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Wie sehr trifft Nünchritz die Wacker-Flaute?

Gemeinderäte machen sich Sorgen um Gewerbesteuern des Chemiewerks. In Lampertswalde kennt man das Problem.

Von Jörg Richter
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Fast schon idyllisch liegt Nünchritz mit dem Chemiewerk an der Elbe. Bislang war der Wacker-Konzern eine sichere Bank bei der Gemeindeentwicklung.
Fast schon idyllisch liegt Nünchritz mit dem Chemiewerk an der Elbe. Bislang war der Wacker-Konzern eine sichere Bank bei der Gemeindeentwicklung. ©  Archiv/Sebastian Schultz

Nünchritz. Nünchritz ist mit dem Chemiewerk wie ein Ehepaar verbunden – in guten und in schlechten Zeiten. Laufen die Produktion und der Absatz bei Wacker, dann hat auch die Gemeinde etwas davon. „Wacker ist unser größter Gewerbesteuerzahler“, sagt Bürgermeister Gerd Barthold (CDU), ohne aber, mit Verweis auf den Datenschutz und das Steuergeheimnis, konkrete Zahlen zu nennen.

Seit ein paar Monaten häufen sich aber die Hinweise, dass der Wacker-Konzern in diesem Jahr zu kämpfen hat. Anfangs berichtete die Deutsche Presseagentur (dpa), dass die Flaute auf dem Solarmarkt dem Chemieriesen die Bilanz verhagelt. So muss der SDax-Konzern den Wert von Anlagen zur Herstellung von Silizium um rund 750 Millionen Euro nach unten korrigieren. 

Darum erwartet Wacker für 2019 jetzt ein negatives Jahresergebnis von etwa dem gleichen Betrag, teilten die Münchener mit. Grund für die Abschreibung sei die ausbleibende Erholung der Preise für Polysilizium. Die Aktie von Wacker Chemie sackte wegen der Nachricht auf 62,20 Euro ab. Mittlerweile hat sie sich wieder erholt und kratzt an der 70-Euro-Marke.

Trotzdem sind die Nünchritzer Gemeinderäte besorgt. Holger Rautschek von der CDU-Fraktion, der selbst bei Wacker arbeitet, fragte im letzten Gemeinderat, wie es mit den Gewerbesteuereinnahmen aussieht. „Müssen wir sie womöglich zurückzahlen? Und wie sind wir darauf vorbereitet? Haben wir Rücklagen?“

Kämmerin Martina Schieritz verwies darauf, dass es vom Gesetzgeber her verboten sei, Rücklagen für eventuelle Steuerrückzahlungen zu bilden. Sie ist sich dem Ernst der Lage bewusst und versuchte, die Gemeinderäte zu beruhigen. 

„Wir hatten in den Vorjahren ordentliche Steuereinnahmen, sodass ich denke, dass wir uns über Wasser halten werden“, sagt sie. Im aktuellen Finanzplan, der erstmals als Doppelhaushalt ausgewiesen wurde, seien die Grundsteuereinnahmen ohnehin niedriger angesetzt worden, bestätigt Bürgermeister Barthold. Was sich im April, als der Gemeinderat den Doppelhaushalt 2019/20 beschloss, als keine gute Nachricht verkaufen ließ, hat nun zumindest den positiven Aspekt, die niedrigeren Steuereinnahmen vorausgesehen zu haben. 

Insofern sei die Gemeinde auf Wackers Gewinnrückgang vorbereitet gewesen. Auch Rautschek zeigte sich einigermaßen beruhigt. „Aber die Bäume werden auf alle Fälle nicht in den Himmel wachsen“, sagt er mit Blick auf künftige Investitionen in der Gemeinde.

Nach wie vor kann sie sich noch als „reiche Kommune“ bezeichnen. Dass es auch anders kommen und schwerwiegende Auswirkungen haben kann, musste die Gemeinde Lampertswalde in diesem Jahr erleben. Dort ist der Laminathersteller Kronospan bisher noch der große Gewerbesteuerzahler. 

Seit März hat sich die Gemeinde selbst eine Haushaltssperre verhängt, nachdem Rückzahlungen von Gewerbesteuern, die hauptsächlich von Kronospan stammen, eingefordert wurden. Bis Mitte Juni waren es knapp 600.000 Euro. – Eine Hiobsbotschaft für Lampertswalde, das, wie alle anderen Kommunen auch, mit steigenden Lohnkosten zu kämpfen hat.

Nach 20 Jahren verliert Lampertswalde seinen Reichen-Status. Aber ob die 150.000 Euro Schlüsselzuweisung den finanziellen Spielraum der Gemeinde wesentlich verbessert, darf bezweifelt werden. Der neu gewählte Bürgermeister René Venus geht einem schwierigen Jahr entgegen.

Bei seinem Nünchritzer Amtskollegen bricht trotz der angekündigten Gewinneinbußen von Wacker keine Panik aus. „Was wirklich auf uns zukommt, wissen wir nicht“, sagt Barthold. „Das kann keiner richtig einschätzen.“

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