wird immer gesagt, dass die Bienen sterben, weil wir Pflanzenschutzmittel spritzen“, sagt Matthias Rebisch. Doch der 39-Jährige entgegnet, dass sie ja so zeitig mit dieser Arbeit beginnen, wenn die Bienen noch gar nicht fliegen. Oder eben nachts. Die Hauptkrankheit der Bienen, eine Milbe, kommt auch nicht daher, dass die Landwirtschaftsbetriebe Glyphosat verwenden, sagen die Landwirte. „Das haben uns die Imker bestätigt“, sagt Matthias Rebisch. Und sein Vater ergänzt, dass ihm mittlerweile Imker gesagt haben, dass ihre Bienen nicht genug Nahrung finden, weil weniger Raps angebaut wird. Das liegt laut Rebisch daran, dass die Beize, ein Pflanzenschutzmittel, nicht mehr in der bisherigen Form eingesetzt werden darf. „Das Mittel hat den Sämling oder die Jungpflanze geschützt. Das Saatgut mit der Beize kommt direkt in die Erde. Bienen kommen mit dem Mittel also gar nicht in Berührung“, erklärt der 70-Jährige. Jetzt dürfen sie aber Pflanzenschutzmittel sprühen – welch ein Widerspruch, finden die beiden. „War nicht die Argumentation so, dass zu viel Raps die Insekten sterben lässt“, fragt Antonius Rebisch. 20 bis 30 Prozent weniger Raps wurde in den vergangenen drei Jahren angebaut. Und das ärgert die beiden Männer besonders: „Es werden Fakten verschwiegen, manche Wissenschaftler werden gar nicht gehört oder man spricht einfach nicht miteinander.“ Außerdem gäbe es EU-Vorschriften, die gar nicht in jedem europäischen Land eingehalten und angewendet werden.

Restriktive Vorschriften

In den Ämtern, so die Erfahrung, gibt es gerade einen Generationswechsel. Haben diejenigen, die bisher dort Entscheidungen trafen, noch eigene Erfahrungen aus der Landwirtschaft, so sitzen jetzt in vielen Fällen studierte Fachleute dort, die eher ihre theoretischen Kenntnisse anwenden. Und dann sei es eben ärgerlich, wenn die Landwirte ständig zum Buh-Mann gemacht werden, obwohl sie gar nichts dafür können. Zu oft werden Dinge vermittelt, die nicht oder nur halb stimmen, machen sich die beiden Männer Luft. Wenn sie zum Beispiel Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat einsetzen, dann in einer Dosis, die nur so hoch ist, wie unbedingt nötig. „Die Stoffe sind ja auch teuer, warum sollen wir dann auf Teufel komm raus so etwas verteilen“, fragt Matthias Rebisch. Aber weil eben die Vorschriften so restriktiv sind, sinkt der Ertrag, sagt er. So soll es beispielsweise ein nationales Verbot für die Anwendung von Glyphosat bis Ende 2023 geben und bereits ab dem kommenden Jahr der Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels um 75 Prozent vermindert werden. Das heißt, der Ertrag sinkt weiter, wenn es keine Alternativen gibt. „Wir sind froh, dass, wenn sich der Jahreskreis schließt, es gerade so reicht für alles“, sagt Antonius Rebisch. In Dreikretscham arbeiten fünf Leute, davon ein Lehrling. Bewirtschaftet wird eine Fläche von 700 Hektar für den eigenen Betrieb und 200 Hektar als Lohnarbeit für andere.

Für die beiden Bauern wäre es auch wichtig, dass in den Schulen wieder mehr Fakten über die Landwirtschaft vermittelt werden. „Meine Enkel können im Kindergarten und der Schule mehr berichten, als es Erzieher oder Lehrer weitergeben können“, schmunzelt Antonius Rebisch dann doch ein bisschen. „Ich würde gern in Schulen über unsere Arbeit berichten und über das, was uns da so vorgeworfen wird, diskutieren“, sagt der Senior. Und bringt das Beispiel mit dem CO2-Ausstieg. „Wenn das die Schüler auf ihren Demos fordern, frage ich mich immer, ob sie schon einmal etwas von Photosynthese gehört haben“, sagt Matthias Rebisch. Er sagt, dass ganz andere Stoffe gefährlich sind oder noch vor 30 Jahren waren. „Mittlerweile sind ja manche Flüsse so sauber, dass dort kein Fisch mehr leben kann“, so Rebisch. Er ist froh, dass sich mittlerweile viele Bauern an der stillen Protestaktion beteiligen.