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Wenn die klare Sicht verloren geht

Was tun beim Grauen Star? Die SZ sprach darüber mit Christian Dempe von der Augenklinik Bautzen.

Von Irmela Hennig
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Klare Sicht – wer am Grauen Star erkrankt ist, hat sie nicht. Eine Operation kann da helfen.
Klare Sicht – wer am Grauen Star erkrankt ist, hat sie nicht. Eine Operation kann da helfen. ©  Wolfgang Wittchen

Herr Dr. Dempe, wie viele Menschen sind denn vom Grauen Star betroffen?

Es handelt sich beim Grauen Star um eine Erkrankung des Alters. Je älter man wird, umso mehr trübt sich die Linse ein. Die Sehschärfe und das Kontrastempfinden nehmen ab, die Blendungsempfindlichkeit nimmt zu. Das ist ein normaler Prozess. Davon ist letztlich jeder betroffen. Eine Operation ist zu empfehlen, wenn die Sehschärfe deutlich nachgelassen hat beziehungsweise die subjektiven Beschwerden des Patienten durch erhöhtes Blendungsempfinden beziehungsweise reduziertes Kontrastsehen ihn in seinem Alltag deutlich einschränken. Manche Patienten warten mitunter jedoch sehr lange, ehe sie einen Arzt aufsuchen.

Weil sie es gar nicht merken?

Beim Grauen Star laufen die Prozesse normalerweise langsam ab. Die Menschen gewöhnen sich daran. Sie merken erst nach der Operation, wie gut sie plötzlich wieder sehen können. Anders verhält es sich beispielsweise bei einer akuten Durchblutungsminderung des Sehnervs oder der Netzhaut, bei der der Betroffene ganz plötzlich eine Sehverschlechterung wahrnimmt.

Gibt es eigentlich ein „zu spät“ beim Grauen Star?

Nein, ein „zu spät“ gibt es in dem Sinne nicht. Es ist eigentlich immer möglich, die trübe Linse operativ aus dem Auge zu entfernen. Allerdings ändert sich unter Umständen bei sehr trüber Linse die Operationsmethode: In der Regel wird sie heutzutage mit Ultraschall zerkleinert, im Fachterminus als Phakoemulsifikation bezeichnet, und anschließend abgesaugt. Danach wird eine neue, künstliche Linse eingesetzt. Wartet der Patient sehr lange, bis er sich operieren lässt, muss die Linse unter Umständen im Ganzen entfernt werden, da eine Zerkleinerung nicht mehr möglich ist. Dies ist ein größerer Eingriff und traumatischer für das betroffene Auge.

Sie hatten die Anzeichen für den Grauen Star schon erwähnt, auf was genau sollten die Menschen achten - was signalisiert: Achtung, vielleicht leide ich am Grauen Star?

Die Sehschärfe nimmt ab – Betroffene gehen dann häufig erst zum Optiker in der Erwartung, eine neue Brille zu benötigen. Kann dieser durch eine Brillenanpassung keine bessere Sehschärfe erreichen, leitet er die Patienten direkt an den Augenarzt weiter. Andere Zeichen sind eine erhöhte Lichtempfindlichkeit, man fühlt sich also schneller geblendet. Es fällt den Betroffenen auch oft schwerer, Kontraste wahrzunehmen, Farben erscheinen nicht mehr so kräftig. Man hat eine Art gräulichen Schleier vor den Augen.

Kann man der Erkrankung vorbeugen?

Grundsätzlich nicht, weil es Teil des Alterungsprozesses ist. Allerdings gibt es einige Fälle von Grauem Star, die unabhängig davon auftreten, zum Beispiel nach einer Entzündung des Auginneren, einer sogenannten Uveitis, nach einem Schlag auf das Auge oder nach langjähriger Einnahme von Cortison. Diese Patienten haben ein erhöhtes Risiko, vorzeitig am Grauen Star zu erkranken. Sie sollten deswegen regelmäßig zum Augenarzt gehen, der bei entsprechenden Anzeichen eine Operation empfehlen wird. Im Übrigen sind auch Menschen, die beruflich mit infraroter Strahlung in Berührung kommen, gefährdet, frühzeitig einen Grauen Star zu entwickeln. Sie sollten daher ihre Augen unbedingt vor dieser Strahlung schützen, indem sie geeignete Schutzbrillen tragen.

Wenn eine Operation nötig wird, muss der Patient dann längere Zeit ins Krankenhaus?

In der Regel wird ambulant operiert. Es gibt Ausnahmen, bei denen eine stationäre Behandlung sinnvoll ist, beispielsweise wenn der Patient am anderen Auge erblindet ist bzw. sehr schlecht sieht, wenn er bereits an dem betroffenen Auge operiert wurde oder wenn der Augeninnendruck instabil ist. Die Entscheidung, ob ambulant oder stationär wird im Zweifelsfall individuell getroffen und mit dem Patienten vor der Operation besprochen.

Und betäubt wird dann örtlich?

Prinzipiell ja – entweder durch Tropfen oder aber durch eine Betäubungsspritze, bei der das Lokalanästhetikum neben beziehungsweise hinter das Auge gespritzt wird. Aber auch hier gibt es Ausnahmen, bei denen sich Arzt und Patient beziehungsweise dessen Betreuer für eine Vollnarkose entscheiden. Das kann der Fall sein bei Personen, die aufgrund einer Demenz oder einer Behinderung für eine lokale Betäubung nicht geeignet sind, aber auch sogenannte Angstpatienten, für die eine Standardbetäubung zu schwierig ist.

Wie schnell kann man nach einer OP wieder sehen?

In der Regel stellen die Patienten bereits am ersten Tag nach der Operation beziehungsweise im Laufe der ersten Woche danach eine deutliche Verbesserung der Sehschärfe fest. Liegen jedoch zusätzlich andere Augenerkrankungen vor, beispielsweise im Bereich der Netzhautmitte beziehungsweise ein weit fortgeschrittener Grüner Star, kann die Sehleistung auch nach der Operation unter Umständen noch deutlich eingeschränkt sein. Häufig ist die Operation dann nicht mit dem Ziel der Sehverbesserung gerechtfertigt, sondern im Zuge der Drucksenkung im Falle des Grünen Stars oder der besseren Beurteilung der Netzhaut bei linsenbedingt reduziertem Einblick.

Sind immer beide Augen gleich stark vom Grauen Star betroffen?

Das ist häufig so, muss aber nicht sein. Bei einem Grauen Star anderer Ursache – wie erwähnt, zum Beispiel nach einem Schlag auf ein Auge – ist es nicht so. Aber auch im natürlichen Alterungsprozess der Linsen können Seitenunterschiede auftreten.

Kann dieser Star wiederkommen?

Nein, ist die Linse vollständig entfernt worden, kommt es nicht erneut zu einer Grauen-Star-Entwicklung. Was allerdings auftreten kann, ist der sogenannte Nachstar. Für den Patienten zwar in dessen subjektivem Empfinden ähnlich, trübt sich hier jedoch anders als beim Grauen Star nicht die Linse, sondern das hintere Blatt der Linsenkapsel ein, das bei der Grauen Star Operation erhalten bleibt. Nimmt die Sehleistung ab, kann der Nachstar mittels einer Laserbehandlung oder seltener durch eine Operation behandelt werden. Im Übrigen kann auch die Kunstlinse selbst eintrüben, dies ist jedoch bei den aktuellen Modellen deutlich seltener als früher. Tritt eine Trübung der Kunstlinse ein, kann diese in einer zweiten Operation entfernt und durch eine neue klare Kunstlinse ersetzt werden.

Darf man nach einer OP dann wieder Autofahren, wenn es vorher vielleicht nicht mehr möglich war?

Hierbei sind mehrere Faktoren zu beachten, die nachoperative Sehschärfe einerseits, aber auch, ob Gesichtsfelddefekte vorliegen. Im Zweifel ist immer eine Rücksprache mit dem behandelnden Augenarzt zu empfehlen.

Was ist eigentlich der Unterschied zum Grünen Star?

Beim Grünen Star handelt es sich um eine Erkrankung des Sehnervens, der mit einem charakteristischen Gesichtsfeldverlust einhergeht. Therapeutischer Ansatz hier ist die Senkung des Augeninnendruckes in einem Zielbereich, in dem die Erkrankung nicht fortschreitet. Dies geschieht entweder durch Augentropfen, die den Augendruck senken, eine Laserbehandlung oder eine OP.

TIPPS UND INFORMATIONEN

Erster Ansprechpartner für Menschen, die eine Verschlechterung beim Sehen feststellen, ist der Augenarzt. Wer vermutet, dass eine zu schwache Brille die Ursache für die Probleme ist, wird gegebenenfalls vom Optiker an einen Arzt verwiesen. Sollte der einen Grauen Star feststellen, wird an eine Klinik oder Ambulanz verwiesen, die Operationen durchführt. Zur Kostenübernahme gibt es Informationen bei den Krankenkassen.