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Wo die Durstlöscher herkommen

Seit Wochen herrscht rund um die Uhr Hochbetrieb bei den Oppacher Mineralquellen. Das Wasser gehört zu den besten der Welt, finden mehr als 150 Spitzenköche.

Von Tilo Berger
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Annett Zentsch steht an der Bandanlage, die stündlich Tausende Flaschen mit Oppacher Mineralwasser füllt. Die junge Frau aus Ebersbach-Neugersdorf hat seit Kurzem ihren Facharbeiterbrief Fachkraft für Lebensmitteltechnik in der Tasche.
Annett Zentsch steht an der Bandanlage, die stündlich Tausende Flaschen mit Oppacher Mineralwasser füllt. Die junge Frau aus Ebersbach-Neugersdorf hat seit Kurzem ihren Facharbeiterbrief Fachkraft für Lebensmitteltechnik in der Tasche. © Steffen Unger

Oppach. Ohne Wasser, merkt euch das, wär uns’re Welt ein leeres Fass! Der Dichter Isaak Dunajewski verpackte in lyrische Worte, was jeder weiß: Ohne die chemische Verbindung von Wasserstoff und Sauerstoff gäbe es uns gar nicht. Der menschliche Körper besteht zu gut zwei Dritteln aus Wasser. Weil wir jeden Tag aber auch Wasser verlieren, ob auf der Toilette oder beim Schwitzen, müssen wir trinken. Und wenn wir mehr schwitzen, müssen wir auch mehr trinken.

Schon seit einigen Wochen wird sehr viel mehr geschwitzt als sonst. Eric Schäffer könnte das auch in Litern ausdrücken, aber ihm genügt schon ein Blick aus dem Bürofenster seines Unternehmens. Jeden Tag rollen jetzt 30 bis 40 große Lkws unter dem Fenster vorbei, alle bis unters Dach vollgepackt mit Erfrischungsgetränken der Oppacher Mineralquellen. Um das zu schaffen, arbeitet der Betrieb seit Mai rund um die Uhr – außer sonntags. Da bekommen Mensch und Maschine eine Pause.

In weniger heißen Zeiten wird fünf Tage pro Woche zweischichtig gearbeitet. Dann fahren in Oppach täglich 20 bis 25 Lkws vom Hof. Sie steuern Großhändler und Getränkeläden in ganz Sachsen, im Großraum Halle (Saale) und im südlichen Brandenburg an.

Selbst in Berlin hat Eric Schäffer sein Mineralwasser schon gesehen – und sich natürlich gefreut. Denn Durst bringt Arbeit und Umsatz nach Oppach, wo mehr als 80 Frauen und Männer bei den Mineralquellen ihr Geld verdienen. Etwa ebenso viele sind es bei der Meißner Schwerter-Brauerei. Schäffer hatte Sachsens älteste Privatbrauerei 2009 aus einer dreijährigen Phase der Insolvenz erlöst. In Oppach hat der aus dem rheinland-pfälzischen Pirmasens stammende Unternehmer bereits seit 2000 das Sagen.

Lars Paul bringt mit dem Gabelstapler eine Palette nach der anderen mit Erfrischungsgetränken zu den Lkws.
Lars Paul bringt mit dem Gabelstapler eine Palette nach der anderen mit Erfrischungsgetränken zu den Lkws. © Steffen Unger

Wenn alle Brünnlein fließen – dann meint das Volkslied in und um Oppach genau acht. Der weiteste Brunnen ist etwa fünf Kilometer vom Werk entfernt. Wer mehr darüber erfahren will, kann das entlang eines Brunnenlehrpfades. Unterwegs informieren Tafeln nicht nur über das Mineralwasser, sondern auch über die heimische Tier- und Pflanzenwelt. Schäffer hat keine Bedenken, die trockenen Sommer könnten die Quellen in der Tiefe versiegen lassen. „Knapp ist das Grundwasser unter der Oberfläche. Aber in ein paar hundert Metern Tiefe lagert genug Wasser.“ Bei Bedarf könnten aber ohne Weiteres neue Brunnen in die Erde getrieben werden.

Die Bohrungen reichen teils bis zu 300 Meter in Mitteleuropas größten zusammenhängenden Granitblock. Hier sammelt sich das Wasser, nachdem es auf seinem Sickerweg von der Oberfläche unterwegs Mineralien wie Calcium, Natrium und Magnesium eingesackt hat. Und so, wie es die Pumpen nach oben holen und durch Rohre ins Werk schicken, kommt das Mineralwasser auch in die Flaschen. Naturell, mit wenig oder viel Kohlensäure, pur oder mit Geschmack, oder als Mixgetränk mit Apfel- und Rhabarbersaft, gepresst aus Früchten aus der Region.

Glasflaschen wieder im Kommen

Vom Wasser haben wir’s gelernt – das Wandern. In Oppach wandert das Wasser in Sekundenschnelle in die Flaschen. Bis zu 50 000 davon schaffen die drei Abfüll-Linien in jeder Stunde. Auf zwei Linien laufen Glasflaschen, auf einer Plaste. Seit etwa drei Jahren kaufen Kunden wieder mehr Getränke in Glasflaschen, die sich bis zu 50-mal reinigen und wieder befüllen lassen. Das Reinigungsmittel lässt sich übrigens immer wieder aufbereiten und verwenden, das spart Energie und Chemie. Auch Plasteflaschen haben mehrere Leben, werden aber zwischendurch mal zu Granulat.

Auf etwa 20 bis 30 Prozent beziffert Eric Schäffer den jährlichen Zuwachs an Glas-Abfüllungen. Mehr Glasflaschen als jetzt kann das Unternehmen gar nicht befüllen. Das Leergut setzt Grenzen. „Im Moment liefern wir eins zu eins“, sagt der Geschäftsführende Gesellschafter. Wenn also ein Großhändler zum Beispiel 1 000 Kästen mit leeren Flaschen bringt, kann er auch wieder 1 000 volle bekommen. Dass sich in diesen Wochen keine großen Reserven ansammeln, beweist ein Gang durch das Lager. Wo sich sonst Kästen stapeln, hat Lars Paul mit seinem Gabelstapler zurzeit allen Platz der Welt. Wieder bringt er eine Ladung zu dem Lkw, der hinter dem Lager wartet und schon wenige Stunden später beim Händler sein soll. Übrigens will das Unternehmen nach und nach seine Staplerflotte auf Elektrofahrzeuge umrüsten.

Über mehr Leergut wären im Moment nicht nur die Oppacher froh, sondern die meisten der rund 200 Mineralbrunnen-Betriebe in Deutschland. Ein heißer Sommer nach dem anderen und der wachsende Appetit auf regionale Produkte sorgen für neue Rekorde und damit mehr Bedarf an Flaschen. 2018 füllten die Unternehmen der Branche insgesamt rund 15,2 Milliarden Liter Mineralwasser, Heilwasser und Erfrischungsgetränke ab, fünf Prozent mehr als 2017. Nach einer Berechnung des Verbandes Deutscher Mineralbrunnen trank jeder Einwohner Deutschlands im vergangenen Jahr 150,5 Liter Wasser – etwa sechs Liter mehr als 2017. Die beliebteste Mineralwasser-Sorte war 2018 einmal mehr Mineralwasser mit wenig Kohlensäure. Auch in Oppach führt das Medium-Wasser die Hitliste an. Überhaupt ist Wasser ohne Geschmack nach wie vor das Hauptprodukt der Mineralquellen. Drei von vier Flaschen haben einfach nur Wasser in sich.

Im sogenannten Sirupraum bedient Ronny Zimmermann den Computer, der bei Getränken mit Geschmack für die richtige Mischung sorgt. In Tanks lagern die Zutaten beispielsweise für leichte Schorlen, Orangen- oder Zitronenperle, Tonic, Limonaden und Cola. Noch vor ein paar Jahren dauerte es etwa zwei Stunden, eine Abfüllanlage von einer Geschmacksrichtung auf die andere oder auch auf pur umzustellen. Jetzt schafft das die moderne Technik in rund 20 Minuten. „Der Mercedes unter den Mischanlagen“, sagt Erich Schäffer.

Und wieder geht ein voll bepackter Brummi auf Fahrt zu Händlern in Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt.
Und wieder geht ein voll bepackter Brummi auf Fahrt zu Händlern in Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. © Steffen Unger

Es gibt nur Wasser, Wasser, Wasser überall und wir haben nichts zu trinken – beklagt sich die Band Santiano in einem ihrer Lieder. Die Jungs wollen Rum – und sind damit unbewusst ganz nahe an den Anfängen des Oppacher Unternehmens. Denn dessen Geschichte begann nicht mit Wasser, sondern mit Schnaps, Obstwein und Saft. Im Jahr 1886 legte Richard Wenzel mit einer Obstkelterei und Destillation in der aufstrebenden Gemeinde Oppach den Grundstein für die Firma, die 1948 enteignet und in einen Volkseigenen Betrieb überführt wurde.

Ab 1953 gehörte der Oppacher Betrieb zur Lausitzer Früchteverarbeitung im Nachbarort Sohland (Spree). 1991 gründete Hans Jürgen Strauch die Oppacher Mineralquellen GmbH & Co. KG als Tochterfirma der Odenwaldquelle Heppenheim. Das Unternehmen baute 1992/93 für etwa 15 Millionen Euro einen neuen Abfüllbetrieb im Oppacher Gewerbegebiet Wassergrund. Damals zählte der Betrieb 32 Mitarbeiter.

2000 übernahm die damalige Frankfurter Actris AG das Werk, das schließlich Eric Schäffer in Eigenregie als Familienbetrieb weiterführte, die Belegschaft aufstockte und auch Lehrlinge ausbildet. Zurzeit lernen dreizehn junge Leute bei den Oppacher Mineralquellen und der Meißner Schwerter-Brauerei einen Beruf. Annett Zentsch hat ihren Facharbeiterbrief schon der Tasche. Die junge Frau aus Ebersbach-Neugersdorf lernte Fachkraft für Lebensmitteltechnik – ihr absoluter Wunschberuf, wie sie sagt. Was sie selbst nicht sagt, aber Eric Schäffer, und seine Stimme verrät Stolz: Annett Zentsch war an der Berufsschule die Beste ihres ganzen Jahrgangs.

Mehr als 150 Spitzenköche testen in Brüssel Lebensmittel – und gaben jetzt Oppacher Medium drei Sterne. Mehr geht nicht. 
Mehr als 150 Spitzenköche testen in Brüssel Lebensmittel – und gaben jetzt Oppacher Medium drei Sterne. Mehr geht nicht.  © Fabrice Debatty

Das Wasser ist so hell und klar, man trank es schon vor tausend Jahr – weiß ein anderes Volkslied zu berichten. Ob es vor tausend Jahren schon Gütekontrollen und Wettbewerbe gab, wissen die Oppacher zwar nicht. Aber dass ihr Medium-Wasser zu den besten der Welt gehört, das haben sie seit Kurzem erneut schwarz auf weiß. Nicht zum ersten, sondern zum sechsten Mal seit 2009 ehrte das International Taste Institute in Brüssel das Oppacher Wasser jetzt mit drei Sternen – mehr gibt es nicht.

Zu den Tests kommen in regelmäßigen Abständen mehr als 150 Spitzenköche und Sommeliers zusammen. Ihre verwöhnten Gaumen bewerten Geschmack, Frische und noch einige andere Eigenschaften der Testprodukte. Die Sieger bekommen einen, zwei oder drei Sterne. Oppacher Medium spielt jetzt in einer Liga zum Beispiel mit Whistler Glacial Spring Water aus Kanada oder Fuji blue aus Japan. Nach Schäffers Kenntnis ist das Oppacher das einzige ausgezeichnete Wasser in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Lionel von Croÿ vom International Taste Institute bestätigt dies: Die meisten geehrten deutschen Produkte kamen aus West-Bundesländern, vor allem aus Bayern. Aus Sachsen habe einzig Oppacher drei Sterne bekommen.