SZ +
Merken

Werden Schlammlawinen zum Dauerproblem?

Stark-Regen spült immer öfter große Mengen Erde von den Äckern. Die Möglichkeiten, sich zu schützen, sind begrenzt.

Teilen
Folgen
NEU!

Von Mario Heinke

Schlammlawinen haben die Feuerwehren am Wochenende in Atem gehalten. Allein in Zittau schätzt Bürgermeister Michael Hiltscher die Schäden im Bereich Humboldtstraße auf rund eine halbe Million Euro. Auch in Niedercunnersdorf, im Ortsteil Ottenhain und in Großschweidnitz musste die Feuerwehr ausrücken, weil der von den Äckern angeschwemmte Schlamm die Straßen verwüstete und Keller füllte. Während der Reinigungsarbeiten blieben einige Strecken zeitweilig gesperrt. Die SZ hat nachgefragt, ob sich derartige Überschwemmungen überhaupt verhindern lassen.

Die Zittauer Humboldtstraße am vergangenen Sonntagnachmittag. Nicht zum ersten Mal ist die Straße überschwemmt und muss vom Schlamm befreit werden. Foto: Thomas Eichler
Die Zittauer Humboldtstraße am vergangenen Sonntagnachmittag. Nicht zum ersten Mal ist die Straße überschwemmt und muss vom Schlamm befreit werden. Foto: Thomas Eichler

Kommen Schlammlawinen

immer häufiger vor?

Lokal begrenzte Starkregen mit extremen Niederschlagsmengen wird es zukünftig regelmäßig geben, prophezeien die Wetterexperten. Die aktuellen Ereignisse und die im vergangenen Jahr bestätigen diese Prognose. Allein im Juni 2013 ist die Löbauer Straße in Zittau viermal und die Oderwitzer Hauptstraße zweimal von Schlammlawinen überflutet worden. Die Schäden im gesamten Südkreis betrugen 2013 über 10 Millionen Euro. Aber auch in den Vorjahren gab es immer wieder überflutete Straßen nach Starkregen in Zittau, Eckartsberg, Ostritz, Dittelsdorf oder Hirschfelde.

Welche Schäden entstehen

bei den Bauern?

Die Zittauer Schlammlawine vom Wochenende hat nicht nur den Anliegern der überschwemmten Straßen, sondern auch der Agrargenossenschaft Bertsdorf-Olbersdorf beträchtlichen Schaden zugefügt. Wenige Tage vor dem Unwetter hatte die Genossenschaft Winterraps auf den von ihr bewirtschafteten Äckern gesät. Der Zeitpunkt des Unwetters sei deshalb besonders ungünstig gewesen. Durch das abfließende Wasser ist die Saat von Teilen der Äcker gespült worden, erklärt Vorstandsvorsitzender Harald Weickelt. Deshalb habe man bereits neues Saatgut im Wert von 4 000 Euro aufgetragen. Zusammen mit den Kosten für die Bestellung rechnet Weickelt mit einem Schaden von über 10 000 Euro. Der abgetragene Boden von den Straßen sei zum Teil wieder angeliefert worden und wird auf dem Betriebsgelände zunächst getrocknet, bevor er auf den Feldern verteilt wird.

Sind die Bauern selbst schuld, wenn der Acker fortgeschwemmt wird?

Besonders in Oderwitz, als sich das Wasser 2013 einen Weg von den Feldern am Fuße des Spitzbergs über die Hauptstraße in Richtung Landwasser bahnte, wurde den Landwirten vorgeworfen, dass die fehlende Entwässerung eine der Ursachen der Schlammkatastrophe sei. Das kann im Einzelfall stimmen, wenn Gräben fehlen, durch die Wasser abfliesen kann und die Felder bis an den Straßenrand bepflanzt sind. Auf Anfrage der SZ erklären mehrere Landwirtschaftsbetriebe aber, dass sie seit dem Hochwasser im Jahre 2010 intensiv im Maßnahmen investieren, die dem Schutz vor Schädigung der Felder dienen. Mit neuen Gräben, der Vergrößerung von Rohrquerschnitten oder Drainagesystemen soll das Abtragen der Böden durch abfließendes Wasser verhindert werden.

Was können Bauern gegen

die Schlammlawinen tun?

Das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie hat einen Maßnahmekatalog gegen die Bodenerosion durch Wasser zusammen gestellt. Durch Fruchtfolgegestaltung, Zwischenfrüchte, Untersaaten und den Auftrag von Strohmulch lässt sich die Abtragung der Böden durch Wasser minimieren. Hangabwärts gerichtete Fahrspuren und starke Bodenverdichtung hingegen sind zu vermeiden. Auch abflussbremsende Grasstreifen sowie die Unterteilung der Schläge durch Anpflanzungen von Gehölzen und das Anlegen von Feldrainen können Hanglängen verkürzen und das Abfliesen von Wasser verhindern, heißt es darin. Die Gegenmaßnahmen sind den Landwirten bekannt und teilweise in gesetzlichen Vorgaben, wie beispielsweise der Wasserrahmenrichtlinie und dem Bundesbodenschutzgesetz geregelt. Landwirte können zudem Fördermittel für eine Vielzahl von bodenschonenden Bewirtschaftungsverfahren erhalten, um wild abfließendes Wasser und Bodenerosion zu verhindern, erklärt das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium gegenüber der SZ.

Was sollten die Kommunen

gegen die Schlammlawinen tun?

Die Gefahrenabwehr von wild abfließendem Wasser ist eine Pflichtaufgabe der Städte und Gemeinden. Darüber hinaus haben die Eigentümer und Pächter von landwirtschaftlich genutzten Flächen gegen die bodenabtragende Wirkung geeignete Maßnahmen zu treffen, erklärt der Landkreis auf Anfrage. Die Kommunen können zum Schutz vor wild abfließendem Wasser beitragen. Beispielsweise durch den Neubau oder die Erweiterung von Rückhaltedämmen, die Pflanzung von Erosionsschutzstreifen sowie durch die Anlage von Flächen zur Versickerung von Niederschlagswasser. Dabei unterstützt der Freistaat die Kommunen durch die Förderung von Wasserwehrschulungen und durch die Ausrüstung von Wasserwehren finanzschwacher Kommunen, erklärt das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium in Dresden.

Ist gegen die Folgen des Starkregens

kein Kraut gewachsen?

Trotz aller Abwehrmöglichkeiten bleibt ein unkalkulierbares Risiko, wenn riesige Wassermengen in kurzer Zeit anfallen, so wie es am Wochenende der Fall gewesen ist. 65 Liter pro Quadratmeter Niederschlag hat ein Olbersdorfer am Sonnabend gemessen. „65 Liter am Tag wären kein Problem, das könnte der Boden aufnehmen“, sagt Harald Weickelt. Fällt die gleiche Niederschlagsmenge in ein oder zwei Stunden an, da helfen weder tiefe Gräben, dicke Abwasserrohre noch Pflanzungen. Nach dem Unwetter am Wochenende sei der Acker nur fünf Zentimeter tief durchfeuchtet gewesen. Der Großteil der Wassermassen sei abgeflossen, gar nicht erst in den Boden eingedrungen, so der Landwirt.

Auf ein Wort