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Im Sommer erstes Stühlerücken an Sachsens Kabinettstisch

Nach der Landtagswahl in Sachsen stehen auf vielen Regierungsposten personelle Veränderungen an. Bei einem wichtigen Ministeramt sogar schon zuvor im Juni.

Von Annette Binninger & Gunnar Saft
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Regierungssitz und Machtzentrum: Rund um Sachsens Staatskanzlei unmittelbar am Elbufer in Dresden stehen im Wahljahr 2024 wichtige personelle Veränderungen an - die erste bereits in wenigen Wochen.
Regierungssitz und Machtzentrum: Rund um Sachsens Staatskanzlei unmittelbar am Elbufer in Dresden stehen im Wahljahr 2024 wichtige personelle Veränderungen an - die erste bereits in wenigen Wochen. © Robert Michael/dpa

Sachsens Politiker sind jetzt voll fixiert auf die Landtagswahl am 1. September. Je nach Ausgang stehen dann nämlich nicht nur schwierige Koalitionsverhandlungen an, sondern absehbar auch viele personelle Änderungen auf wichtigen Regierungsposten. Interne Personalpläne gehören deshalb längst zu den heiß diskutierten Themen in jenen sächsischen Parteien, die sich Hoffnungen auf eine erneute oder erstmalige Regierungsbeteiligung machen.

Etwas im Schatten des erwarteten Stühlerückens nach der Landtagswahl steht jedoch eine wichtige Personaländerung innerhalb der Landesregierung, die schon weit zuvor getroffen werden muss: So setzt die CDU Sachsen bei der am 9. Juni anstehenden Europawahl auf einen der engsten Mitarbeiter von Parteichef und Ministerpräsident Michael Kretschmer.

Mit Oliver Schenk stellten die Christdemokraten den Chef der Staatskanzlei und damit einen ihrer Staatsminister als EU-Spitzenkandidat auf. Die hervorgehobene Platzierung dürfte dafür sorgen, dass der 2017 erstmals zum Staatsminister berufene 55-jährige Politiker das Landeskabinett kurz nach der EU-Wahl verlassen wird, um dann sein als äußerst sicher geltendes EU-Mandat zu übernehmen.

Oliver Schenk ist als EU-Spitzenkandidat aufgestellt - und könnte Sachsen verlassen.
Oliver Schenk ist als EU-Spitzenkandidat aufgestellt - und könnte Sachsen verlassen. ©  dpa/Sebastian Kahnert

Regierungschef Kretschmer, der einen solchen Orts- und Aufgabenwechsel für Schenk im Vorfeld kräftig mit anschob, hat jedoch längst vorgesorgt. Als ausgemacht gilt, dass dann mit Conrad Clemens ein anderer enger Vertrauter in die Staatskanzlei einzieht und zudem als neuer Minister noch vor der Landtagswahl am Kabinettstisch Platz nimmt. Das wird voraussichtlich bereits ab Mitte Juni erfolgen.

Der aus Herrnhut in der Oberlausitz stammende Clemens ist mit den sächsischen Politikverhältnissen bestens vertraut, auch wenn er bislang eher im Hintergrund agierte. So war der heute 41-Jährige von April 2018 bis Ende 2019 Landesgeschäftsführer der CDU Sachsen und damals vor allem für den Wahlkampf zuständig, bevor er zum Staatssekretär befördert wurde und seitdem als Bevollmächtigter des Freistaates Sachsen beim Bund arbeitet.

Conrad Clemens könnte in die Staatskanzlei einziehen.
Conrad Clemens könnte in die Staatskanzlei einziehen. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Wie langfristig jedoch seine Rückkehr direkt nach Sachsen vorbereitet wurde, zeigt, dass der offiziell immer noch in Berlin arbeitende Staatssekretär zur Landtagswahl im September als CDU-Direktkandidat im Görlitzer Wahlkreis 59 antreten wird – nicht zufällig die gemeinsame Heimatregion mit Michael Kretschmer.

Sachsens Kabinett: Veränderungen auf wichtigen Posten absehbar

Doch personelle Veränderungen sind innerhalb der Sachsen-CDU auch bei anderen wichtigen Regierungsposten absehbar, wenn auch erst nach der Landtagswahl. So gelten gleich zwei amtierende Staatsminister als Wackelkandidaten, was eine mögliche Wiederberufung in eine künftige Landesregierung betrifft, an der die Christdemokraten beteiligt sind.

Hartmut Vorjohann, Finanzminister von Sachsen, tritt aktuell auf die Sparbremse.
Hartmut Vorjohann, Finanzminister von Sachsen, tritt aktuell auf die Sparbremse. © dpa/Robert Michael

Der eine ist Finanzminister Hartmut Vorjohann, der dieses Amt 2019 übernommen hatte. Dem früheren Finanzbeigeordneten der Stadt Dresden wird inzwischen mangelnde politische Unterstützung unter anderem aus der einflussreichen CDU-Landtagsfraktion nachgesagt. Dazu kommt, dass der aus Nordrhein-Westfalen stammende Vorjohann von Kretschmer einst als ein weiterer „Ermöglichungsminister“ ins Amt gehoben wurde, heute jedoch angesichts immer engerer finanzieller Spielräume deutlich auf die Sparbremse tritt. Das gefällt nicht allen in seiner Partei und auch nicht den aktuellen Koalitionspartnern Grüne und SPD, was in der Summe für wenig Rückhalt im Dresdner Regierungsviertel sorgt.

Armin Schuster ist Innenminister von Sachsen.
Armin Schuster ist Innenminister von Sachsen. © dpa

Als nicht mehr zwingend gesetzt gilt zudem CDU-Innenminister Armin Schuster (62), den Kretschmer erst im April 2022 als Nachfolger für den zuvor von ihm gefeuerten Ex-Innenminister Roland Wöller nach Dresden holte. Schuster, zuvor viele Jahrzehnte als Bundestagsabgeordneter und Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz ein ausgewiesener Sicherheitsexperte, machte seine Sache nicht schlecht. Allein das wichtige Innenressort ist auch für andere Bereiche als nur Polizei und Katastrophenschutz zuständig. Gut möglich, dass Kretschmer künftig auf einen jüngeren Allrounder aus seiner Partei setzen will oder diesen wichtigen Spitzenposten nach der Wahl für einflussreichere CDU-Granden braucht.

Es gilt als unwahrscheinlich, dass Martin Dulig nach der Wahl noch einmal als Regierungsmitglied in Sachsen zum Zug kommt.
Es gilt als unwahrscheinlich, dass Martin Dulig nach der Wahl noch einmal als Regierungsmitglied in Sachsen zum Zug kommt. © dpa/Robert Michael

Was könnte sich bei SPD und Grünen tun?

Probleme, die nach der Wahl aber nicht nur bei den Christdemokraten auftauchen dürften. Auch die bisherigen Koalitionspartner Grüne und SPD müssen sich dann Gedanken über ihr künftiges Personaltableau machen, wenn auch unter verschiedenen Vorzeichen. So wird sich die SPD bei einem Verbleib am Kabinettstisch fragen müssen, wer dort eigentlich künftig ihren ehemaligen Landesvorsitzenden und langjährigen Staatsminister für Wirtschaft, Martin Dulig, als Minister ersetzen soll und kann. Denn dass Dulig nach der Wahl noch einmal als sächsisches Regierungsmitglied zum Zug kommt, ist sehr unwahrscheinlich.

Bei den Grünen stellt sich dann eher die Frage, wer von den eigenen Parteispitzen erneut auf einen sächsischen Kabinettsposten hoffen darf, denn mehr als die bisher zwei Ministerämter für Justiz und für Umwelt geben die aktuellen Wahlprognosen nicht her. Neben den bisherigen Amtsinhabern Katja Meier und Wolfram Günther drängt sich bei den Grünen aber längst auch die Fraktionsvorsitzende Franziska Schubert bei einer erneuten Regierungsbeteiligung als starke Option auf.

Wolfram Günther und Katja Meier sitzen aktuell am Kabinettstisch. Bei einer erneuten Regierungsbeteiligung wäre auch Franziska Schubert (r) eine mögliche Option.
Wolfram Günther und Katja Meier sitzen aktuell am Kabinettstisch. Bei einer erneuten Regierungsbeteiligung wäre auch Franziska Schubert (r) eine mögliche Option. © dpa

Amt des Landtagspräsidenten muss neu vergeben werden

Nicht zuletzt droht allen Parteien der zurzeit amtierenden Regierungskoalition nach dem 1. September noch ein gemeinsames Personalproblem. Da der bisherige sächsische Landtagspräsident Matthias Rößler (CDU) nicht mehr kandidiert, muss dieses enorm wichtige Amt, mit dessen Hilfe man einen großen Einfluss auf den Parlamentsbetrieb hat, neu vergeben werden. Hoffnungen macht sich hier sogar die AfD. Sollte sie tatsächlich aus der Landtagswahl als stärkste Einzelkraft hervorgehen, könnte sie zumindest dem bisher üblichen Verfahren nach auf diesen Posten bestehen.

Barbara Klepsch ist derzeit Kultur- und Tourismusministerin im Freistaat.
Barbara Klepsch ist derzeit Kultur- und Tourismusministerin im Freistaat. © dpa/Hendrik Schmidt

Intern gilt in Kenia-Koalition allerdings, dass man es niemals dazu kommen lassen will – entweder weil die CDU am Ende vorn liegt oder man einen AfD-Landtagspräsidenten mit der eigenen Stimmenmehrheit verhindert. Für diesen Fall werden auch schon Namen gehandelt. Als vermeintliche Favoritin von Michael Kretschmer für das Amt gilt demnach Kultur- und Tourismusministerin Barbara Klepsch. Sie wäre damit die erste Landtagspräsidentin im Freistaat. Bekannt ist aber auch, dass die CDU-Landesvize ihren gegenwärtigen Ministerin-Aufgaben sehr gern nachkommt.

Thomas Schmidt ist bislang Regionalentwicklungsminister in Kretschmers Kabinett.
Thomas Schmidt ist bislang Regionalentwicklungsminister in Kretschmers Kabinett. © dpa/Kristin Schmidt

Gut möglich, dass sich deshalb künftig auch andere CDU-Kandidaten ins Spiel bringen wie der heutige Regionalentwicklungsminister Thomas Schmidt. Dass der sich mehr zutraut als sein bisheriges Ressort, ist bekannt. Dass er in der Landes-CDU und sogar auf EU-Ebene bestens vernetzt ist, auch.