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Wie Dresden Neonazis vom Neumarkt verbannt

Harte Arbeit fürs Ordnungsamt: Auf der Suche nach einer gerichtsfesten Begründung.

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© dpa

Von Andreas Weller

Viele Dresdner sind schockiert, weil Neonazis sich in diesem Jahr am 13. Februar auf dem Neumarkt versammeln wollen. Dabei sollte das Versammlungsgesetz genau das verhindern. Die wichtigsten Fragen dazu und wie Dresden die Versammlung verdrängen kann.

Was genau soll das Gesetz bezüglich des Neumarktes regeln?

Neben dem Neumarkt mit der Frauenkirche sind im Gesetz das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig und am 13. und 14. Februar die nördliche Altstadt und die südliche Innere Neustadt Dresdens unter speziellem Schutz. Veranstaltungen können vom Ordnungsamt generell untersagt werden.

Wie groß ist der Bereich, auf den diese Regelung in Dresden zutrifft?

Das betrifft die Plätze An der Frauenkirche und Neumarkt und die Straße An der Frauenkirche. Für den 13. und 14. Februar gilt das außerdem für den Theaterplatz, Schloßplatz, die Augustusbrücke, den Neustädter Markt, die Köpckestraße, den Carolaplatz, die Carolabrücke, Teile der St. Petersburger Straße, den Rathenauplatz, Pirnaischen Platz, die westliche Seite der Ringstraße bis zum Rathausplatz, die Pfarrgasse und den sich anschließenden Teil der Straße An der Kreuzkirche bis zum Altmarkt, den Altmarkt, die Wilsdruffer Straße, den Postplatz, die Sophienstraße und das von diesen umschlossene Gebiet.

Weshalb sind konkret diese Orte vom Demonstrationsrecht ausgenommen?

In dem Gesetz steht allgemein, dass Orte geschützt werden können, die historisch eine herausragende Bedeutung haben, beispielsweise wenn sie an Opfer des Nazi-
regimes erinnern. Dazu extra erwähnt sind die vorher genannten Orte und Bereiche, damit Extremisten sie nicht missbrauchen.

Weshalb darf das stille Gedenken vor der Frauenkirche stattfinden?

Die Stadtverwaltung prüft jeden Antrag für eine Veranstaltung und wägt ab, ob durch diese die öffentliche Ordnung gestört wird. Das ist beim stillen Gedenken ganz klar nicht der Fall.

Kann das Ordnungsamt die rechte Kundgebung vor der Kirche verbieten?

Ja. Es gibt zwei Ansätze: der Verweis auf den Schutz des Neumarktes im Versammlungsgesetz. Der andere Weg ist: Die Verwaltung kann entscheiden, dass mit dem stillen Gedenken bereits eine Veranstaltung an dem Ort sei und eine Kundgebung nicht zum Charakter dieser Veranstaltung passe. Zudem sei die räumliche Trennung und Absicherung beider Veranstaltungen bei einer hohen Gefährdung durch die Nazi-Kundgebung nicht zu gewährleisten.

Welche Variante ist voraussichtlich eher durchsetzbar?

Die Verwaltung wird sich wahrscheinlich auf beide Aspekte stützen. Das Versammlungsgesetz gilt aber als nicht rechtssicher. Die Punkte mit den Bannmeilen um einzelne Orte wurden mehrfach von Rechtsexperten kritisiert. So müsse beispielsweise nachgewiesen werden, dass durch den Veranstalter die Verantwortung des nationalsozialistischen Regimes für den Zweiten Weltkrieg geleugnet oder verharmlost werde. Das ist schwierig. Deshalb wäre es wahrscheinlich deutlich einfacher, den Nazis wegen des stillen Gedenkens den Ort zu untersagen. Dass diese beiden Veranstaltungen sich nicht vertragen, ist offensichtlich. Außerdem ist die Religionsfreiheit bei einer Veranstaltung einer Kirche ähnlich schützenswert wie die Versammlungsfreiheit. Da es das stille Gedenken seit vielen Jahren dort in der Form gibt, wäre es wohl vertretbar, ihm den Vorrang zu geben.

Wann wird entschieden und der Bescheid der Stadt ergehen?

Ziemlich sicher nicht mehr in dieser Woche. Aber dann sehr schnell.

Wäre Dresden damit die Neonazis zumindest für dieses Jahr los?

Wahrscheinlich nicht. Das Ordnungsamt müsste ihnen einen alternativen Ort für die Kundgebung vorschlagen.

Wohin könnte die Stadtverwaltung die Neonazis verbannen?

Der Ort muss wie der angemeldete Bereich zentral sein. Er darf also nicht am Rande der Stadt oder in einem stillgelegten Gewerbegebiet liegen. Eher kämen der Hauptbahnhof und die Plätze in der Nähe in Betracht. Der Ort wird aber außerhalb der Bannmeile des Gesetzes liegen.

Können die Rechtsextremisten gegen eine Zuweisung vorgehen?

Ja. Sie haben immer die Möglichkeit zu versuchen, einstweiligen Rechtsschutz gegen die Stadt vor dem Verwaltungsgericht zu beantragen. Danach können beide Seiten vor das Oberverwaltungsgericht. Die Gerichte können auch Kompromisse vorschlagen, wenn sich Nazis und Stadt nicht auf einen Ort einigen.