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Wie die Wahl die Verhältnisse verändert

Wer ist stärkste Kraft geworden? Wie viele Abgeordnete vertreten den Kreis Görlitz künftig in Dresden? Die SZ gibt die Antworten.

Von Sebastian Beutler
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Im Weißwasseraner Rathaus waren Dietmar Christoph und Dietmar Lissina am Sonntag für die Erfassung der Wahlergebnisse verantwortlich.
Im Weißwasseraner Rathaus waren Dietmar Christoph und Dietmar Lissina am Sonntag für die Erfassung der Wahlergebnisse verantwortlich. © Foto: Joachim Rehle

Landkreis. Es war ein langes Zählen. Erst gegen 23.45 Uhr hatte die Stadt Weißwasser das Ergebnis der Landtagswahl ausgezählt - in Sachsen dauerte es sonst nur noch in der Gemeinde Jahnsdorf (Erzgebirge) so lange. Am Ergebnis im Wahlkreis Niesky/Weißwasser änderte das aber nichts mehr. Die Landtagswahl hat auch im Wahlkreis Görlitz die seit 30 Jahren vorherrschenden politischen Verhältnisse kräftig durcheinander gebracht. Und doch gibt es ein paar Besonderheiten, die die SZ hier zusammenfasst.

Wie viele Abgeordnete vertreten den Landkreis Görlitz künftig in Dresden?

Neun Politiker, die im Landkreis Görlitz antraten, haben den Sprung nach Dresden geschafft. Die AfD wird im Landtag künftig mit vier Abgeordneten von der Neiße vertreten sein, die CDU und die Linkspartei mit jeweils zwei, die Grünen mit einer Abgeordneten. Bislang hatte der Kreis zehn Abgeordnete: vier von der CDU, zwei jeweils von Linkspartei und AfD und je ein Vertreter von Grünen und SPD.

Wer gewann die vier Direktmandate an der Neiße?

In Görlitz und in Zittau sicherten sich die CDU-Kandidaten Michael Kretschmer und Stephan Meyer souverän ihre Wahlkreise. Kretschmer lag am Ende mit über 2 700 Stimmen vor Mitbewerber Sebastian Wippel (AfD) vorn, Stephan Meyer wählten knapp 2 900 Bürger mehr als seinen Mitbewerber Christian Siegert (AfD). Wo die CDU keine erfahrenen Politiker aufstellte oder langjährige Landtagsabgeordnete nicht wieder antraten, machte die AfD das Rennen. So Mario Kumpf von der AfD in Löbau, der am Abend als erster direkt gewählter Landtagsabgeordneter im Landkreis Görlitz feststand. Der Löbauer Wahlkreis galt schon vor der Wahl als AfD-sicher: Hier hatte die Partei früh hohe Zustimmungswerte bei Wahlen erfahren. Kumpf hatte am Ende 1 500 Stimmen bei den Erststimmen Vorsprung vor CDU-Bewerber Matthias Reuter, der Landtagsabgeordneten Heinz Lehmann (CDU) beerben wollte. Im Wahlkreis Niesky/Weißwasser macht Lothar Bienst (CDU) Platz. Den besetzt nun der politisch bislang unbekannte Roberto Kuhnert (AfD), der das Direktmandat CDU-Bewerber Tilmann Havenstein wegschnappte. Die vermutlich sachsenweite Besonderheit in diesem Wahlkreis: Die CDU verlor zwar gegen die AfD bei den Erststimmen, dafür aber lag sie vorn bei den Zweitstimmen. Eigentlich war das gängige Wahlmuster an diesem Abend genau anders herum: Mehr Erststimmen für die CDU dank der taktischen Wähler anderer Parteien, dafür weniger Zweitstimmen.

Wer zieht über die Listen in den Landtag?

Nach dem vorläufigen Endergebnis haben es nicht nur die vier Politiker in den Landtag geschafft, die die Direktmandate gewannen, sondern noch weitere fünf Bewerber über die jeweiligen Landeslisten. Zu den zwei Direktmandaten der AfD kommen noch Sebastian Wippel (Görlitz) und Jens Oberhoffner (Weißwasser). Für die Linke werden Mirko Schultze (Görlitz) und Antonia Mertsching (Weißwasser) in Dresden arbeiten, und schließlich hat es auch Franziska Schubert für die Grünen geschafft.

Wer ist jetzt stärkste Kraft im Landkreis?

Lange Zeit sah es nach den Auszählungen am Wahlabend so aus, als würde die AfD dieses Wahlziel erreichen und nach der Bundestagswahl 2017 und der Europawahl im Mai nun auch bei der Landtagswahl stärkste Kraft an der Neiße werden. Doch dank des guten Zweitstimmen-Ergebnisses der CDU im Norden und im Zittauer Wahlkreis erhielt die CDU nach SZ-Berechnungen die meisten Zweitstimmen und ist mit 36,1 Prozent stärkste Kraft an der Neiße. Die AfD folgt mit 362 Stimmen weniger und 35,85 Prozent auf Platz zwei.

Wie hat sich die Wahlbeteiligung im Landkreis Görlitz geändert?

Sie ist sprunghaft angestiegen. Gaben vor fünf Jahren nur rund 102 000 Wähler ihre Stimmen ab, so waren es dieses Mal 138 000. Lag die Wahlbeteiligung 2014 in den Wahlkreisen zwischen 43,2 Prozent (Wahlkreis Görlitz) und 50,5 (Löbau), so lag die Beteiligung dieses Jahr durch die Bank höher: Niesky/Weißwasser 68,5 Prozent, Görlitz 67 Prozent, Löbau 67,4 Prozent und Zittau 65,1 Prozent. Die Gemeinde Markersdorf stellte sogar den sächsischen Rekord bei dieser Wahl auf mit 81,5 Prozent Wahlbeteiligung. Das hat auch Folgen für die einzelnen Parteien. Die AfD erhält mit 49 453 rund 36 000 Zweitstimmen mehr als vor fünf Jahren. Auch die CDU legt zu: von 40 398 auf 49 815. Aufwärts geht es auch für die Grünen (von 3 944 auf 6 818), für die FDP (von 4 089 auf 4 398) und die Freien Wähler (von 2 370 auf 3 617). Dagegen verlieren absolut die Linke (von 18 361 Zweitstimmen 2014 auf 10 391 in diesem Jahr) sowie die SPD (10 572 auf 6 893).

Welche Reaktionen gab es auf das Wahlergebnis?

Die Bündnisgrünen freuen sich über den Stimmenzuwachs. Nach Ansicht von Kreissprecher Thomas Pilz habe die Demokratie durch eine höhere Wahlbeteiligung und das Mehrheitsvotum für eine offene Gesellschaft und für europäische Werte gewonnen. Sprecherin Annett Jagiela sieht in dem Ergebnis auch den Wunsch der Wähler zum Ausdruck gekommen für einen besseren öffentlichen Nahverkehr, Klimaschutz, längeres gemeinsames Lernen und eine ernsthafte Bürgerbeteiligung. AfD-Kandidat Sebastian Wippel dankte seinen Wählern. Ursachen für seine Niederlage gegen Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU sieht er in einer Verschwörung aller Parteien gegen sich sowie eine feindlich gesinnte Presse.