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Wenn die Krankenkasse nicht zahlen will

Karlheinz Neubert aus Hohndorf streitet mit der Kasse über Fahrkosten zum Krankenhaus. Erst die SZ kann vermitteln.

Von Stephanie Wesely
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Freut sich, dass er mit Hilfe der Sächsischen Zeitung seine Taxikosten ins Krankenhaus ersetzt bekommen hat: Karlheinz Neubert aus Hohndorf bei Zwickau.
Freut sich, dass er mit Hilfe der Sächsischen Zeitung seine Taxikosten ins Krankenhaus ersetzt bekommen hat: Karlheinz Neubert aus Hohndorf bei Zwickau. © Thomas Kretschel

Selbst heute, mitten im Sommer, vergisst Karlheinz Neubert aus Hohndorf bei Zwickau den 10. Januar dieses Jahres nicht: Schneeverwehungen hatten den öffentlichen Nahverkehr fast zum Erliegen gebracht. Doch er musste elf Uhr im Krankenhaus Erlabrunn sein, das 43 Kilometer von seinem Wohnort entfernt lag. 

Der 82-Jährige hatte dem Termin lange entgegengefiebert, sollte doch nun mit einem neuen Hüftgelenk endlich Schluss mit den permanenten Schmerzen sein. Ausgerechnet an diesem Tag versank das Erzgebirge aber im Schnee. Ein Freund, der ihm versprochen hatte, ihn ins Krankenhaus zu fahren, hob die Hände. Seine Garage war zugeweht. Alles freizuschaufeln, hätte Stunden gedauert, doch die Zeit hatte Neubert nicht.

Ein Taxiunternehmen im Ort war bereit, den Rentner ins Krankenhaus zu bringen. Das übernehme die Krankenkasse, wurde ihm gesagt. Karlheinz Neubert wollte aber sichergehen und rief selbst bei seiner Krankenkasse – der Knappschaft – an. An der bundesweiten Service-Hotline erfuhr er, dass die Kosten übernommen werden, wenn eine ärztliche Verordnung für den Transport vorliegt. Doch die hatte er nicht. Also bezahlte er die Taxirechnung in Höhe von 86,90 Euro zunächst selbst, in der Hoffnung, sie nach der Operation erstattet zu bekommen. Denn sein Hausarzt, den er von der Klinik aus anrief, sicherte ihm zu, eine solche Verordnung nachträglich auszustellen.

Vier Wochen dauerte sein Klinikaufenthalt. Danach holte er sich seine Transportverordnung und reichte alles bei der Knappschaft ein. Die Antwort kam schnell, schon nach drei Tagen – eine Ablehnung. Neubert verstand das nicht, war ihm die Übernahme doch am Servicetelefon zugesichert worden. Deshalb legte er Widerspruch ein. Im Mai dann die Entscheidung: Aus rechtlichen Gründen könne dem Widerspruch nicht stattgegeben werden, da die ärztliche Verordnung erst mehr als vier Wochen nach der Taxifahrt ausgestellt worden war. Eine Klage vorm Sozialgericht stünde ihm aber frei, hieß es.

Er suchte immer wieder das Gespräch mit der Krankenkasse, wollte nochmals erläutern, warum die Fahrkostenverordnung erst so spät kam – denn er war schließlich allein, hatte niemanden, der das für ihn hätte übernehmen können. Doch keine Chance, er bekam sein Geld nicht zurück.

Krankenkasse lenkt ein

Karlheinz Neubert war schwer enttäuscht. „So geht man nun mit einem 82-jährigen Witwer um, der sein ganzes Leben lang gearbeitet und Beiträge gezahlt hat“, schreibt er in einem Brief an die SZ. Er fühlte sich in einer Ausnahmesituation, wie sie an diesem Wintertag herrschte, alleingelassen. „Kann sich denn in der Kasse niemand vorstellen, unter welchem Druck ich stand, um meinen OP-Termin einhalten zu können? Die Behandlung ausfallen zu lassen, hätte doch viel mehr Geld gekostet“, sagt er. Was hatte Karlheinz Neubert falsch gemacht, wollte die Sächsische Zeitung von der Knappschaft wissen. „Fahrkosten dürfen wir nur als Sachleistung zur Verfügung stellen“, sagt Wolfgang Buschfort von der Knappschaft. Dafür gebe es Verordnungsscheine, die der Arzt ausstellt, gegebenenfalls auch nachträglich, aber eben auch nicht so spät wie im Fall von Karlheinz Neubert.

Sachleistung heißt: Die Fahrten werden unmittelbar durch die Taxiunternehmen mit der Knappschaft abgerechnet. Versicherte dürfen nicht jedes Taxi nutzen – nur solche Unternehmen, mit denen die Kasse einen Vertrag hat. Das Taxiunternehmen, das Herr Neubert nutzte, hatte so einen Vertrag. Der Rentner hätte das Taxi also kostenlos nutzen und die ärztliche Verordnung beim Taxiunternehmen nachreichen können. Eine Rechnung jedoch, für die der Versicherte in Vorleistung gegangen ist, könne die Kasse nicht erstatten, erklärt der Knappschaftssprecher. Für Wolfgang Buschfort liegt die Verfehlung beim Taxiunternehmen, denn der Fahrer hätte den Versicherten auf die richtige Verfahrensweise aufmerksam machen können. „Wir hätten uns von ihm ein vertragsgemäßes Verhalten gewünscht.“

Nach den SZ-Anfragen teilt die Knappschaft schließlich mit: Den Versicherten für ein Fehlverhalten eines Dritten büßen zu lassen, „lässt sich nicht mit den kundenorientierten Qualitätsstandards unserer Krankenversicherung vereinbaren.“ Deshalb werde man dem Versicherten den Betrag nun doch erstatten.

Karlheinz Neubert freut sich sehr über das Einlenken der Krankenkasse. „So ist doch noch alles gut geworden“, sagt er. Denn die Operation sei sehr erfolgreich gewesen. „Ich arbeite wieder jeden Tag im Garten und habe keine Schmerzen mehr.“ Von dem Geld will er sich einen Schneeball-Strauch kaufen. „Der wird mich dann immer an den Wintertag erinnern, an dem ich gegen den Schnee um meine Hüftgelenk-OP kämpfte“, sagt er.

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