Wirtschaftsball zwischen Corona und Casino

Riesa. Das Blaulicht war ein ständiger Begleiter: Angefangen vom Auftritt der Kinder- und Jugendfeuerwehr. Über die Lichtinstallation an der Fassade des Stern – bis hin zur Beleuchtung im Saal, die den ganzen Abend über in Blau gehalten war.
Von Kühle, die mancher mit blau verbindet, war beim fünften Riesaer Wirtschaftsball aber nichts zu spüren. In entspannter Atmosphäre trafen am Samstagabend in der Riesaer Stadthalle Vertreter der regionalen Wirtschaft zusammen. 250 Gäste und damit ähnlich viele wie in den Vorjahren waren der Einladung von OB Marco Müller (CDU) und der FVG gefolgt.
Darunter viele bekannte Gesichter: Die Geschäftsführer der städtischen Gesellschaften sowie deren Töchter- und Enkelfirmen, etliche Vertreter aus den Elblandkliniken, Inhaber von Einzelhandelsgeschäften, von Ingenieur- und Handwerksfirmen, Anwälte und etliche mehr.
Dass die Begrüßung der Besucher diesmal körperlich etwas distanzierter ausfiel als sonst, liege auch am Corona-Virus, so Marco Müller. „Wir haben uns ein wenig anstecken lassen von der Hysterie“, scherzte der Gastgeber zu Beginn. „Zumal wir nicht wussten, wen man von ihnen gerade vom Schiff herunter oder aus dem Flugzeug ins Land gelassen hat.“
Ex-Kommissar auf der Couch
Die Epidemie wurde auch später am Abend noch humoristisch aufgegriffen: Moderator Marco Branig bot seinen drei Interviewgästen auf dem Sofa jeweils das mexikanische Bier der Marke Corona an. Steffen Zastrow, Chef der Urologie im Riesaer Krankenaus, und die Vize-Chefin der Riesaer Berufsakademie Katja Soyez lehnten allerdings dankend ab. Nur Riesas ehemaliger Polizeirevierleiter Herrmann Braunger, seit 50 Tagen im (Un-)Ruhestand, griff beherzt zu.
Mit Braunger schloss sich einmal mehr der Kreis zum Blaulicht: Er plauderte darüber, dass er wie Polizeiautos aussehende Zivilfahrzeuge für „Prävention pur“ hält, denn dann müsse die Polizei niemanden herumschicken. Braunger unterstrich zudem, dass Riesa heute so sicher sei wie noch nie in den vergangenen 25 Jahren.
Das dürfte auch Neu-Riesaer Steffen Zastrow gern gehört haben, der vor einem Jahr von Dresden in die Stadt umgezogen ist. Hier zu leben sei stressfreier als täglich zu pendeln und man sei näher bei den Patienten, so der Mediziner. Für das Lob, dass er Riesa in den vergangenen Monaten schätzen gelernt habe, weil man in der Stadt entspannter lebe als in Dresden, gab es Applaus vom Publikum.
BA-Vizechefin Katja Soyez indes hegt keine Pläne, nach Riesa umzuziehen. „Für Lehrende ist es gut, wenn man Abstand zwischen Lehr- und Wohnort bringt.“ Die Anziehungskraft der Stadt auf potenzielle Studenten könnte größer sein, sagte sie. Es sei nicht einfach, Studierende für den Standort zu begeistern, so Soyez, die zum Tag der offenen Tür in der BA am 14. März einlud.
Bei viel Humor waren an dem Abend aber auch immer mal wieder ernste Zwischentöne zu hören. Sei es die Kritik am verfallenden Kasernengebäude auf der Riesaer Heinestraße, das „eine Zeitreise ermögliche ohne sich groß bewegen zu müssen“, wie es in einem eingespielten Video hieß. Oder auch bei Festrednerin Jutta Matreux, seit vorigem Jahr Leiterin des Wacker-Chemiewerks in Nünchritz. Sie wünsche sich etwas weniger Post vom Landratsamt. „Ich verspreche auch künftig, mich mehr an die Geschwindigkeitsregelung zu halten.“
In ihrer Rede hatte die Managerin zuvor wirtschaftlich schwierige Rahmenbedingungen kritisiert, allem voran die hohen Strompreise in Deutschland, die es der Industrie international schwer machen würden. „So einen Wettbewerbsnachteil können Sie auch durch beste Technologie nicht ausgleichen.“
Die aus Unterfranken stammende Wahlsächsin wurde zudem politisch, kritisierte in ihrer Rede „radikale und unreflektierte Meinungen“, die ihr im Wahljahr 2019 begegnet seien. Sie bat die Gäste in ihren Firmen, Vereinen und Familien, für Toleranz und Demokratie einzustehen.
Mit Blick auf jüngste Meldungen zu Stellenabbau bei Wacker Chemie sagte sie, sie werde alles daran setzen, die Erfolgsgeschichte von Wacker in Nünchritz weiterzuschreiben. „Eine starke Verbesserungskultur der eigenen Prozesse gehört seit jeher zu den Kernelementen der deutschen Industrie.“
OB versteigert sich
Verbessert haben dürfte der Wirtschaftsball unterdessen die finanzielle Lage der Riesaer Kinder- und Jugendfeuerwehr. Nach dem Abendessen gab es eine mehrteilige Auktion zugunsten des Retternachwuchses. Einen regelrechten Freudentanz führte eine Ballbesucherin auf, die das von FVG-Geschäftsführer John Jaeschke besorgte Trikot des Fußballbundesligisten RB Leipzig für ihren Sohn ersteigern konnte. Auch mehrere Damen an einem Tisch, die einen Stadtrundgang mit dem OB samt anschließendem Essen errungen hatten, frohlockten.
Nach den Versteigerungen ging es zum beschwingten Teil des Abends mit der Liveband Lightning Family über. Mancher schaute im Nebenraum des Saals im extra aufgebauten mobilen Casino vorbei. Andere unterhielten sich weiter mit ihren Tischnachbarn, während die 15 Servicekräfte der FVG wieselflink für Getränkenachschub sorgten.
Erfahrungsgemäß laufen die Riesaer Wirtschaftsballabende bis in die frühen Morgenstunden hinein. Denkbar, dass auch bei der diesmal fünften Ausgabe die letzten Gäste erst in der Morgendämmerung den Weg nach Hause gefunden haben – zur blauen Stunde.