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Wie die Friedersdorfer früher lebten 

Das Familien-Herbstfest am Freitag galt 600 Jahre Ortsgeschichte und dem Handwerk im Dorf.

Von Andreas Kirschke
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Norman Döring aus Radeberg zeigte das Sense-Dengeln. Von seinem Großvater Rudolf Gäbler in Schmorkau lernte er die Grundlagen.
Norman Döring aus Radeberg zeigte das Sense-Dengeln. Von seinem Großvater Rudolf Gäbler in Schmorkau lernte er die Grundlagen. © Foto: Andreas Kirschke

Friedersdorf. Geschont wurde keiner. Harte Handarbeit prägte früher die Landwirtschaft. „Jedes Tier musste als Zugmittel sorgfältig angelernt werden. Die Kühe wurden zwei- mal am Tag gemolken“, erfahren die Zuhörer. Am Freitag, beim 22. Familien-Herbstfest in der Naturschutzstation Friedersdorf, geht es um 600 Jahre Ortsgeschichte und altes Handwerk im Dorf. Historische Fotos und Filmdokumente – erstellt von Siegfried Dankhoff und Werner Aust – wecken Erinnerungen. Von Landwirtschaft, Tagebau und Krieg handelt der Rückblick. Er beleuchtet Feste, Traditionen und Bräuche.

Ebenso geht es um den „Rezeß von Friedersdorf“. „Nach jenem Dokument entstanden seit 1840 die 19 bäuerlichen Höfe im Ort“, sagt Werner Aust und betont: „Friedersdorf hat sich bis zur LPG-Gründung 1960 immer selbstständig ernährt. Es gab zahlreiche Landwirte im Ort. Bemerkenswert war: 1945 fanden viele Heimatvertriebene aus Schlesien Unterkunft im Dorf. Sie unterstützten die Friedersdorfer. Und die Friedersdorfer unterstützten sie.“ Auch daran erinnert am Freitag der Rückblick.

Marianne Drether war 1945 erst neun Jahre alt. „Wir sind mit dem Handwagen bis Oederan bei Freiberg geflohen“, erzählt die 83-Jährige. Der Rückblick zur Dorfgeschichte erinnert sie an die Schrecken des Krieges und der Flucht. Wie andere Ältere kennt sie noch typische sächsische Handwerksberufe. Ein Infostand in der Station verweist darauf. Liebevoll haben ihn Karin Happatsch und Birgitt Kieschnick gestaltet. Sie zeigen Berufe wie Eisengießer, Kesselschmied, Steinbrucharbeiter, Steinmetz, Glasmacher, Töpfer, Seiler und Weber. „Wir wollen sensibilisieren für die typischen sächsischen Handwerksberufe. Wir wollen verweisen auf das, was die Urgroßeltern und Großeltern geleistet haben. Sie haben Werte geschaffen, auf denen wir heute aufbauen“, sagt Karin Happatsch. 1993 bis 2009 arbeitete sie bei der Naturwacht. Heute ist sie ehrenamtliche Naturführerin. Gern unterstützt sie das Familien-Herbstfest. Seit 1997 lädt die Station Friedersdorf regelmäßig dazu ein.

„Dieses Jahr heißt das Thema altes Handwerk“, sagt Herbert Schnabel, Ranger im Biosphärenreservat. „Es ist unser Beitrag zum Geschichtsjubiläum 600 Jahre Friedersdorf. Wichtig ist uns, dass die Dorfbewohner sich erinnern und ihre eigene Geschichte erzählen. Daraus kann man viel lernen.“

Mit vielen Partnern organisiert er das Familien-Herbstfest. Die Friedersdorfer Frauen sorgen fleißig für Kaffee und Kuchen. Andere betreuen Stände wie „Kreativ mit Salzteig“, „Färben mit Naturmaterialien“, „Spinnen – selbst ausprobiert“, „Seilerei selbst ausprobiert“ und „Ausstellung landwirtschaftlicher Geräte“. Kerstin Robel, Regina Gruttke, Tochter Vanessa und weitere Kinder zeigen das Mitmach-Theaterstück „Die drei Ausreißer“. Reinhard Robel zeigt das (fast) vergessene Handwerk Hobeln. Mit der „Ranbank“ bearbeitet er Fichtenholz. Er verweist auf Geräte wie Bohrwinde, Zentralbohrer, Kimmhobel, Schabhobel und Simshobel. Er verweist auf John Seymours Buch „Vergessene Künste. Bilder vom alten Handwerk“. Norman Döring aus Radeberg zeigt das Sense-Dengeln. Von seinem Großvater Rudolf Gäbler in Schmorkau lernte er die Grundlagen. Später lernte er vor allem immer wieder durch selbst Probieren. Auf viele Fragen antwortet er Freitag beim Familien-Herbstfest. „Wichtig beim Sense-Dengeln ist: Man kombiniert stets ein schmales und ein breites Werkzeug; entweder breiter Amboss und schmale Hammerfinne oder schmaler Amboss und breite Hammerfinne“, erläutert er.

Die Bedeutung des Lichts

Unweit von ihm ist der Stand „Wie kam das Licht nach Friedersdorf?“. Siegfried Bläsche aus Weißkollm betreut ihn. Um die Geschichte und Bedeutung des Lichts geht es ihm. Er zeigt Lichtquellen wie offenes Feuer, Kienspan, Kerzenlicht, Öllampe, Petroleumlampe, Karbidlampe und elektrische Lampen. „1936 wurde das Wasserwerk Friedersdorf gebaut. Es wurde auch elektrifiziert. Damit kam der Ort ans Stromnetz“, schildert er. Mit Liedern zur Lichttechnik und mit viel Humor untermauert er die Geschichte. Dazu gehören „Und keiner soll sagen, er brauche kein Licht“, „Das Lied vom Silbersee“ und als Eigentext „Das Friedersdorfer Heimatlied“.

Friedersdorf mit der Naturschutzstation Östliche Oberlausitz ist heute wichtiger Standort im UNESCO-Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft. Dieses erstreckt sich auf 30 000 Hektar. Es reicht von Sprey im Norden bis Brehmen bei Großdubrau im Süden sowie von Groß Särchen im Westen bis Petershain im Osten. „Es ist nicht nur Naturschutzgebiet. Es ist Kulturlandschaft. Wir schützen sie mit den Menschen“, unterstreicht Dr. Jan Peper, Leiter des Referates Naturschutz in der Biosphärenreservats-Verwaltung. Dankbar ist er für den Standort Station Friedersdorf. „Wir wiederum sind dem Biosphärenreservat dankbar“, sagt Lohsas Bürgermeister Thomas Leberecht. „Die Mitarbeiter der Station bringen uns nicht nur die Natur nahe. Sie zeigen auch den Umgang mit der Natur auf. Und das trotz der Tatsache, dass wir in der Bergbaufolgelandschaft leben.“

Eigeninitiative wird gelebt

Die Geschichte des heute 180 Einwohner starken Ortes ist geprägt durch Wandel und Stagnation, verdeutlicht Thomas Leberecht. Immer wieder stellten sich die Einwohner den Herausforderungen. „Ihr seid für die Gesamtgemeinde Lohsa Vorbild im Gemeinschaftsgefühl, Vorbild im Gemeinschaftssinn“, meint der Bürgermeister am Freitag beim 22. Familien-Herbstfest. Dabei verweist er auf Initiativen wie die Niederschrift der Geschichte durch Siegfried Dankhoff und Werner Aust, auf engagierte Feuerwehr und Jugendfeuerwehr, auf die Dorffrauen und die Männergruppe. Letztere wertete unter anderem den Sportplatz auf. Sie betreut ebenso das Dorfgemeinschaftshaus. „Dafür sind wir dankbar“, meint Thomas Leberecht und bekräftigt: „Eigeninitiative wird in Friedersdorf tatsächlich gelebt.“